Literatur als Wissenschaft

Helmut Müller-Sievers beschäftigt sich in „The Science of Literature“ mit der Zeugung und Formierung (literatur-)wissenschaftlicher Gegenstände

Von Sandy SchefflerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sandy Scheffler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Band „The Science of Literature. Essays on an Incalculable Difference“ versammelt zwölf Aufsätze von Helmut Müller-Sievers, die von Chadwick Truscott Smith, Paul Babinski und ihm selbst ins Englische übersetzt worden sind. Müller-Sieversʼ Anliegen ist die „historisch bewusste, methodisch präzise und kulturell sensible“ Entfaltung des Studiums von Literatur in ihrem „dreigeteilten Raum“ zwischen einer 1) „Poetics of the Life Science“, 2) „The Science of Reading“ und 3) „The Applied Science of Literature“. Unter diesen Kapitelüberschriften subsumiert der Band seine Aufsätze in Gruppen, die sich mit dem Paradigma von Zeugung, mit Ableseverfahren sowie der Engführung von maschineller Technik und literarischer Narration befassen. Zum Auftakt werden Facetten einer „Simultanität“ mit den Lebenswissenschaften herausgestellt, welche auf die „diskursive Assistenz“ der Literatur zurückgreifen. Anschließend wird anhand von Anatomie und Physiologie gezeigt, wie das Schreibverfahren der Philologie genutzt wird, um wissenschaftliche Vergleichsprotokolle aufzuzeichnen. Schließlich geht es im dritten Teil um die Beziehung zwischen der Anordnung von „Praktiken und Strategien“ maschineller Konstruktionen und die „Entwicklung der Langform realistischer Prosa“.

Die „Verknüpfung literarischer und wissenschaftlicher Vermutungen über Dynamik und Zeugung ist dabei von größter Bedeutung für die Zukunft beider Diskurse“, also für „Science and Literature“, und zwar deshalb, weil sie über einen „konzeptuellen Austausch“ zwischen den Disziplinen hinausgeht: „Was als eine tiefe epistemologische Allianz zwischen Wissenschaft und Literatur begann“ („Science by Literature“), und zwar insofern als die Lebenswissenschaften auf die Literatur zurückgreifen mussten, um sich ihre „originäre und gestaltende Kraft“ zunutze zu machen, erreichte seinen „Gipfel“ mit der „Institutionalisierung der Philologie als Literaturwissenschaft“ („Science of Literature“). Damit wurde ein neues Forschungsfeld freigegeben, nämlich das der Literatur selbst („A New Field for Literature“).

In „Divining Relations“ beschäftigt Müller-Sievers hinsichtlich des Zeugungsparadigmas die Frage, was Generationen miteinander verbindet. Anhand des literarischen Beispiels von Gellerts Leben der schwedischen Gräfin von G*** (1750) wird deutlich, dass die Generationenverknüpfung besonders dann dieses Fragenkontextes bedarf, wenn die Abstammung verschwiegen wird oder schlicht nicht bekannt ist. Der Ähnlichkeitsmechanismus der biologischen Abstammung ist ein Merkmal, dass die Herkunft erahnen lässt. Dabei bleibt offen, ob es das einzige (äußere) Merkmal ist. Müller-Sievers versucht im Anschluss an die Anagnorisis-Thematik seine These zu belegen, dass sich die „Tendenzen“ bezüglich der „Veränderungen in den Zeugungs- und Generationstheorien des frühen 19. Jahrhunderts“ in der „literarischen Form“ „überkreuzen“, und eben deshalb in dieser „nachgewiesen“ werden können. Das gegenseitige Wiedererkennen von literarischen Figuren durch bestimmte Zeichen, das sie vom „Stand der Unwissenheit in den der Erkenntnis“ katapultiert, bewirkt zumeist einen enormen Handlungsumschwung und „zerschlägt“ gänzlich den verworrenen „Handlungsknoten“. Die „Praxis der Zeichenausstreuung und -kommentierung“ bietet die Grundlage für das Sammeln, Verstehen und Umsetzen einer schieren Zeichenflut, mit der die Figuren konfrontiert werden. Ihr Handlungsbegehren ist durch zufällige Erkennungszeichen motiviert, die sie als an sich gerichtet verstehen. Ähnlichkeit erweist sich entlang der Linie zwischen ‚innen‘ und ‚außen‘ als „symbolisch“, und zwar insofern, als es keine weiteren oder gar absoluten „Erklärungen“ und „Wahrheiten“ gibt, auf die man zurückgreifen könnte. An ihre Stelle tritt ein „dunkles“ und „vordiskursives Ahnen“. Für Müller-Sievers bietet sich die Chance, die Anagnorisis nicht als „künstlich von außen“ kommend und auf „den Text begrenzt“ zu verstehen, sondern als „im Innern generiert und überwunden“, womit die Grenze zwischen „Literatur“ und „Nicht-Literatur“ obsolet würde.

In Georg Büchners anatomischen Schriften, die gewöhnlich in einen inhaltlichen oder formalen Kontext zu seinem dichterischen Werk gebracht werden, wird Zeugung wiederum metonymisch generiert und anhand dieser Verschiebung ablesbar. Dass man hier mit einem Oder nicht weit komme, ist Müller-Sieversʼ Ansicht in „On Nerve Fibers: Rhetoric and Brain Anatomy in Georg Büchner“. Er plädiert dafür, mittels der „Geschichte der Hirnanatomie im ersten Quartal des 19. Jahrhunderts“, beide Betrachtungsweisen zu verknüpfen. Mit den Begriffen „Chiasmus“ und „Anastomose“ beschreibt Büchner den Verlauf der Hirnnerven, der eine Orientierung zulässt. Der Fisch, an dem er seine Untersuchungen und Beobachtungen vornimmt, kann so in „vorne“ und „hinten“ eingeteilt werden. Chiasmus und Anastomose stehen somit synonym für das Büchner’sche charakteristische Schreiben. In ihm findet eine metonymische Verschiebung statt zwischen anatomischer Darstellbarkeit und sprachlicher Reproduzierbarkeit, die eine chiastische Lesbarkeit offenbart. Oder anders gesagt: Das „Skalpell des Anatomen und die Schreibfeder vollziehen eine ähnliche Bewegung“. Beide Prozesse – die anatomische Skalpellführung ebenso wie die Gedanken sichtbar machende Schrift – bedürfen stets einer Art Übersetzung. Das heißt es in buchstäblichem Sinne: in der Metonymie verortet zu sein statt in der Metapher. Mit anderen Worten: Die Schrift ist kein geistiges Abbild des Denkens, losgelöst von jeglicher Materialität, wie Büchners Epoche es vorgab, sondern bedarf ihrer, um durch Verschiebung zur Sichtbar- und Lesbarkeit zu gelangen, so wie die Anatomie auch.

Immanuel Kants Frage, „Was heißt: Sich im Denken orientiren“, nimmt Müller-Sievers im zweiten Sammlungsteil „The Science of Reading“ zum Anlass einer Betrachtung über die „Orientierung“ als räumliches und geistiges Ableseverfahren, in welchem die Verschränkung von Literatur als und mit Wissenschaft evident wird. Als Raumkonzept haben sowohl die Erde als auch der Mensch keinen objektiven Pol, der eine endgültige und objektive Orientierung zuließe. Die „räumliche Endlichkeit“ des Menschen „verhindert, dass eine rotierende Kugel je als ganze erfasst werden kann“. Deshalb machen sowohl die „Kugelförmigkeit“ als auch die „Erdrotation“ die „Desorientierung zur grundlegenden Bedingung, unter der wir auf der Erde leben“. Was bleibt also, wenn es keine objektive räumliche Orientierung gibt? Es bleibt der Versuch, sich im Denken zu orientieren. Allerdings bleibt es buchstäblich bei dem Versuch, denn auch hier ist kein „unverwechselbarer Pol, kein demonstrables Prinzip“ vorhanden, an welchem ablesbar wäre, „was und wie zu denken wäre“. In dieses Phänomen impliziert Müller-Sievers interessanterweise zwei Elemente der kantischen Frage, die mehr sind als bloß semantische Bedeutungsrelevanzen. Die erste geht der Spur des Wortes „heißen“ nach. In ihm verschränken sich einerseits seine drei Bedeutungen „nennen“, „bedeuten“ und „auffordern“. Andererseits beinhaltet die Frage jedoch auch einen eigenen philosophischen Anspruch, indem sie ihre Antwort bereits in sich trägt und die „Suche nach Wissen“ ein „Übergang (transitus) von der Frage zur Antwort, von der Leere zur Erfüllung, von der Suche zum Ziel“ ist. Dabei ist entscheidend, dass die Frage selbst eine richtungsweisende Orientierung bietet. Um unsinnige und endlose Wiederholungen zu vermeiden, will Kant ein „Modell philosophischen Fragens“ entwickeln; „die Vernunftkritik muss die Grenzen der sie angehenden Fragen abstecken“, was wiederum bedeutet, dass „sie sich selbst als Frage stellen können“ muss.

Müller-Sievers kommt zu dem bedeutsamen Schluss, dass Orientierung nicht als „Metapher“ verstanden werden kann, sondern vielmehr als „Name“, „den die Vernunftkritik sich selber gibt“. Die Grundlage für diesen intelligenten Clou liefert ihm der Titel des Aufsatzes, und zwar durch eine beim Wort genommene Metonymie in der Interpunktion: „Was heißt sich: im Denken orientieren?“ Der Doppelpunkt hinter „sich“ statt „heißt“ lässt eine Übersetzung der leitenden Frage zu in: „Was heißt: Vernunftkritik“. Die Wichtigkeit von „Kants Punkten“ liegt in der „Selbstzitation“ und „-befragung“ der Frage, denn „die Fragen stellen sich“ und sind insofern schon „als ,das Gesagte‘ zu nehmen“. So macht Müller-Sievers auf eine spannende Entdeckung aufmerksam: „niemand hatte die Frage ,was heißt: sich im Denken orientieren?‘ in dieser Form gestellt. Kant selbst also stellt etwas in Frage, auf das er dann aber keine Antwort, sondern eher eine Art Durchhaltestrategie bereithält.“ Eine abschließende Antwort ist nicht erwartbar, da es ja keine objektive Instanz gibt, die eine räumliche und geistige Orientierung vorgibt. So bleibt es bei einer Orientierung, die „dem Menschen aufgegeben“ ist und als eine „Bedingung“ seiner „räumlichen und geistigen Existenz“ in Erscheinung tritt.

Das Fazit aus „A Tremendous Chasm: Nietzsche, ,The Birth of Tragedy‘, and the Measure of Poetry” könnte lauten: „Alles ist Zeugung.“ Das 19. Jahrhundert zeigt sich zeugungsmächtig und -wütig. So scheint Friedrich Nietzsches Titel Geburt der Tragödie synonym für eine Ära zu sein, mit einer „Selbstgeburt der tragischen Sprache aus der Mystik“, mit der „Erzeugung der tragischen Szene aus der Vision des lyrischen Dichters“ und mit der „Neuschaffung“ einer „Zukunftsphilologie“. Müller-Sievers geht es hauptsächlich um letzteren Aspekt, um die „philologische Methode“ der Geburt der Tragödie, um die „Entdeckung“ der „Inkompatibilität von antiker und moderner Metrik“. So wie Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Friedrich Wilhelm Joseph Schelling die philosophische Bedeutung des rhythmischen Phänomens erkennen, entdeckt auch Nietzsche später die Besonderheiten des Rhythmus in „Unterbrechung“ und „Gleichmäßigkeit“, der ganz im Schopenhauer’schen Sinne zum Ausdruck von „Wille“ und „Vorstellung“ gerät. Der rhythmischen Regelmäßigkeit ist ein Innehalten, Lauschen sowie Nachahmensbegehren gleichermaßen inhärent. So wird evident, auf welche Weise der Rhythmus „Produkt“ und „produktiv“ zugleich ist: Seine Genese ist die Bewegung und (er-)zeugt neue Bewegung. Die immer neue „Geburt“ ist dem Rhythmus quasi eingeschrieben. „Bewegung“ und somit buchstäblich erzeugte „Lebendigkeit“ sollte streng quantitativ beschreibbar sein, wie Müller-Sievers in „Torque: Life and Motion“ konstatiert, womit der dritte, anwendungsbezogene Sammlungsteil eingeleitet wird. So waren gerade die Maschinenbauer des 19. Jahrhunderts daran interessiert, Werkzeuge und Apparate zu entwickeln, deren Rotation sich berechnen ließ, um eine gewollte und nützliche Bewegung in einen festgelegten Ablauf, in eine Form zu zwingen. Während in der ästhetischen Theorie um 1800 der Kugel als idealtypischem Abbild der perfekten Drehbewegung symbolhafte „Schönheit“ beschieden wurde, findet mit der Rotation der Bewegung eine ästhetische Verschiebung hin zu einer, wie Müller-Sievers enttarnt, kaum zugegebenen Maschinenästhetisierung statt.

Der Aufsatz „A Doctrine of Transmissions“ fokussiert die anwendungsaffine Debatte um das Verhältnis von Kunst und Natur noch deutlicher, welches spätestens um 1800 neu zur Verhandlung gestellt wird. An dieser Zeitenwende werden „tatsächlich und unwiderruflich die Wälle zwischen Leben und Kunst“ eingerissen, und zwar durch „die Maschinen“. „Lebewesen und Kunstwerke“ – das sind die beiden Bereiche, deren starre Dichotomie sich zugunsten einer chiastischen Bezugnahme und Beeinflussbarkeit auflöst: „Kunstwerke werden organisch, Gegenstände der Natur schön und bedeutend.“ Im Mittelpunkt steht die im Maschinendiskurs enttarnte Besonderheit, dass selbst einfachste „Maschinen“, wie zum Beispiel eine Schraube beziehungsweise die sie herstellenden Instrumente, erstens aus mehreren interagierenden Teilen bestehen und es zweitens vor allem das Element der „Bewegung“ ist, welches sie in ihrer Eigenschaft kennzeichnet. Die (Dreh-)Bewegung hebt die Starre des Maschinenhaften auf und bringt sie in engen Zusammenhang zu anderen naturhaften Bewegungsvorgängen, wie sie dem „Motor – Mensch“, dem „Tier“ und den Elementen „Wind, Feuer und Wasser“ zu eigen sind.

Der Herleitungsversuch der Maschinenmotorik aus den Bewegungsvorgängen in der Natur erscheint womöglich logisch nachvollziehbar, allerdings kann die „Kluft zwischen Lesen und Schauen, zwischen Deduktion und Empirie, Berechnung und Aufzählung“ nicht aufgelöst werden. Erst die Erkenntnis, dass die Maschine ausschließlich als ein „Konsument von Energie an die Natur angeschlossen“ ist, nicht jedoch als ein natürlicher „Bewegungsapparat“, denn alle ihre Bewegungen sind stets „unnatürlich“, entspricht tatsächlich ihrer Natur. Das heißt auch: Nur das paarweise Auftreten der maschinellen Teile sichert den Maschinencharakter. Mehr noch, die „Paarkonstellation“ eröffnet überdies „die Möglichkeit, Maschinen Maschinen bauen zu lassen“. Müller-Sievers spricht gar von einem möglich werdenden „Maschinenpark“, der „zu einem epigenetisch sich fortzeugenden Phylum“ wird. In diesem Sinne erzeugen Maschinen ihre eigene Evolution und führen zur Geburt „immer neuer Klassen“ von Maschinen. „Bewegung“, „Rotation“ und „Translation“ sind dabei wiederkehrende Mechanismen, mit denen die (Er-)Zeugung fortgesetzt wird. Die „Eigendynamik“, die der „biologischen Evolution“ verwandt ist, ist es denn auch, die an der Schnittstelle von Natur/Kunst und Technik angesiedelt ist.

Eingebettet in den Rahmen, den zwei steinerne Wissensfiguren bilden, nämlich Johann Wolfgang von Goethes „Agathe Tyche“ im Ilmpark und das Fröbeldenkmal, das zusätzlich zu Quader und Kugel einen vermittelnden Zylinder als Zwischenbauteil hat, entwickelt Müller-Sievers in „The Novel Machine“ eine interessante Verkettungsgeschichte von Walzenindustrialisierung und Romanmaschinerie im 18. und 19. Jahrhundert. Symbolisiert im Zylinder kommt es zur Erzeugung einer sozusagen evolutionären „Bewegung“, welche die „Rotation“ der Kugel und die „Translation“ des Quaders „zusammenzwingt“. Dieser auf die maschinelle Technik übertragene Zwang erstreckt sich nicht nur auf das Maschinen-, sondern auch auf das Kulturgewerbe. Der industrielle Rotationsdruck ermöglicht eine Druckkultur, die zugleich ihren diskursiven Niederschlag in dem mitgestaltenden Dreieck aus Autor, Verleger und Rezipient findet. Anhand des vom Rezipienten miterzählten und -geschriebenen Fortsetzungsromans des 19. Jahrhunderts, wie das Beispiel Charles Dickens The Pickwick Papers verdeutlicht, stellt Müller-Sievers einleuchtend und plastisch heraus, wie im Begriff „Umwälzung“ in buchstäblichem, technischem und kulturellem Sinn Walzen- und Erzählinnovation in eins fallen. Die „Genealogie der Bewegungen“ findet ihren dynamischen Gehalt sowohl in den produzierenden Fabriken als auch in der Narration der (Roman-)Texte. Kennzeichnend für beide Bewegungen ist ihre Unabgeschlossenheit, das Dunkel ihres möglichen oder unmöglichen Endens, das sie in die Nähe zum „vordiskursiven Ahnen“ der Generationenschaft rückt. Die realistische Literatur will Müller-Sievers denn auch als den literarischen Anschluss „an die dominante Bewegung ihrer Epoche“ statt als Ebenbild der „direkten Wirklichkeit“ verstanden wissen. So wird die walzengeprägte Fort-Bewegung zu einer literarischen „Teilhabe“ und der literarische „Genuss“ zur „Hingabe“ an ein und dieselbe Bewegung.

Die (Über-)Kreuzung der drei generierenden Kräfte „Zeugung“, „Bewegung“ und „Drehung“, die einander evolutionär bedingen, zeigt, wie sich ihre Wirkungsfelder wissenshistorisch wechselseitig verstärken. Eine solche Einflussnahme ist keine Frage der Freiwilligkeit, sondern eine der Abstammung und insofern selbst(er)zeugend. Müller-Sievers zeigt anhand eines eindrucksvollen, breit gefächerten Wissensspektrums, wie die Formenerzeugung vonstattengeht. Literarische Zeugung erfolgt dabei nicht auf einem abgespaltenen fiktionalen Feld, sondern ist vielmehr selbst Teil der Wissensgeburten. Besonders deutlich ist dieser Chiasmus in der Beschreibung des breiten Wirkens der zylindrischen Druckmaschine, welche die Unabgeschlossenheit des neu entstehenden Fortsetzungsromans erzeugt und fortbewegt in einem – und zwar sowohl maschinell als auch literarisch. Literatur und Technik, Mechanik und (Natur-)Wissenschaft greifen ineinander, so dass im gemeinsamen Berührungspunkt „Bewegung“ die Statuierung der Literatur als Wissen(schaft) erfolgt. Die Texte dieser ausgesuchten Aufsatzsammlung weisen stets auf die Bewegung als eine alles bedingende Form von Lebendigkeit hin, welche in der literarischen Narration präsent ist. Die Bewegungsberührung überwindet dabei die Dichotomie des fiktionalen und faktualen Feldes zugunsten einer Science of Literature.

Titelbild

Helmut Müller-Sievers: The Science of Literature. Essays on an Incalculable Difference.
Mit einem Nachwort versehen von David E. Wellberry.
De Gruyter, Berlin 2015.
270 Seiten, 79,95 EUR.
ISBN-13: 9783110323948

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