Die Postkutschenära

Eine nostalgische Fahrt durch die Eifel mit Erich Gertens „Zeit der Postkutschen“

Von Kathleen BenninghoffRSS-Newsfeed neuer Artikel von Kathleen Benninghoff

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Verkehrsnetz in Deutschland eröffnet viele verschiedene Möglichkeiten, um von A nach B zu gelangen. Ob man dazu das Flugzeug, die Bahn, das Auto, das Fahrrad wählt oder sich zu Fuß aufmacht, hängt natürlich nicht nur von der Entfernung, sondern auch vom Geldbeutel und den individuellen Präferenzen ab. Nicht jeder Reisende, der in Gedanken versunken an einem Bahnhof auf den nächsten Zug wartet, fragt sich dabei, wie die Bevölkerung vor 100 bis 200 Jahren weitere Strecken zurücklegen konnte.

Für all diejenigen allerdings, die sich diese Frage schon einmal gestellt haben oder jetzt gerade davon umgetrieben werden, hat Erich Gerten, bis 1990 Leiter des mittlerweile aufgelösten Mittelrheinischen Postmuseums Koblenz, eine Monographie geschrieben, die den Transport von Personen und Ware via Postkutschen in Wittlich und Umgebung in den Mittelpunkt stellt. Auf 84 Seiten begleitet der Leser den Autor von 1726 bis 1920 auf einer Reise durch die Epoche der Postkutschen und deren Auswirkungen auf die Stadt Wittlich. Vereinzelte Abbildungen vermitteln zusätzliche Einblicke und untermauern die epochalen Veränderungen der Kutschen und der damit verbundenen Infrastruktur. In seiner Einleitung schafft Gerten mittels eines Exkurses einen sanften Einstieg in die Historie und versorgt den Leser mit einem Überblick und einer Einordnung in den historischen Kontext. In den darauf folgenden fünf Kapiteln geht er detaillierter auf unterschiedliche Aspekte der Postkutschenära ein. Zunächst wird der erste Ausbau der Straße zwischen Trier und Koblenz nachgezeichnet, der direkten Einfluss auf die Stadt Wittlich und die Postkutschen hatte. Arbeitsplätze und Vermögen der Einwohner ließen die Stadt in neuem Glanz erstrahlen. Von der französischen Besetzung über die preußische Machtergreifung sowie das Ende der Postkutschenära steckt Gerten eine breite historische Klammer, ohne sich im Detail zu verlieren. Der immer noch dort ansässige Autor veröffentlicht mit seinem Buch erstmals die Ergebnisse der Auswertung von Akten und Schriftstücken der alten Posthalterei Wittlichs.

Die positive ökonomische Entfaltung Wittlichs, hervorgerufen durch den Postkutschenverkehr und den damit verbundenen Umsatz für Stadt und Einwohner, wird klar heraus gearbeitet. In diesem Zusammenhang wird das Streckennetz der Postkutschen sehr detailreich dargestellt, dem ortsfremden Leser werden die strukturellen Gegebenheiten erst zu einem späteren Zeitpunkt durch die Präsentation einiger Landkarten deutlicher. Über die bloße Beschreibung der Straßennetze hinaus liefert Gersten anschauliche Details hinsichtlich der Beschaffenheit verschiedener Kutschen, der Postgebäude und ihrer Mitarbeiter, der Kosten für Straßenbau und Fahrten sowie der Lebensumstände der Beteiligten.

Diverse Einschübe mit Zitaten von Zeitzeugen lassen den Leser in eine Geschichte eintauchen, die eher unterhaltsamen Charakter hat und nicht nur auf Wissensvermittlung abzielt. Seine abwechslungsreiche Darstellung basiert auf einem sorgfältigen Quellenstudium und regt zu weiterer Auseinandersetzung mit dem Thema an. Erich Gerten gelingt es, ein auf den ersten Blick eher trockenes Thema anschaulich darzulegen, ohne dabei die historischen Fakten aus dem Fokus zu verlieren. Sein Buch eignet sich nicht nur als Einstiegslektüre in das Thema des historischen Verkehrswesens, sondern fügt aufgrund seines Detailreichtums auch der Lokalgeschichte Wittlichs und seiner Umgebung interessante neue Facetten hinzu.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Erich Gerten (Hg.): Zeit der Postkutschen in Wittlich. 1726 bis 1920.
Books on Demand, Norderstedt 2014.
84 Seiten, 18,80 EUR.
ISBN-13: 9783735736895

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