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„Bad Fucking“ soll ein Krimi sein, wenngleich ein satirischer. Er läuft Kurt Palm allerdings aus dem Ruder

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dass mit österreichischen Krimschreibern kein straffes Programm durchzuziehen ist, dürfte hinlänglich bekannt sein. Ob das damit zusammenhängt, dass jene merkwürdige Republik mit kaiserlicher Vorgeschichte irgendwie immer noch dem Barock verhaftet ist, lässt sich wahrscheinlich nicht vollständig beantworten. Aber annehmen darf man ja Vieles, auch Plausibles.

Dabei ist Österreich seit „Kottan“ eine gute Krimiadresse geworden, wofür sicherlich vor allem Wolf Haas steht. Kurt Palm, deutlich weniger prominent und sonst meist eher Theaterleuten bekannt, reiht sich hier ein. „Bad Fucking“ ist nun sein Beitrag zum originären Krimi aus Österreich.

Und er passt – naheliegend –, so als ob ein Österreicher nur das Wort „Krimi“ auf ein Blatt Papier schreiben muss, damit eine Krimi-Satire daraus entsteht. Wild und ungehemmt, sprachlich versiert und völlig ignorant, Konventionen existieren für so jemanden nicht oder nur als Material. Wenn es darum geht, seinen Ideen freien Lauf zu lassen, kann man sich auf österreichische Autoren verlassen.

Bad Fucking liegt in einer Sackgasse, nachdem vor einigen Jahren ein Erdrutsch den einen Teil der Durchfahrt verschüttet hat. Der Ort verödet seitdem, Hotels und Läden machen zu, die Gemeinde versucht sich mithilfe haltloser Spekulanten über Wasser zu hatten, was selbstverständlich misslingt. Der Ort ist zurückgefallen in die schnöden 1950er-Jahre: Die Männer saufen und glotzen den Frauen hinterher, die Söhne sind eine Schande für die Väter und der einzige Polizist des Ortes, der sich noch Gendarm nennt, interessiert sich mehr für die Rückkehr der Aale als für seine Arbeit als Ordnungshüter. Es gibt kein Fax und kein Internet (das kennen wir doch irgendwoher), und auch sonst ist der Schalter auf Anhalten gestellt. Und dann heißt der Ort auch noch Bad Fucking. Das kann man nicht einmal im Internet suchen, ohne dass man damit Aufsehen bei Überwachungsorganen erregt. Doch sogar das BKA selbst stellt die Suche ein, weshalb der Ort ordnungstechnisch gesehen nicht mehr existiert.

In diese Szenerie gerät eine Gruppe von Cheerleadern, die von einer amerikanischen Trainerin auf einen großen Wettbewerb vorbereitet werden soll. Vorbereitungstrainingslager ist das eine, aber kein Internet das andere, was schon zu einigen Verwerfungen führt und Palm zu einigen szenischen Sottisen in Sachen ‚Jugend von heute‘ verführt. Während nun diese halbwüchsigen Mädchen in das einzige Hotel des Ortes einfallen, entdeckt ein ehemaliger Hoteldiener die Leiche seines vormaligen Chefs in der Höhle, in der dieser nach seiner Haft eremitisch lebte.

Doch bei der einen Leiche bleibt es nicht, es werden eine ganze Menge weitere. Zwischen dem Hotelbesitzer und seinem Sohn ist nicht alles im Reinen, mit seiner Frau stimmt auch etwas nicht. Der Sohn wiederum ist hinter der Fotogeschäftsfrau her und will sie mit Fotos seines besten Stücks überzeugen – was für die Einschätzung des Vaters spricht, dass dem Jungen nicht viel zuzutrauen ist. Der Fotofachverkäuferin nun fällt ein Foto aus dem Fundus des örtlichen Zahnarztes in die Hände, das offensichtlich nicht den Intimbereich seiner Frau wiedergibt. Die Trainerin der Cheerleader fällt in ein großes Loch, die österreichische Innenministerin wird entführt – und schließlich kehren in der Tat die Aale zurück, was jedoch ebenfalls nicht ohne Leichnam abgeht. Fotos der Höhle, in der die erste Leiche gefunden wurde, sollen von einer Auftragskriminellen abgeholt und transferiert werden, was auch nicht gelingt. Eine Beamtin des BKA wird zur Ermittlung nach Bad Fucking geschickt, während daheim jemand an der von ihr mit Strychnin vergifteten Wurst stirbt.

Zusammenhänge? Zufall.

Es ist eben eine Menge los in dem kleinen Ort mit dem verfänglichen Namen. Man könnte auch sagen, es ist eigentlich zu viel los, um daraus auch nur eine halbwegs zusammenhängende Geschichte zu machen. Dass das Palm immerhin noch gelingt, ist ein Wunder oder spricht für ihn als Autor. Aber der Verdacht bleibt, dass er sich wahlweise haltlos oder planvoll übernommen hat und von zwei Buchdeckeln schlichtweg nur verlangt, dass sie das alles irgendwann einmal bedecken. Was sie auch tun. Am Ende bleibt ein unentschiedenes Fazit.

Titelbild

Kurt Palm: Bad Fucking. Krimi.
Residenz Verlag, Salzburg 2010.
277 Seiten, 21,90 EUR.
ISBN-13: 9783701715343

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