Die Kälte, die Stille und der Schnee
Carolina Schuttis rätselhafte Novelle „Eulen fliegen lautlos“ über eine gefährdete Existenz
Von Eva Unterhuber
Heimlich, still und leise, so lebt Jakob. Ein zarter Junge in einer raubeinigen Welt, die ihn meist wenig wohlwollend betrachtet. Für zu schüchtern befindet ihn der polternde Vater, der sich einen beherzten Sohn wünscht, zu still ist er der zupackenden Mutter, die ihm die Worte aus dem Mund zwingen möchte. Dann ist da noch der Arzt, der den schwächlichen Knaben lieber kräftig und aktiv sehen würde, und der Schuldirektor, der empfiehlt, das verzögert entwickelte Kind zurückzustufen. Allein der Briefträger, der die Familie regelmäßig besucht, ist Jakob freundlich gesinnt. Er stellt keine Ansprüche, hat immer ein offenes Ohr, ein Lächeln und viel Geduld. Doch er besucht nur sporadisch Jakobs Zuhause, ein abgelegenes Jägerhaus, und bleibt eine wohlwollende Randfigur ohne großen Einfluss auf das schweigsame Kind.
Zugegeben, nicht alles ist harsch und unfreundlich im Dasein des Jungen, kleine Träumereien und kindliche Zufluchtsorte mildern diesen Eindruck etwas. Doch die Illusion einer geschützten Parallelexistenz, die ihm den rauen Alltag zu bewältigen hilft, darf in Carolina Schuttis „Eulen fliegen lautlos“ nie Fuß fassen. Dagegen werden stille Kinderängste und Heimlichkeiten allgegenwärtig, bekommen leise Zwischentöne und subtile Zeichen eine beunruhigende Präsenz. Scheinbar harmlose Bilder – die Nacht und der Winter, verwischte Fußstapfen im Schnee, die Stiefel des Vaters, die nicht passen wollen, und ein verhungertes Rehkitz – werden zu ominösen Vorausdeutungen. Ohne viele Worte gelingt es Schutti den Eindruck zu erwecken, auf das zerbrechliche Kind lauere irgendwo Unheil.
Ist die heraufbeschworene Unruhe berechtigt? Droht Jakob wirklich ein Verhängnis? Dazu liefert „Eulen fliegen lautlos“ am Ende nur Hinweise, keine klare Antwort. Und darin liegt die nachhaltige Wirkung von Schuttis sorgfältig komponiertem Text. Das ungelöste Rätsel, die offenen Fragen zu Jakobs Schicksal lassen den Leser mit einem diffusen Unbehagen zurück. Unaufdringlich trifft die Novelle am Ende einen Nerv. Heimlich, still und leise, könnte man sagen. Aber definitiv.
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