Die Bibliothek des Architekten

Über den von Elisabeth Tiller herausgegebenen Sammelband „Bücherwelten – Raumwelten. Zirkulation von Wissen und Macht im Zeitalter des Barock“

Von Stefanie LeibetsederRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefanie Leibetseder

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der vorliegende, von Elisabeth Tiller herausgegebene Sammelband „Bücherwelten – Raumwelten. Zirkulation von Wissen und Macht im Zeitalter des Barock“ ist flüssig geschrieben und wirkt in Schrift und Gestaltung sehr elegant. Er ging aus dem Teilprojekt der TU Dresden mit dem Titel „Baroque Fantasies – Creating Exotic Spaces. The Case of Dresden“ im europäischen Forschungsverbund European Network for Baroque Cultural Heritage (ENBaCH) hervor. Einige Autoren waren zuvor Mitarbeiter der Ausstellung „Pöppelmann 3D. Bücher – Pläne – Raumwelten“.

Das Ziel des Sammelbandes besteht darin, den Anforderungen nach einer repräsentativen Raumgestaltung durch August den Starken an seinen Oberlandbaumeister Matthäus Daniel Pöppelmann nachzuspüren. Dies geschieht auf zweifache Weise: Die erste Hälfte des Buches ist architekturtheoretischen Schriften in dessen Privatbibliothek gewidmet, die zweite Hälfte einer Analyse von ausgewählten Bauten und Raumsequenzen des Architekten in Dresden und Warschau. 

Den Ausgangspunkt bildet die Untersuchung der Beschreibung der Stadttopografie Dresdens in Pöppelmanns „Zwingerstichwerk“, wobei dieser besonders auf seine eigenen Bauwerke verweist. Betrachtet man sie vor dem Hintergrund damals aktueller Architekturdiskurse, so legt dies nahe, dass Pöppelmann durch einschlägige Literatur vorgebildet war, die er sowohl als Autor als auch in seinen Bauwerken fruchtbar werden ließ.

Diese Überlegungen lenken den Blick auf die Tatsache, dass die höfische Baukunst hierzulange seit dem 17. Jahrhundert zunehmend internationalere Züge annahm. Dieser Umstand war im Heiligen Römischen Reich von besonderer Bedeutung, da es im Vergleich zu Frankreich und Italien erst spät zu Akademiegründungen kam. Deshalb kam den Architekturtrakten und Reproduktionen vorbildhafter Bauten in den einschlägigen Stichwerken eine wichtige Rolle als Transmissionsriemen neuer künstlerischer Entwicklungen zu.

Um diesen Gedankengang zu untermauern, werden im Folgenden auch die kurfürstliche Hofbibliothek oder die Privatbibliotheken anderer am Dresdner Hof tätiger Personen beziehungsweise von Kollegen Pöppelmanns in die Überlegungen einbezogen. Dazu zählen die Bücherschätze von Ehrenfried Walter von Tschirnhaus, Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff und Balthasar Neumann. Über die unmittelbare Fragestellung hinaus, welchen Niederschlag die Lektüre von Fachtexten in der Arbeit der Genannten fand, lässt sich das Untersuchungsfeld auch auf deren persönliches und intellektuelles Profil ausweiten.

Demzufolge war Pöppelmanns Haushalt mit Porzellan, einem Luxusgut der Zeit, bestückt. Daraus ist zu schließen, dass er einen Lebensstil pflegte, der dem des Hofes nahestand. Auch besaß er ein Exemplar des „Simplicissimus Teutsch“ von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen. Knobelsdorffs Bibliothek weist ihn hingegen auch als politisch interessierten Menschen aus, wobei offen bleibt, ob er an entsprechenden Gesprächsrunden im Umkreis Friedrichs II. von Preußen teil hatte. Allgemein lässt sich feststellen, dass die untersuchten Privatbibliotheken das gesamte Wissensspektrum des 17. und angehenden 18. Jahrhunderts umfassen.

Die künstlerische Ausrichtung der Architekten fand ihren Niederschlag auch in entsprechenden inhaltlichen Schwerpunktsetzungen ihrer Büchersammlungen. So nannte der vorwiegend an römischer Architektur des Barock geschulte Pöppelmann das weitverbreitete Stichwerk Matteo Gregorio de Rossis sein eigen. Sein an Paris orientierter Antipode Neumann besaß dagegen unter anderem Simon Thomassins Werk über Versailler Skulpturen.

Im zweiten Teil des Buches werden nacheinander Pöppelmanns Warschauer Bauten, das Japanische Palais in Dresden sowie das Lustschloss Pillnitz analysiert. Während Erstere dazu dienten, die politisch wenig erfolgreiche polnische Herrschaft Augusts des Starken baulich zu überhöhen, wurden Letztere in erster Linie als prunkvolles Gehäuse für die umfangreiche Ostasiatikasammlung Augusts des Starken geschaffen. Diese zutreffend als „Leistungsschau sächsischer Ideen und Produktivkraft“ bezeichneten baulichen Anstrengungen zeugten im europäischen Wettbewerb der Dynastien vom Zusammenwirken der politischen Macht des Regenten und dem gelehrtem Wissen seines Baumeisters.

Titelbild

Elisabeth Tiller (Hg.): Bücherwelten – Raumwelten. Zirkulation von Wissen und Macht im Zeitalter des Barock.
Böhlau Verlag, Köln 2015.
382 Seiten, 49,00 EUR.
ISBN-13: 9783412224011

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