Am Grauen satt gegessen

Die neue „Macbeth“-Verfilmung lässt bei allem Bilderzauber ziemlich kalt

Von Dominik RoseRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dominik Rose

Am Anfang, nachdem die blutroten Lettern, die über den dramatischen Ausgangspunkt der Geschichte Kenntnis geben, von der pechschwarzen Leinwand verschwunden sind, ist die Bestattung eines toten Jungen zu sehen, dessen mutmaßliche Eltern – so legt es die Inszenierung nahe – Macbeth und seine Frau sind. Das ist zum einen bemerkenswert, weil diese Szene in William Shakespeares Tragödie gar nicht vorkommt, und zum anderen, weil sie eine morbide Stimmung der Todesbesessenheit erzeugt, die den Film bis zu seinem Ende nicht mehr loslassen wird. Die neueste Adaption von Shakespeares wohl düsterstem Werk ist mit ihren von flackerndem Kerzenlicht nur unzureichend erleuchteten Kammern und Sälen, in die sich des Öfteren die Geister der Toten verirren, der trüben, dunstverhangenen Landschaft der schottischen Highlands, all den symbolhaft platzierten Kruzifixen und dem dumpf dröhnenden Bass als musikalischer Untermalung purer Gothic Horror – und zugleich eifrig bemüht, hinter dem testosterongeschwängerten Spektakel die Assoziation „Bühnenverfilmung“ gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Die Grundzüge des Dramas sind vielen bereits bekannt: Die königlichen Feldherrn Macbeth (dargestellt von Michael Fassbender) und Banquo (Paddy Considine) begegnen nach siegreicher Schlacht drei Hexen, die Macbeth weissagen, dass er zum König von Schottland gekrönt werde, während Banquo der Vater eines zukünftigen Königs sei. Durch die Prophezeiung in seinem Ehrgeiz gepackt, entschließt sich Macbeth zum Mord an König Duncan (David Thewlis). Auf dem Thron angelangt, setzt er sein blutiges Treiben fort und ermordet alle vermeindlichen Widersacher, derer er habhaft wird. Als er die Hexen erneut aufsucht, geben diese ihm eine neue Prophezeiung: Seine Königswürde sei unantastbar, solange sich nicht der Wald von Birnam in Richtung Schloss Dunsinan bewegt. Ferner werde ihn kein Mann gefährden, den ein Weib gebar. Daraufhin wiegt sich der Held in Sicherheit. Doch wie es mit Prophezeiungen so ist, manchmal sind sie trügerisch – und Macbeth ist eher ein Mann der Tat als der Interpretation.

Das kann man auch von der Neuverfilmung des australischen Regisseurs Justin Kurzel sagen, der es sich natürlich nicht nehmen lässt, die Schlacht zwischen den Heeren Macbeths und des Rebellen Macdonwald, die bei Shakespeare – den szenischen Beschränkungen der Theaterbühne geschuldet – nur in den Berichten der beteiligten Kämpfer heraufbeschworen wird, mit allen Finessen des effektvollen Überwältigungskinos in Szene zu setzen. Inklusive einer Zeitlupen-Sequenz, in der das blutige Schlachtengetümmel auf der Leinwand festzufrieren scheint. Zu den Neuerungen der Inszenierung gehört auch die Figur eines blutverschmierten Jungen, der an der Seite Macbeths gefallen ist und diesem fortan in Schlüsselsituationen als Geist erscheinen wird, etwa um ihm die Waffe zum Mord an König Duncan zu reichen. Ein guter Einfall, der Macbeths Handeln im Lichte einer Kriegstraumatisierung erscheinen lässt. Darüber hinaus sind es aber vor allem die Schandtaten des Helden, die den Film bestimmen, und ihm Gelegenheit geben, möglichst effektvoll Kunstblut zu verspritzen. Die Ermordung Duncans, bei Shakespeare hinter die Bühne verlegt, während sich die Strippenzieherin Lady Macbeth vorn über das grausige Geschehen den Kopf zerbricht, wird – in fiebrig flackerndes Kerzenlicht getaucht – als opulentes Schlachtfest inszeniert. Die unheilvollen Hellseherinnen hingegen, die in Shakespeares Vorlage als bösartige Hexen in Erscheinung treten und in Roman Polanskis Adaption als grässliche alte Vetteln für wohlige Schauder sorgen, sind ein wenig enttäuschend geraten und erinnern als sanfte „Schicksalsschwestern“ eher an geistesabwesende Heilpraktikerinnen.

Dass der Film all den atmosphärischen Nebelschwaden und Feuern, den perfekt orchestrierten Schlachten á la Braveheart und dem kunstvoll ausgestatteten Dekor zum Trotz nicht so recht zünden will, liegt sicher nicht an seinen Hauptdarstellern, die zur ersten Garde von Hollywoods Charakterdarstellern gehören. Michael Fassbender zeigt eine charismatische Leistung und lässt mit dem kalten Flackern in seinen Augen keine Zweifel an der Abgründigkeit seiner Figur aufkommen. Auch Marion Cotillard legt als zwiespältige Lady Macbeth, die den Helden zunächst zum Komplott verführt und später dann in Verzweiflung versinkt, eine handwerklich absolut saubere Vorstellung hin. Nur will der Funke nicht so recht zünden, und entsprechend teilnahmslos verfolgt man das angestrengte Treiben auf der Leinwand, das bei all den toten Körpern am Ende selbst ziemlich leblos wirkt. Möglicherweise liegt es eben daran, dass Justin Kurzel sich so sehr auf seine effektvollen Bilder verlassen hat, dass diese das zugrundeliegende Drama zwangsläufig überdecken. Was William Shakespeare von Mel Gibson unterscheidet, ließe sich allein auf Basis der neuen Macbeth-Verfilmung zumindest nicht sagen.

Macbeth, Großbritannien 2015. Regie: Justin Kurzel. Darsteller: Michael Fassbender, Marion Cotillard, David Thewlis, Paddy Considine, Sean Harris. 113 Minuten.

Weitere Filmrezensionen hier