Auf den Hund gekommen

Ross Montgomerys Debüt-Roman „Alex, Martha und die Reise ins Verbotene Land“ zeichnet sich durch besondere Qualitäten aus

Von Nicolai GlasenappRSS-Newsfeed neuer Artikel von Nicolai Glasenapp

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Zentrum des sogenannten „Verbotenen Landes“ stellt den Kern menschlichen Interesses in Ross Montgomerys Roman Alex, Martha und die Reise ins Verbotene Land dar. Zwar wäre es kühn zu behaupten, es handle sich bei diesem in der erzählten Welt durch Mythen, Geheimnisse und drohende Gefahren umrankten und zum Topos gewordenen Ort um den eigentlichen Protagonisten des Romans, doch ist seine Bedeutung allgegenwärtig. Dass gerade ein Junge aus dem Internat den Weg dorthin antritt, der sich durch seine Neugier, eine manchen etwas zu stark ausgeprägte Vorliebe für Hunde und eine außergewöhnliche Biografie auszeichnet, entspricht einer typischen Perspektive der Kinder- und Jugendliteratur auf ihre Figuren – der kleine und schwache Alex durchläuft auf seiner Reise einen Wandel zum großen und gefeierten Entdecker. Wo er zuvor noch den dominanten Autoritäten in Form von Lehrern, Erwachsenen und stärkeren Mitschülern unterlegen schien und als Sonderling galt, ist gerade sein Einfallsreichtum die entscheidende Gabe für das Gelingen des abenteuerlichen Ausflugs ins „Verbotene Land“.

Dennoch hat Montgomery keine schematisch altbekannten Stereotype zu einer Handlung verarbeitet. Vielmehr erweist sich Alex, Martha und die Reise ins Verbotene Land als Lektüre, der man gerne das mitunter dubiose Prädikat ‚Page-Turner‘ zuschreiben würde. Mit Alex entwirft Montgomery einen quirligen und sympathischen Helden, der beispielhaft für ein farbenfrohes Romanpersonal steht, das im wölfischen Davidus Kyte einen ebenso bösen wie durchtriebenen Gegenpart hat. Diese Konstellation kommt nicht ganz von ungefähr, war dieser doch bereits Teil einer Expedition zum Zentrum des „Verbotenen Landes“, die von Alex` Vater Alex J. Jennings geleitet wurde, bis es zum Zwist kam.

Die Dialoge in Montomgerys Roman sind pointiert und zeichnen sich mehrfach durch ihre Situationskomik aus, ohne sich dabei in permanenter Albernheit zu verlieren, weshalb die äußerst gelungene Übersetzung André Mumots dezidiert zu loben ist. Das Strukturprinzip ist ein szenisches und episodisches. Dies wird bereits offensichtlich, wenn die einzelnen Kapitel sich der Perspektive unterschiedlicher Protagonisten annehmen, weil sie sich von verschiedenen Positionen aus zum Zentrum des „Verbotenen Landes“ bewegen müssen. Ihren Originalitätswert erhalten viele Situationen jedoch durch das ausgeprägte Gefühl des Autors für Details und Inszenierungen. In einer exemplarischen Szene lässt Davidus Kyte einen seiner Mitarbeiter aus einem fliegenden Zeppelin werfen, und es wird beschrieben, wie er seine Rede erst fortsetzt, als dessen Hilferufe sowie das Geräusch eines sich zuerst öffnenden und dann wieder schließenden Fensters verklungen sind. Derartige Momente besitzen eine starke Suggestion und regen die bildhafte Imagination des Lesers an. Montgomerys Schreibweise ist im besten Sinne als filmisch zu bezeichnen. Gelegentlich kann man sich dem Verdacht nicht entziehen, dass der Roman möglicherweise bereits mit dem Hintergedanken verfasst wurde, ihn eines Tages in einer filmischen Adaption auf der Leinwand zu betrachten. Dies ist keineswegs kritisch zu verstehen, da es gegenwärtigen Rezeptionsgewohnheiten entspricht und von einer reflektierten Autorschaft zeugt.

Der gesamte Text ist eine wohldurchdachte und gut abgestimmte Komposition. Die szenische und episodische Grundstruktur erweist sich dabei als probate Grundlage einer Dynamik, die den Text abwechslungsreich erscheinen lässt, ohne dabei das große Ganze der erzählten Geschichte aus den Augen zu verlieren. Dank dieser Dynamik geht es nie nur ernst oder komisch zu. Und so dürfte das Werk sowohl für jugendliche als auch ältere Leser spannend sein. Am Ende steht nicht einfach eine plakative Botschaft, sondern die Gelegenheit zum Weiterdenken.

So bleibt lediglich zweifelhaft, dass es sich hier offensichtlich um ein schriftstellerisches Debüt handeln soll, wirkt die Gestaltung durch den Verfasser doch fast schon zu erfahren. Auf weitere Veröffentlichungen Ross Montgomerys darf man sehr gespannt sein.

Titelbild

Ross Montgomery: Alex, Martha und die Reise ins Verbotene Land.
Übersetzt aus dem Englischen von André Mumot.
Carl Hanser Verlag, München 2015.
331 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783446249332

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