Thomas Melle: „3000 Euro“
Von Fabian Kessl
Anton hat Jura studiert, nun hat er 3000 Euro Schulden; Denise arbeitet im Discounter an der Kasse, und wartet auf die 3000 Euro Honorar, die Ihr für ein Engagement als Pornodarstellerin versprochen wurden. Ihre Tochter erzieht Denise alleine. Aus diesem Alltag zwischen Niedriglohnjob und Elternverantwortung taucht sie manches Mal einfach ab, mit dem Speed, das ihr der Vater ihrer Tochter wie eine Beruhigungspille hinterlässt. Anton hat seine Wohnung verloren, schlägt sich auf der Straße durch. Manches Mal taucht er für einen Moment in sein altes Leben ab, besucht die letzten verbliebenen Freunde oder versinkt in eine alte Harald-Schmidt-Episode auf You Tube. Doch all das macht ihm nur noch deutlicher, wie weit er von dieser bürgerlichen Welt inzwischen entfernt ist. Denise und Anton begegnen sich, zwei Menschen aus eigentlich ganz unterschiedlichen Ecken unserer Gesellschaft. Ihr Leben in in Prekaritä und Armut führt sie nun zusammen. Zwischen Denise und Anton entsteht eine vorsichtige, aber von vornherein eher unwahrscheinliche Liebesbeziehung.
In 3000 Euro gelingt Thomas Melle eine respektvolle kleine Zeichnung von Menschen, wie sie zu Zehntausenden in Mitteleuropa jeden Tag ihren Alltag bewältigen: Menschen in Armut, die so oft übersehen werden, auch häufig übersehen werden wollen, weil sie Diffamierungen erfahren als Arme und als Mitglieder einer so genannten Unterschicht, als die sie selbst verantwortlich gemacht werden für ihre Not.
Melle übersieht diese Menschen in 3000 Euro nicht, und setzt damit einen Kontrapunkt zu all den Diffamierungen und Unterschichts-Ideologien. Stark ist Melles Erzählung gerade, weil sie dabei nicht ins Romantische verfällt, sondern uns die vorherrschenden Verhältnisse direkt vor Augen hält.
Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen