Keine Kuriositätensammlung
Thomas Macho erzählt die Kulturgeschichte des Schweins
Von Vera Zimmermann
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseWas einem zu Schweinen alles einfällt: Schweinchen Babe, die bösen Diktatoren-Schweine in George Orwells „Animal Farm“, das Sich-genüsslich-im-Dreck-Suhlen, Trüffel, Schweine als Organspender und Glückssymbole und – natürlich – als Schnitzel.
Thomas Macho beweist mit seinem schmalen Band „Schweine“, dass das noch längst nicht alles ist. Wer etwa kennt die Herkunft des Sparschweins aus der griechischen Sagenwelt? Hier heißt es, die Amme Baubo habe die Fruchtbarkeitsgöttin Demeter aufgeheitert, indem sie ihr, auf einem Schwein reitend, ihre rasierte Scham präsentiert – woraus später das Sparschwein wurde.
Der Autor beschränkt sich in „Schweine“ jedoch nicht auf eine solche Kuriositätensammlung, sondern liefert einen tendenziell eher systematischen als historischen Abriss der schweinischen Kulturgeschichte. So berichtet Macho Bekanntes und Unbekanntes über ihre Domestikation und ihre Rolle in den Religionen (Stichwort Speisetabus), über erotisierende Darstellungen, Sprichwörter, ihre Bejagung und Schlachtung. Ausgehend von der These, „Schweine sind uns nah und fern zugleich“, zeigt er die vielen Ambivalenzen der Schweinenatur auf: Sie sind intelligent, neugierig und verspielt, aber eben auch wild und gefährlich; bei ihrer Schlachtung stoßen sie menschenähnliche Schreie aus und angeblich ähnelt der Geschmack ihres Fleisches dem von Menschenfleisch.
Wie die anderen Bücher der Reihe „Naturkunden“ – etwa über Schnecken, Schmetterlinge und Pilze – besticht „Schweine“ mit seiner hübschen Aufmachung und den vielen Abbildungen. Etwas irritierend ist, dass der rote Farbschnitt teilweise in die Seiten hineinsickert. Angesichts des Themas liegt die Vermutung nahe, dass dieses Rot symbolisch an das Blut erinnern soll, das durch die Kulturgeschichte des Hausschweins fließt, vor allem angesichts der heutigen Zustände in Schweineställen und Schlachthöfen eine wichtige und notwendige Erinnerung.
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