Keltische Weisheit

Bernhard Maiers Einführung in die Keltenforschung

Von Franziska BockRSS-Newsfeed neuer Artikel von Franziska Bock

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Durch Veröffentlichungen neuer Asterix-Comics (zuletzt 2015) und Verfilmungen wie Der Herr der Ringe und Der Hobbit von J.R.R. Tolkien mit deren Bezug zu keltischer Kunst, Literatur und Sprache erleben die Kelten in regelmäßigen Abständen einen neuen Aufschwung. Nur wenige Buchhandlungen führen keine Titel mit „Kelten“ oder „keltisch“ in ihrem Sortiment. Dabei machen die Kelten vor keinem Lebensbereich Halt: ob Kochbücher, esoterische Lebensberater, Heilkunde, historische Romane oder Fantasyliteratur mit eindeutig keltischem Bezug, Tee, Kekse, Bier – jeder findet seinen Kelten.

Doch was die wenigsten wissen: die Kelten gibt es nicht. Vielmehr setzt sich der Kelten-Begriff aus verschiedenen zeitlich, geographisch und methodisch völlig unabhängigen Fachdisziplinen zusammen. Zwar bestehen gewisse Berührungspunkte, wie beispielsweise eine mögliche Verbindung zwischen den Kelten der antiken Autoren (wie Julius Caesar oder Plinius) und den Funden, mit denen sich die Vor- und Frühgeschichte befassen. Doch schon zur keltischen Literatur und den heute noch existierenden keltischen Sprachen (unter anderem Irisch, Walisisch und Bretonisch) bestehen räumlich und zeitlich enorme Differenzen, die nur schwer vereinbar sind. Wer sich für die Kelten interessiert, steht demnach vor einem gewissen Dilemma, das sich in Zeiten des allwissenden Internets leider nur verschlimmert.

Daher ist es umso erfreulicher, wenn der Versuch unternommen wird, etwas Licht ins Dunkel des Kelten-Begriffs zu bringen. Bernhard Maier möchte mit seinem Band „Die Kelten. Geschichte, Kultur und Sprache“ zwar vorwiegend Studierende und Vertreter der mit den Kelten in Verbindung stehenden Fachdisziplinen ansprechen, doch auch aufgeschlossene Laien können aufgrund der klaren Lesbarkeit viel erfahren. Obwohl die Kelten immer wieder auf Interesse der breiten Öffentlichkeit stoßen, ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung gerade im deutschsprachigen Raum auf wenige Universitäten beschränkt. Maier selbst steht dabei als Religionswissenschaftler am Rand der traditionellen Wissenschaften der Keltenforschung (Klassische Philologien, Geschichtswissenschaft, Vor- und Frühgeschichte, Literatur- und Sprachwissenschaft). Er geht von der Keltologie aus, also der Beschäftigung mit keltischen Sprachen, Literaturen und Kulturen, die neben Archäologie, Geschichte, Theologie und Religionswissenschaft sowie Europäischer Ethnologie den größten Raum in seinem Buch einnimmt.

Maier beginnt mit einem kurzen Abriss über die Geschichte und den Stand der keltologischen Forschung, macht hier jedoch, wie auch in späteren Kapiteln, den Fehler, die Keltologie als die keltische Wissenschaft darzustellen. Vielmehr ist die Keltologie erst ab dem 19. Jahrhundert ein Teil der Keltenforschung. Bei den Darstellungen der verschiedenen keltischen Fachdisziplinen gelingt es Maier, die Verbindungen zwischen diesen aufzuzeigen, aber auch kritisch zu beleuchten. Dies ist insbesondere wichtig, um mögliche Interpretationen von archäologischen Fundstücken mit Schilderungen in der keltischen Literatur, zum Beispiel in Irland, nicht einfach hinzunehmen, sondern zu hinterfragen. So trennt er die Kapitel in zeitliche Epochen, geographische Räume oder Sprachfamilien, um eine Vermischung zu vermeiden. Daher reicht der Abriss über die Geschichte der ‘keltischen’ Länder par excellence, Irland, Schottland, Wales und die Bretagne, vom ersten vorchristlichen Jahrhundert bis zu einem kurzen Ausblick auf die aktuelle Lage in diesen Ländern. Die Geschichte der Kelten auf dem Kontinent dagegen endet mit der römischen Besetzung.

Maier macht deutlich, dass die Religionswissenschaft auf andere Fachdisziplinen, wie die Funde der Vor- und Frühgeschichte oder der späteren Literatur aus Irland oder Wales angewiesen sind.

Selbstverständlich kann eine Darstellung aller Bereiche der keltischen Wissenschaften in einem Band nicht umfassend und erschöpfend sein. Maier gelingt es jedoch, die wichtigsten Themen anzusprechen und in einen größeren Kontext zustellen. Dabei geht er auch auf die für das heutige Verständnis der Kelten durchaus wichtige Adaption keltischer Stoffe, wie der arthurischen Literatur oder der Ausbreitung der Ossian-Begeisterung, sowie auf die Formen des modernen Neuheidentums ein, die neben der Vor- und Frühgeschichte zu den bekanntesten Bereichen im öffentlichen Wissen über die Kelten gehören dürften. Durch ergänzende Literaturhinweise am Ende der einzelnen Kapitel kann sich der Leser bei Bedarf weitere Informationen einholen. Wünschenswert wären ergänzende Bilder und Karten, um beispielsweise geographische Unterschiede deutlicher hervorzuheben.

Durch seine vorherigen Publikationen hat sich Maier in der Keltenforschung und insbesondere in der Keltologie bereits einen Namen gemacht, sich jedoch nie auf nur eine Fachdisziplin beschränkt. Es gelingt ihm daher sehr gut, einen Überblick über die verschiedenen Fachdisziplinen zu geben, die sich mit den Kelten in ihren unterschiedlichen Facetten beschäftigen. Gerade als Einführungswerk für Studierende oder Lehrende benachbarter Fächer ist sein Buch daher sehr empfehlenswert.

Ein Beitrag aus der Mittelalter-Redaktion der Universität Marburg

Titelbild

Bernhard Maier: Die Kelten. Geschichte, Kultur und Sprache.
UTB für Wissenschaft, Stuttgart 2015.
175 Seiten, 18,99 EUR.
ISBN-13: 9783825243548

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