Robert Louis Stevensons „Der befremdliche Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde“, herausgegeben und übersetzt von Friedhelm Rathjen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Der befremdliche Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ erschien 1886 bei Longmans in London und war mit 40.000 verkauften Exemplaren innerhalb von sechs Monaten Robert Louis Stevensons Bestseller zu Lebzeiten. Textgrundlage der vorliegenden Neuübersetzung ist Band 5 (1911) der sogenannten Swanston Edition (London: Chatto and Windus) der Werke Stevensons. Die Übersetzung ist vollständig und möglichst wortgetreu; auch die Eigenheiten der Interpunktion wurden gewahrt. Seit dem Konkurs des Haffmans-Verlags war diese Übersetzung nicht mehr lieferbar; Zeit, endlich auch die Fassung von Friedhelm Rathjen wieder zugänglich zu machen, neu durchgesehen und in einer Liebhaberausgabe, limitiert auf 99 nummerierte und vom Übersetzer signierte Exemplare.

Als Keim der Erzählung gilt die wahre Geschichte des Edinburgher Tischlers Deacon Brodie, der nachts ein geheimes Doppelleben führte und schließlich am Galgen endete. Schon als Teenager schrieb Stevenson über diesen Fall ein Schauspiel, das er später mit seinem Freund W. E. Henley überarbeitete und unter dem Titel „Deacon Brodie, or The Double Life“ 1882 auf die Bühne brachte. Unmittelbarer Auslöser der Niederschrift von „Der befremdliche Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ war aber ein nächtlicher Traum, den Stevenson Ende September oder Anfang Oktober 1885 hatte, woraufhin er innerhalb weniger Tage eine erste Fassung der Erzählung schrieb. Stevenson, der von 1884 bis 1887 zur Gesundung im südenglischen Seebad Bournemouth lebte, hatte kurz vor besagtem Traum einen Blutsturz erlitten und war ans Bett gefesselt, wo er fast wie im Fieberwahn (wohl nicht, wie die These eines späteren Forschers behauptet, unter dem Einfluss von Kokainmissbrauch) seinen Text niederschrieb. An der ersten Fassung bemängelte Stevensons Frau, er habe das, was eigentlich eine Allegorie sei, einfach wie eine Geschichte heruntererzählt; angeblich verbrannte Stevenson daraufhin die erste Fassung und schrieb innerhalb von höchstens einer Woche eine stärker allegorisierte zweite Fassung, die dann über mehrere Wochen hinweg überarbeitet wurde.

Die Erzählung präsentiert nicht nur zwei Titelgestalten in einer Figur, sondern auch mehrere Stilebenen innerhalb eines Buches: Der Erzählerbericht ist im Tonfall deutlich unterschieden von den eingestreuten Dokumenten, insbesondere dem Bericht Dr. Lanyons und der „vollständigen Darlegung“ Henry Jekylls. Diese für Stevensons stilistische Virtuosität charakteristische Differenz war in der Übersetzung getreulich zu wahren.

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Titelbild

Robert Louis Stevenson: Der befremdliche Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde.
Übersetzt aus dem Englischen von Friedhelm Rathjen.
Edition ReJOYCE, Südwesthörn 2016.
108 Seiten, 25,00 EUR.
ISBN-13: 9783000508219

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