Zumindest ein Versuch

Karin Slaughter über die 1970er-Jahre, in denen so etwas wie eine Zivilgesellschaft entstanden ist

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Man könnte so beginnen: „Cop Town. Stadt der Angst“ ist genau das, was sein Verlag, sein Umschlag und sein Titel (vor allem der deutsche) versprechen.

Aber auch so: Karin Slaughter kann nur mäßig schreiben und die Übersetzung macht es auch nicht besser. Der Plot ist überladen und die Handlung bisweilen abstrus. Die Lösung ist derart klischeehaft, dass man sie nicht glauben mag. Der Cop als Copkiller? Das Ganze wirkt, als hätte jemand seinen, sorry, ihren Theweleit leidlich ausgeschlachtet und dann auch noch sämtliche halbgaren Theorien über Modernisierungsverweigerer und Serienkiller hineingemixt, um ein möglichst explosives Gemisch hinzubekommen. Die Ordnung wiederherstellen. War da nicht schon mal was?

Insgesamt ist Slaughters Roman ein Sammellager von Rassismus, Chauvinismus, Antisemitismus, Homophobie und diversen anderen Abneigungen. Der Holocaust wird ebenso verwurstet wie der alltägliche Antisemitismus in den USA.

In so einer Gemengelage auch noch einen schwulen Polizisten erschießen zu lassen, während er von seinem Partner und Geliebten einen geblasen bekommt, ist schon ganz schön fies. Vor allem, wenn von der gegenseitigen Neigung keiner was erfahren soll, zumal deshalb nicht, weil Onkel Terry ein bekennender und praktizierender Schwulenhasser ist. Eine Schande für die Truppe – keine Frage, wer von beiden das ist.

Wirft man also in das chauvinistische Chaos der Hochmoderne auch noch eine unbedarfte junge Frau aus gutem Hause, die sich bei nächstbester Gelegenheit von einem dahergelaufenen Arzt befummeln lässt, und das auch noch in ihrem höchst seriösen Elternhaus, und bei ihrer ersten Verfolgung sogar gegen eine Mauer rennt (wie das geht, keine Ahnung), dann muss daraus ja so etwas wie eine ‚Phoenix aus der Asche-Geschichte‘ werden.

Sicher, Karin Slaughter (ist der Name eigentlich echt?) legt alle ihre Sympathien in jene Kate Murphy, die im Jahr 1974 im Atlanta Police Department nach einer arg kurzen Ausbildung ihren Dienst beginnt. Begafft, begrapscht, verhöhnt, entmündigt und gedemütigt. Frauen in Männerberufen, in denen es Mutproben wie das Verschlingen von Ratten geben soll oder anderen Unsinn. Korpsgeist, den eben Frauen (wer noch heutzutage?) ja eben nicht haben. Slaughter lässt sie eben nicht nur den Fall des Copkillers lösen, sondern auch noch ihre wahre Bestimmung erkennen und insgesamt fünf Persönlichkeiten entwickeln. Das muss man Tag für Tag dann auch organisiert bekommen.

Der Roman ist verschwatzt und langatmig. In einer Szene besuchen Kate und ihre beiden Kolleginnen Maggie (zweite Hauptrolle) und Gail (erste Assistenzfigur) einen Informanten, der natürlich in einem der verrufensten Viertel Atlantas wohnt. So weit, so gut. Aber sie brauchen eine gefühlte halbe Stunde, um von ihrem Auto bis zu Haustür zu kommen. In Wirklichkeit sind es nur fünf Seiten. Aber fünf Seiten für die paar Meter? In den meisten Romanen wäre das nicht einmal eine Erwähnung wert. Allerdings sind die dann auch nicht so dick. Und Karin Slaughters „Cop Town“ ist immerhin 540 Seiten lang, plus drei Seiten Danksagung. Die zahlreichen niederländischen Einsprengsel hat sie im Übrigen von ihrer Übersetzerin ins Niederländische. Gut zu wissen. Und auch sonst wird vielen Leuten gedankt (wieso muss man so etwas lesen?).

Offensichtlich ist Slaughters Roman als Schmöker angelegt, in dem so ziemlich alles zu finden ist, was in einen Krimi von heute gehört. Er ist zugleich politisch höchst korrekt, erlaubt sich aber dennoch ein paar taktische Unkorrektheiten – quasi inszenatorische Kiekser –, mit denen sich wunderbar kokettieren lässt.

Die große Zahl der Themen und Ausstattungen erlaubt jedem, das zu finden, was er gerne finden mag. So ist „Cop Town“ in jedem Fall ein Polizeikrimi über eine Stadt, in der die Polizisten alten Schlags (noch) das Sagen haben und genau das im Laufe der Zeit verlieren. Amerikanische Krimis arbeiten sich in den letzten Jahren gern daran ab.

Aber selbstverständlich ist „Cop Town“ ein Roman über die Selbstbehauptung einer jungen Frau in einem durch und durch sexistischen Umfeld. Es ist auch ein Roman über die Emanzipation von Homosexuellen durch die Ablehnung ihres gesamten Umfelds hindurch („ich liebe meinen Bruder, weil er mein Bruder ist und trotz der ekelhaften Dinge, die er da tut“, was kein Zitat ist, sondern eine Raffung). Ach, wir sind alle nur Kinder unserer Zeit.

„Cop Town“ ist eben auch ein Roman darüber, dass der Augenschein trügen kann: Kate ist blond und Jüdin, darf das sein? (Als ob Hitler recht gehabt hätte). Jimmy ist Cop und schwul? Das darf sicher nicht sein. Chip ist Polizist und böse. Das gibt’s aber häufiger. Bedenkenswert.

„Cop Town“ ist nicht zuletzt ein Roman über die Entwicklung der modernen Zivilgesellschaft aus einer durch und durch gewalttätigen und korrupten Machtgesellschaft heraus, und zwar nicht als revolutionärer Akt, sondern als allmählicher, quasi ungewollter und ungezielter Prozess. Also sympathisch. Und ein paar weitere Romane lassen sich sicherlich finden, wenn man danach sucht.

Karin Slaughter scheint mithin in „Cop Town“ so ziemlich alles mit in die Waagschale geworfen zu haben, was sich in der Vergangenheit als erfolgreich erwiesen hat. Mehr ist hier nicht nur mehr, sondern eben auch sicher. Vielleicht eben als „Buchgeschenk des Jahres“, wie auf einem Aufkleber auf dem Umschlag zu lesen ist. Das auf jeden Fall, aber in welchem Jahr war das noch mal?

Titelbild

Karin Slaughter: Cop Town – Stadt der Angst. Thriller.
Übersetzt aus dem Englischen von Klaus Berr.
Blanvalet Verlag, München 2015.
544 Seiten, 14,00 EUR.
ISBN-13: 9783764505516

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