Mit Pauken und Trompeten

Thees Uhlmanns Romandebüt „Sophia, der Tod und ich“

Von Giuliano FelisRSS-Newsfeed neuer Artikel von Giuliano Felis

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Thees Uhlmann, Sänger und Gründungsmitglied der Hamburger Indie-Rockband Tomte, hat Neuland betreten: Im September 2015 erschien im altehrwürdigen Kölner Verlagshaus Kiepenheuer & Witsch sein Erstlingsroman Sophia, der Tod und ich. Die Handlung lässt sich recht kurz zusammenfassen: Als es zu Beginn des Romans an der Tür des Erzählers klingelt, erfährt dieser von niemand geringerem als dem Tod persönlich, dass er von nun an nur noch drei Minuten zu leben habe. Daraufhin taucht die Ex-Freundin des Protagonisten, Sophia, auf, um ihn an den Geburtstag seiner Mutter zu erinnern. Dem Tod gelingt es dadurch nicht, den Erzähler ins Jenseits zu befördern, sodass die drei beschließen, stattdessen einen Roadtrip zu unternehmen, auf dem sie die Mutter des Protagonisten sowie seinen siebenjährigen Sohn Johnny besuchen.

In einem Deutschlandfunk-Interview im Rahmen der Frankfurter Buchmesse beschreibt der Musiker Uhlmann seinen Schritt vom Songtext zum Roman: „Ich kann noch nicht so reflektiert reden über das, was ich gemacht habe, weil das neu ist. Ich hab mir im Roman die Freiheit erlaubt, zwei Frauen zu erfinden, das hat mir so viel Spaß gemacht. In einem Dreiminuten-Rock‘n‘Roll-Song erfindet man nicht einfach mal ‚ne Frau.“ So charmant wie Uhlmanns unbedarfte Gedanken auf den ersten Blick auch erscheinen mögen, so lassen sie bereits befürchten, was sich beim Lesen von Sophia, der Tod und ich tatsächlichschnell herausstellt: Uhlmanns Erstlingswerk entpuppt sich als eine langatmige, da handwerklich schwache Erzählung, die dem Potenzial ihrer Grundidee nicht gerecht wird. Doch warum gelingt es dem Songwriter Uhlmann nicht, aus der interessanten Idee ein unkonventionelles, witziges Todes-Szenario zu konstruieren, ein ansprechendes literarisches Werk zu schaffen? Im Folgenden einige Erklärungsversuche.

Wie auch in der Musik nimmt der Rhythmus in Erzählungen eine wichtige Rolle ein: Durch den Wechsel von Erzählgeschwindigkeiten entstehen beim Leseprozess Pausen, Anregungen und Konturen, die in gekonnten Romanen einen abwechslungsreichen Lesefluss entstehen lassen und die Lektüre des Werks zum Vergnügen machen. Auch wenn Uhlmann von Berufswegen mit Sicherheit einen gewissen Sinn für Rhythmen haben mag, so gelingt es ihm in Sophia der Tod und ich nicht, diesen in den Erzähltext einzubringen. Die große Dialoglastigkeit des Romans lässt bereits erkennen, dass große Teile der Geschichte zeitdeckend erzählt werden, weswegen die Narration zu keiner Zeit so richtig Fahrt aufnimmt. Vielmehr ergehen sich die Figuren immer wieder in ausschweifenden Diskussionen über Themen wie Fußball, Bier und Tresensprüche, was bis auf ein paar wenige Pointen nicht allzu viel hergibt: „‚Drei Bier, bitte. Was ihr trinkt, weiß ich nicht!‘ Ich: ‚Das ist der älteste und beste aller schlechten Tresenbestellsprüche. Danke, dass ich den endlich mal wieder hören durfte.‘ Er sagte: ‚Gut, ne? Gut, ne? Gut, ne?‘ Ich sagte: ‚Ja, fast so gut wie »Hier arbeiten 450 Pferde und ein Esel«‘ Oder – und ich guckte ihm dabei tief in die Augen – ‚»Der letzte Wagen ist immer ein Kombi!«‘ Er: ‚Sehr gut, sehr gut, den kenn ich.‘“ In Uhlmanns Roman lassen sich zahllose solcher Dialoge finden, die kurzzeitig amüsieren und auf Bühnen oder in Filmen womöglich funktionieren könnten, auf gut 300 Seiten jedoch wegen ihres flachen Witzes und einigen Timingproblemen schnell ihren Reiz verlieren.

Thees Uhlmann wird es wohl am besten kennen: Die Band beginnt, das Publikum jubelt und dem einen oder anderen Zuschauer gelingt es einfach nicht, im Takt mitzuklatschen. So fatal sich dies auf den Verlauf eines Konzerts auswirken kann, so ungünstig ist fehlendes Taktgefühl auch im Umgang mit schwierigen Themen. Uhlmann hat einen originellen Ansatz gewählt und sich dem Thema Tod auf eine unverkrampft-witzige Art und Weise angenähert. Uhlmanns Idee, die Figur des Todes naiv und sympathisch darzustellen, ist innovativ und bietet viel Potenzial für ein interessantes Wechselspiel zwischen tragischen und komischen Elementen innerhalb der Erzählung. Doch leider fehlt es Sophia, der Tod und ich an der notwendigen Tiefe, die dieses schwierige Thema verdient. Grund dafür ist das schlecht ausgewogene Verhältnis zwischen amüsanten Stellen und bewegenden Momenten, da sich die Protagonisten immer wieder in Albernheiten verlieren. Einige Pointen weniger – und der schwarze Humor des Erzählers käme stärker zur Geltung. Beispielhaft dafür ist die alberne und eindimensionale Darstellung von Sophias Vater, den der Erzähler in einem Altenheim pflegt. Gerade da diese Vaterfigur strukturell für die Erzählung – insbesondere hinsichtlich des Romanthemas sowie der Beziehung des Erzählers zu seiner Ex-Freundin – mehr hergeben könnte, ist es schade, dass sie weitestgehend auf ihren Dialekt und ihr kauziges Auftreten reduziert wird.

Vom Feuilleton gelobt und vom Verlag aufwändig vermarktet, wurde Sophia, der Tod und ich schnell als eine der großen deutschen Romanhoffnungen des Jahres 2015 gefeiert und von Denis Scheck empfohlen. Mit dem Schlussakkord dieser Rezension bleibt jedoch festzustellen: Sophia, der Tod und ich groovt nicht, sondern schleppt, scheppert und hat Überlänge. Das Zeug zum Hit des Jahres hat Uhlmanns Roman also leider nicht.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Thees Uhlmann: Sophia, der Tod und ich. Roman.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2015.
318 Seiten, 17,00 EUR.
ISBN-13: 9783462047936

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