Von Blut getränkte Böden

In „Pfingstrosenrot“ erzählen Christian Schünemann und Jelena Volic ein neues Abenteuer ihrer serbischen Heldin Milena Lukin

Von Dietmar JacobsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dietmar Jacobsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In „Kornblumenblau“ (2013) betrat vor knapp drei Jahren eine neue Heldin die Bühne der deutschsprachigen Kriminalliteratur. Die von Christian Schünemann, den Krimileser bereits aus der ebenfalls im Züricher Diogenes Verlag erschienenen Reihe um den „Frisör“ Tomas Prinz kennen, und der serbischen Germanistin und Kulturhistorikerin Jelena Volić erfundene Milena Lukin war eine taffe Frau, die im Belgrad unserer Tage mit den Folgen jener Kriege konfrontiert wurde, die den Balkan in den 1990er-Jahren zerrissen. Nun haben sich Schünemann und Volić erneut zusammengetan und mit „Pfingstrosenrot“ ein neues Abenteuer rund um ihre sympathische Hauptfigur vorgelegt.

Das führt Milena und ihren Partner, den unerschrockenen Anwalt Siniša Stojković, diesmal in den Kosovo. Dort wurde von Unbekannten ein in seine alte Heimat zurückgekehrtes serbisches Ehepaar ermordet. Waren die Täter nationalistische Kosovo-Albaner? Oder kommt das EU-geförderte Rückführprogramm der aus ihrer angestammten Umgebung während und nach dem Krieg 1999 vertriebenen Serben zu früh? Hat man den Hass unterschätzt, der immer noch zwischen den Nationalitäten herrscht und nun zu einem grausamen Verbrechen führte, das tagelang die nationalistische serbische Presse beherrscht?

Auf Bitten ihres Onkels hin, der in der ermordeten Frau seine Jugendliebe wiedererkannt hat, versucht Milena, Licht in das Dunkel des aufwühlenden Falls zu bringen. Sie kontaktiert Sohn und Tochter der beiden Ermordeten, nutzt ihre guten Beziehungen zum deutschen Botschafter in Belgrad und fährt schließlich, alle ernst gemeinten Warnungen in den Wind schlagend, selbst in jenes Örtchen namens Talinovac, in dem Miloš und Ljubinka Valetić eine neue Heimat finden sollten.

Dort, im nördlichen Kosovo, schlagen ihr als Serbin nicht nur Hass und Feindseligkeit entgegen, sondern sie begreift auch sehr schnell, dass etwas an dem Rückführungsprogramm nicht stimmen kann. Das dem Ehepaar zugesagte neue Haus befindet sich in desolatem Zustand. Ohne Wasser und Strom mussten die beiden Alten auskommen, weite Wege auf sich nehmen, um das Nötigste zu besorgen. Bei den mit Albanern besetzten Behörden fanden sie kein Gehör und die Ratschläge der wenigen serbischen Nachbarn gingen dahin, sich ruhig zu verhalten, nicht aufzufallen, nicht den Unwillen der Einheimischen zu erregen. Und doch wollten es ihr Stolz und die Erinnerung an jene Jahre, als sie in Priština als geachtete Bürger unter Angehörigen verschiedenster Nationalitäten lebten, den Valetićs nicht erlauben, einfach hinzunehmen, was ihnen geschah.  

Obwohl die Zustände vor Ort sich auch für sie schnell als äußerst bedrohlich erweisen, ist Milena dennoch bald davon überzeugt, dass sowohl die Ursachen für das Verbrechen als auch die kaltblütigen Täter, die das Ehepaar mit zwei Kopfschüssen töteten, nicht dort zu finden sind, wo der Mord geschah. Als sie sich deshalb nach ihrer Rückkehr in Belgrad für jene zu interessieren beginnt, die das EU-finanzierte Programm der Rückführung von einst aus dem Kosovo vertriebenen Serben in die Tat umsetzen, gerät sie schnell an die skrupellosen Drahtzieher und Organisatoren eines Komplotts, die sich auf Kosten von Menschen, denen sie umfassende Hilfe versprechen, maßlos bereichern. Dass bald darauf auch Milenas eigenes Leben und das derjenigen, die ihr bei ihren Nachforschungen behilflich sind, in Gefahr gerät, ist nur zu verständlich, ist man doch dabei, korrupte Beamte und ihre Helfershelfer in höchsten Regierungsstellen aufzustören.

„Pfingstrosenrot“ ist – wie sein Vorgänger von 2013 – ein gut geschriebener Roman über die Folgen jener Kriege, die in den 1990er-Jahren den einstigen Vielvölkerstaat Jugoslawien zu einem Pulverfass machten. Mit Milena Lukin haben Christian Schünemann und Jelena Volić dabei eine bodenständige Heldin erfunden, die wahrheitsliebend und unerschrocken immer wieder an Fälle gerät, die zeigen, dass um das friedliche Zusammenleben aller auf dem Balkan lebenden Menschen auch heute noch hart  gerungen werden muss.

Titelbild

Christian Schünemann / Jelena Volic: Pfingstrosenrot. Ein Fall für Milena Lukin.
Diogenes Verlag, Zürich 2016.
368 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783257069570

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