Zwischen Bomben und Babies

Etgar Keret erzählt in „Die sieben guten Jahre: Mein Leben als Vater und Sohn“ vom alltäglichen Leben in Israel

Von Sascha SeilerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sascha Seiler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Etgar Keret ist einer der bekanntesten jüngeren Autoren Israels, und ist auch sonst in der israelischen Medienwelt äußerst präsent: Er arbeitet für das Fernsehen, dreht Kurzfilme oder publiziert Comics. Vor allem aber ist er der Verfasser zahlreicher Kurzgeschichten und Romane, die den oft surrealen Alltag seiner Heimat zwar stets humoristisch, aber trotzdem mit der notwendigen Ernsthaftigkeit behaftet sezieren. Dabei ist Keret eher ein Satiriker in der Tradition Woody Allens, der im Alltäglichen das Besondere findet und dies in klarer, sehr direkter Sprache vermittelt.

Nun hat Keret, der, wie er in Die sieben guten Jahre selbst berichtet, zuvor stets Distanz zu seinen Figuren und Geschichten gehalten, Autobiographisches nur am Rande einfließen lassen, kurz: Er hat Fiktion verfasst, die zwar stark in seiner persönlichen Realität verhaftet war, aber dennoch eben Fiktion blieb. Dies ist mit dem vorliegenden Band anders. Die zahlreichen kurzen Skizzen – als Erzählungen mag man sie kaum bezeichnen wollen – behandeln die ersten sieben Lebensjahre von Kerets erstem Sohn Lev, bis zum Tod seines Vaters; daher der Untertitel „Mein Leben als Vater und Sohn“. Eine spannende Ausgangssituation, zumal Keret selbst schreibt, er habe sich erstmals entschieden, ein Buch nur auf Englisch zu publizieren, wohl, versteht man seine Worte richtig, weil es ihm zu persönlich erscheint. Diesen Umstand nutzte wiederum Tausendsassa Daniel Kehlmann, um das Werk nicht nur zu übersetzen, sondern gleich auch als Vermittler der Keret’schen Prosa, die er für wunderbar und unvergleichlich hält, in Deutschland aufzutreten. Der Umstand, dass Kehlmann hier als Pate fungiert, hat natürlich einen gigantischen Effekt auf die Aufmerksamkeit, die das Buch hierzulande erfahren wird. Das ist einerseits eine gute Sache, andererseits muss man sich schon die Frage stellen, ob es dieses Versprechen überhaupt einlösen kann.

Um es kurz zu machen: Die Antwort lautet Nein. Tatsächlich sind Kerets Skizzen amüsant und es gelingt dem Autor, bei all jenen humoristischen Effekten, die sich aus dem Alltag nicht nur eines Vaters, aber auch eines Babys bzw. kleinen Kindes gewonnen werden können, auch die notwendige Ernsthaftigkeit nicht vermissen zu lassen. Und klar bleibt einem Westeuropäer manchmal das Lachen im Halse stecken, etwa wenn Keret, der aufgrund seines Jobs als freischaffender Künstler der einzige Mann auf dem Kinderspielplatz ist, mit den anwesenden Müttern in ein Streitgespräch darüber gerät, ob man sein einjähriges Kind bereits als zukünftigen Soldaten einplanen sollte oder nicht – eine Diskussion, die sich zuhause mit seiner Frau fortgesetzt wird. Auch wenn ein Familienausflug plötzlich von einem Raketenalarm unterbrochen wird, bei dem sich die Eltern schützend auf das Kind legen, und das Kind das so toll findet, dass es sich ständig Raketenalarm wünscht, merkt der Leser, wie surreal, hart, aber gleichzeitig zwangsläufig auch von Galgenhumor geprägt der israelische Familienalltag sein muss. Andere Geschichten erscheinen jedoch eher banal, wenn auch stets unterhaltsam erzählt. Dargeboten werden sie in einer klaren Sprache, die zum Erschrecken des Lesers manchmal gar an Ephraim Kishon erinnert, was natürlich auch an Kehlmanns Übersetzung liegen kann. 

Die sieben guten Jahre ist ein unterhaltsames Buch, das oftmals trivial, manchmal sogar etwas repetitiv wirkt, so dass nicht ganz klar wird, warum diese Geschichten den Autor selbst so berührt haben, dass er sie nicht auf Hebräisch veröffentlichen wollte. Zumal man nicht selten das Gefühl einer bewusst gewählten ironischen Distanzierung von Seiten Kerets bekommt, die das Thema – vielleicht zum Selbstschutz – bewusst banalisieren soll. So ist diese Sammlung an Alltagsskizzen eine sicher interessante, bereichernde, aber am Ende doch etwas oberflächliche Lektüre.

Ein Beitrag aus der Komparatistik-Redaktion der Universität Mainz

Titelbild

Etgar Keret: Die sieben guten Jahre. Mein Leben als Vater und Sohn.
Übersetzt aus dem Englischen von Daniel Kehlmann.
S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2016.
222 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783100495204

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