Die Intellektuellen, die Medien und der Krieg

Der Typus des Intellektuellen, der sich nach dem Vorbild Emile Zolas in der Dreyfus-Affäre in öffentliche Angelegenheiten einmischte und für Recht und Gerechtigkeit einsetzte, war vielfach schon totgesagt worden. Allein der Begriff "Intellektuelle" schien seit 1989 wieder einmal zum Schimpfwort zu werden, wobei die Intellektuellenschelte mit der Etablierung einer neuen Ausprägung dieses Typs einherging, der des Rechtsintellektuellen. In den jüngsten Debatten um den Nato-Einsatz gegen Serbien haben die ohnehin brüchigen Rechts-links-Schemata an Erkenntniswert weiter verloren. Und als Ergänzung zur angestammten Justiz- und Unrechtskritik hat die Medienkritik als fester Bestandteil intellektueller Diskurse an Bedeutung weiter zugenommen.

Mit dem Kosovo-Krieg scheinen öffentliche Stellungnahmen von Intellektuellen so gefragt wie schon lange nicht mehr. Und so groß wie die Nachfrage ist offensichtlich auch die Bereitschaft der Intellektuellen, ihr zu entsprechen. Einen Eindruck von der Stimmenvielfalt vermittelt der Beitrag von Eva Leipprand. Die anderen Beiträge sind leicht überarbeitete Fassungen von Stellungnahmen, die bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion am 4. Mai von Professsoren des Instituts für Neuere deutsche Literatur und Medien der Universität Marburg vorgetragen wurden. Der Titel der Veranstaltung, die der Herausgeber von literaturkritik.de initiierte und moderierte, lautete: "Die Intellektuellen, die Medien und der Krieg". Die abgedruckten Stellungnahmen wurden zum Teil sehr kontrovers diskutiert. Bei allen Differenzen gab es jedoch in zwei Punkten Übereinstimmungen: in der Verurteilung der massenmörderischen Politik von Milosevic, aber auch in der Einsicht, daß die Bombenangriffe der Nato das falsche Mittel waren, dieser Politik entgegenzutreten und den Kosovo-Albanern zu helfen.

Thomas Anz