Vorbemerkung zum Schwerpunkt der Juli-Ausgabe
Für alle, die irgendwie mit deutschen Universitäten verbunden sind, ist der Juli ein besonderer Monat: Das Semester geht zu Ende, das Vorgefühl von großen Ferien beflügelt – entgegen aller Erfahrung – die letzten lern-, arbeits-, sitzungs- und prüfungsintensiven Wochen.
Mit der Universität sind inzwischen in Deutschland ziemlich viele Menschen verbunden: immer mehr Studierende, die immer jünger sind und häufig zu Hause wohnen, so dass auch die Eltern und das Familienleben am Universitätsrhythmus partizipieren; Ausbilder, Lehrer und Mitarbeiter von Unternehmen, die durch zunehmenden Praxisbezug und duale Studiengänge mit Studierenden in Kontakt kommen, auch Gastronomie und Einzelhandel, die durch die zahlreichen jobbenden, feiernden und konsumierenden Studierenden mit der Taktung des Uni-Lebens in Kontakt stehen. Kurz: Die Universität ist keine Nische mehr. Das mag man bedauern oder begrüßen.
Unser Schwerpunkt „Universität und Literatur“ zielt deshalb – zeitgemäß – nicht nur auf den akademischen inner circle derer, die hier forschen und lernen. Wir beleuchten in dieser Juli-Ausgabe, ausgehend von der gegenwärtigen Umbruch-Situation, die Geschichte der Universitäten in Europa, das Verhältnis von Universität und Dichtung in der Frühen Neuzeit, die Tradition der Uni-Reformen und Reform-Universitäten und das Verhältnis von Autobiographie und Universitätserfahrung beziehungsweise -fiktion.
Kritisch besprochen werden Ratgeber für Studierende, aktuelle und kontroverse Beiträge zur Hochschulpolitik und zum Bildungsverständnis ebenso wie neuere deutschsprachige Universitäts-/Campusromane.
Ein Beispiel dieses im deutschen Sprachraum noch jungen Genres haben wir einer mehrperspektivischen Lektüre, gewissermaßen dem Lackmus-Test der Bolognisierung unterzogen: VertreterInnen verschiedener Statusgruppen, zudem Bologna-natives, Bologna-immigrants und in-betweens, lesen Annette Pehnts Hier kommt Michelle als Campusroman respektive Campusroman-Parodie. Zur Sprache kommen die Sicht einer Studierenden, des sogenannten wissenschaftlichen Mittelbaus, einer Professorin und eines Emeritus und Sie sind eingeladen, aus dem Kaleidoskop der Lesarten auf den Zusammenhang von Rezeptionsästhetik und Gattungsgeschichte zu schließen und ihm Ihre eigene Lektüre hinzuzufügen: Gibt es einen Campusroman nach Bologna?
Allen Mitwirkenden und ganz besonders Markus Steinmayr, der Idee und Entstehung dieses Schwerpunkts hilfreich begleitet hat, sei herzlich gedankt.
Alexandra Pontzen
für die Redaktion Gegenwartskulturen
Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen