Ostfriesisches Ermittler-Duo erobert nordische Kleinstadt

Der erste gemeinsame Fall von Hauptkommissarin Pia Seemann und Mischlingshündin Fräulein Mencke

Von Anja SchneiderRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anja Schneider

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Vier Pfoten und ein Todesfall. Fräulein Mencke und das chinesische Horoskop“; so lautet der auf den ersten Blick etwas flach anmutende Titel des regionalen Kriminalromans von Birgit Rutenberg, welcher im ostfriesischen Rheiderland, genauer gesagt, im idyllischen Städtchen Weener spielt. Die Autorin selbst stammt – nicht allzu überraschend ­– ebenfalls aus dem Rheiderland und wuchs in Weener auf. So erklärt sich auch ihre umfassende Ortskenntnis der Stadt sowie der Umgebung, welche immer wieder sehr authentisch und bis ins Detail beschrieben wird. Tatsächlich liest sich der Titel erst einmal nicht sehr aufregend und lässt daher auch keinen ungemein gruseligen Psycho-Thriller erwarten; was natürlich auch gar nicht gewollt ist. Doch für diejenigen, die keine nervenzerfetzende Spannung benötigen, sondern vielmehr an einer realistischen Aufklärung eines (nebenbei recht unspektakulären) Mordes interessiert sind und dabei Einblicke in die alltäglichen Arbeiten eines Ermittler-Duos (plus Hund) erhalten wollen, könnte dieser Kriminalroman genau die richtige Mischung sein.

Schon auf den ersten paar Seiten wird der Leser in den Todesfall einer älteren, in der Familie und Gemeinde nicht sehr beliebten Dame involviert. Tatsächlich erinnert die gesamte Aufmachung ein wenig an den allseits bekannten „Tatort“. Ausgangs-, Dreh- und Angelpunkt ist der Garten beziehungsweise das Haus des Ehepaares Wagner, in dem die alte Frau Wagner scheinbar ermordet aufgefunden wird. Um diesen Fall aufzuklären, wird Hauptkommissarin Pia Seemann von der Insel Borkum auf das Festland nach Weener abgerufen. Ihr wird der bodenständige Kollege Erwin Kraut als Partner zur Seite gestellt. Immer mit dabei ist die kleine Mischlingshündin Fräulein Mencke, die jedoch keinesfalls mit einem ausgebildeten Polizeihund zu vergleichen ist und nur durch besondere Umstände ihr Frauchen auf die Arbeit begleiten darf. Es handelt sich nicht um einen besonders heldenhaften oder überdurchschnittlich intelligenten Hund, der maßgeblich zur Lösung der Fälle beiträgt. Fräulein Mencke ist ein ganz normaler Hund und die Geschichte würde ohne sie vermutlich genauso enden wie mit ihr, weshalb der Titel dem Inhalt nicht ganz gerecht wird. Dennoch trägt die kleine Hundedame zum Charme der Geschichte bei.

Man sollte jedoch durchaus zu einer gewissen Sparte Leser gehören, um an diesem Buch Spaß zu haben. Vorzugsweise richtet sich der Roman natürlich an Hundebesitzer oder Hundeliebhaber, wie dem Titel zu entnehmen ist. Zudem ist die Geschichte aus Sicht einer weiblichen und alleinstehenden (vegetarischen) Protagonistin geschrieben, was die potentielle Leserschaft sicherlich nochmals einschränkt.

Es wird also aus der Sicht von Pia Seemann, aber auch aus der Perspektive von Fräulein Mencke erzählt, welche am Ende jeden Kapitels einen eigenen Abschnitt hat, in dem sie ihre eigene Meinung kundtun kann. Dies sind zwar drollige, für den Fall selbst jedoch irrelevante Einschübe. Dennoch kann man als Hundebesitzer nicht anders, als bei vielen Gedanken des kleinen Hundes zu schmunzeln, wenn Fräulein Mencke wieder einmal das menschliche Verhalten nicht nachvollziehen kann und versucht, es aus ihrer Hundesicht zu erklären: „Irren ist menschlich. Ich würde sogar sagen: Menschen sind irre“, oder sich einfach darüber freut, dass Sonntag ist: „Es mag daran liegen, dass heute Leberwursttag ist, doch mein Frauchen verhält sich auffallend vernünftig“. Auch die Sichtweise der einzelnen Figuren, die Interaktionen und zwischenmenschlichen Beziehungen werden sehr glaubhaft vermittelt. Der Leser hat das Gefühl, es handelt sich um tatsächliche Menschen, die dem eigenen Bekanntenkreis entsprungen sein könnten und nicht, wie in manch anderem Detektiv- oder Kriminalroman, um beinahe übermenschliche Helden, die unecht plakativ wirken, während sie blitzschnell einen Fall nach dem nächsten lösen.

Man wird von der ersten Seite an in den Alltag einer zerrütteten Familie geführt, aus welcher nach und nach immer mehr dunkle Geheimnisse ans Licht befördert werden. Der Leser kann miträtseln und Vermutungen anstellen, wer von den zahlreichen Verdächtigen am ehesten als Mörder in Frage kommt, und vor allem, wie diese in der überschaubaren Gemeinde miteinander verbunden sein könnten. Die recht unkomplizierte Aufklärung am Ende des Romans hingegen gerät doch ein wenig enttäuschend und wird zu schnell abgewickelt.

Ebenso wenig, wie Fräulein Mencke zu den Ermittlungen beitragen kann, erfüllen die in der Überschrift angekündigten chinesischen Tierkreiszeichen ihren Zweck zur Lösung des Falles. Tatsächlich spielen sie in dem Mordfall selbst keine tragende Rolle. Sie werden zwar im Laufe der Geschichte immer wieder thematisiert und geben Anlass zu Spekulationen (sowohl für die Ermittler als auch für den Leser), was die verschiedenen Personenkonstellationen und Charaktereigenschaften in Bezug auf die unterschiedlichen Tierkreiszeichen angeht. Sie können jedoch – und das scheint der Autorin glücklicherweise auch klar zu sein – nicht als realistisches Mittel zur Findung der Lösung betrachtet werden. Dennoch bezieht Kommissarin Pia Seemann sie mit ein, was auch dem Leser einige mehr oder weniger wissenswerte Informationen über die chinesischen Tierkreiszeichen liefert. Auch ostfriesische Gepflogenheiten, wie das ständige Ritual des Teetrinkens, finden sich auf authentische Weise vermittelt in dem Roman wieder. Ebenso werden zahlreiche Informationen über das Umland von Weener und die Stadt selbst geliefert, so dass der Leser sich mitten hinein in das idyllische Rheiderland versetzt fühlt.

Die zahlreichen authentischen Details über Ostfriesland werden in einem lockeren und sympathischen Stil dargeboten. Ein typischer Regionalkrimi, in dem besonders Hundebesitzer sich und ihren Vierbeiner an der einen oder anderen Stelle wiedererkennen werden. Wer sich zwar für Kriminalliteratur interessiert, dabei aber auf Spannung und Szenarien im Stil von Stephen King oder Karin Slaughter zu verzichten bereit ist, kann getrost auf diesen – man kann es kaum anders beschreiben: liebenswerten – Roman zurückgreifen und sich tatsächlich auf mögliche weitere Bände freuen, in denen Pia Seemann und Fräulein Mencke erneut zusammen auf Spurensuche gehen.

Titelbild

Birgit Rutenberg: Vier Pfoten und ein Todesfall. Kriminalroman.
Leda Verlag, Leer 2015.
410 Seiten, 10,00 EUR.
ISBN-13: 9783864120893

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