No guru, no method, no teacher
Über die Schwierigkeit, Kriminalromane zu rezensieren
Von Walter Delabar
Dass der Krimi in Deutschland die Kritik zu seinem Glück nicht braucht, ist offensichtlich, dass er noch mehr Werbung benötigt, ist kaum plausibel, dass er, wie es in populären Genres häufig ist, an persönlichen Empfehlungen hängt, ist hingegen deutlich. Die Kritik hat sich mit dem Krimi nie wirklich anfreunden können, auch wenn er große Befürworter hatte, zu denen nicht zuletzt Bertolt Brecht und Walter Benjamin gehörten. Aber von diesen beiden sind wir ja auch kaum anderes gewöhnt. Immerhin hat es der Krimi auf einige gut behütete Randplätze in der deutschen Medienlandschaft geschafft, die mit Sachverstand und großem Engagement bewirtschaftet werden. Die in der „Zeit“ veröffentlichte monatliche „KrimiZeit-Bestenliste“ und die Krimi-Seite im Feuilleton der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ gehören dazu. Hinzu kommen einige Internet-Plattformen, in denen regelmäßig und intensiv Krimis angezeigt und eben auch besprochen werden.
Überdies gibt es Jahr für Jahr einige tausend Neuerscheinungen, die merkwürdigerweise auch noch ihre Leser finden. Ehrwürdige Verlage wie Suhrkamp haben sich dem Krimi zugewandt. Suhrkamps Überleben in der jüngsten Verlagskrise sei, so ist zu lesen, nicht zuletzt einem Krimiautor (Don Winslow) zu verdanken, der eine Weile beim Neuberliner Verlag betreut wurde. Aber auch der in die Jahre gekommene Konkursbuch-Verlag hat sich am Krimi versucht. Rowohlt wildert schon lange nicht mehr als einziger der renommierten Verlage, die auch ein starkes E-Literatur-Programm haben, im Krimimarkt. Kiepenheuer und Witsch, S. Fischer, Klett Cotta – sie sind alle dabei, mal mit, mal ohne literarische Ambitionen. Der Krimimarkt nährt sie alle. Und solange Monat für Monat mehr fiktionale Morde verübt werden als reale, wird das wohl auch so bleiben. Was zugleich ein Hinweis darauf ist, weshalb der Krimi überhaupt derart populär ist.
Um das Krimigenre hat sich eine rege und sehr aktive Szene angesiedelt, die Empfehlungen ausspricht, Hinweise gibt, Autoren interviewt und porträtiert und über Hintergründe informiert. Das ist hilfreich, aber die Szene beschränkt sich auch genau darauf. Und das aus gutem Grund, denn auf den meisten Plattformen ist der Platz begrenzt, im Druck wie im Netz. Im Druck, weil der Krimi, als Nebenfach der Literatur, mit nur wenigen Texten vorlieb nehmen muss. Im Netz, weil, sobald eine Plattform redaktionell betreut wird, Texte gesichtet und redigiert werden müssen.
Da bleibt für Kritik wenig Raum, und Verrisse finden nicht mehr statt. Tobias Gohlis, der Erfinder und Organisator der Krimibestenliste, darf zu jeder monatlichen Veröffentlichung der Liste in der „Zeit“ eine Besprechung liefern. Gohlis nutzt diese Option, um Empfehlungen von Texten auszusprechen, die dies besonders verdienen. Er werde doch nicht den knappen Platz, der ihm eingeräumt werde, mit einem Verriss verschwenden, wenn es so viele gute Krimis gebe. Kann man verstehen, muss man aber nicht gutheißen. Denn durch dieses Nadelöhr kann am Ende doch jedes Kamel. Gerade die Frage, was ein guter Krimi ist, wird nicht nur sehr unterschiedlich beantwortet, sondern die Basis, auf der die Frage beantwortet werden könnte, ist – was viel schlimmer ist – grundsätzlich völlig ungeklärt.
Das muss auch so sein, denn der Krimi und seine Kritik können sich nicht aus der Entwicklung auskoppeln, die die Kritik von Literatur überhaupt seit ihrer Erfindung genommen hat. Soll heißen: Mit dem Verlust verbindlicher Qualitätskriterien (gesetzt, dass sie denn überhaupt so allgemein verbindlich waren), verliert die Kritik von Literatur ihre klaren Konturen. Das hat notwendigerweise dazu geführt, dass die Bewertungskriterien von Literatur subjektiviert werden, bis hin zum kurzschlüssigen „Gefällt mir“ der sozialen Medien, die auf den Punkt bringen, was sogar in der Literatur gilt: zu gefallen.
Auch wenn man also für Akteure wie Gohlis Verständnis haben kann, für die Krimi-Szene ist diese Entwicklung nicht gut – für die Literatur nicht minder, denn auch sie leidet unter dem verdeckten Marketing, das um neue Bücher aufgebaut wird, um sie möglichst gut in Szene zu setzen und eine Empfehlungswelle zu initiieren. Erst wenn Leser Texte empfehlen, werden sie erfolgreich, wirklich erfolgreich. Die „Shades of Grey“-Reihe, die über Amazon-Leserkritiken überhaupt erst zum gedruckten Buch und dort zum Megaseller getrieben wurde, ist dafür das beste Beispiel. Aber auch in der Krimi-Szene gibt es mit Andrea Maria Schenkels „Tannöd“ – 2005 beim kleinen Hamburger Nautilus Verlag erschienen, der auch ein feines Krimi-Programm pflegt – einen Riesenerfolg, der durch die Leser gemacht worden ist.
Womit wir wieder beim Anfang wären, der Krimi braucht keine Kritik. Es geht ihm auch so ganz gut. Das ist richtig. Und fatal zugleich. Denn Kritik ist für ein literarisches Genre und seine Weiterentwicklung dringend notwendig. Nicht, weil die Kritiker einen Krimi zu loben oder zu tadeln hätten, sondern weil sie spezifische Aufgaben übernommen haben, die mit Missfallen oder Gefallen nichts zu tun haben: Sie sind die initialen, stellvertretenden Leser von Neuerscheinungen, die sie auf ihren Plot, ihre Handlung, ihre Figurenführung, ihre sprachliche Gestaltung und ihre Lösung hin durchsehen müssen. Sie binden Krimis in Kontexte ein und zeigen Themen, die die Texte formulieren, und Thesen, die die Verfasser mit ihren Texten verfolgen. Spannung gehört im Übrigen zum Unwichtigsten an Krimis. Kritiker können Texte intelligent lesen und perspektivisch (für andere, die ihnen dabei folgen können) – dafür dürfen sie vieles tun, am allerwenigsten aber loben. Eher noch verreißen. Aber das aus den richtigen Gründen, und eben nicht aus Missfallen.
Verrisse – vor allem, wenn sie funktional begründet werden – stellen deshalb wesentlich höhere Anforderungen an ihre Schreiber als die ganz normale Empfehlung, vor allem deshalb, weil sie deutlich besser argumentiert werden müssen als lobende Besprechungen. Ein Lob wird geglaubt, ein Verriss muss zum einen glaubwürdig gemacht werden und zum anderen nachvollziehbar sein. Das macht Aufwand. Da reicht kein Spott, leider, da reicht auch keine Klage, weil die am Ende nur jämmerlich klingt. Es reicht kein Schimpfen, kein Aufregen, denn dem muss keiner folgen.
Diese initiale Lektüre ist jedoch nicht kriterienlos, sondern entwickelt die Kriterien der Kritik aus dem Text selbst, mithin daraus, ob und wie er funktioniert. Das bedeutet, dass der stellvertretende Leser Texte vergleichsweise flexibel und offen wahrnehmen muss, er muss sich auf sie einlassen und ihre Funktionsweise nachvollziehen. Das heißt auch, dass er zu größeren Teilen von sich absehen können muss – was für einen erfahrenen Kritiker, der schon eine Menge gelesen hat, eigentlich eine nicht hinnehmbare Zumutung ist. Aber ein solches Vorgehen heißt auch: Ein Krimi muss vor allem eines, er muss funktionieren, also eine sehr fein austarierte Balance aufweisen, in der Thema, Plot, Ausführung und Stil aufeinander abgestimmt sein müssen. Das hat nichts damit zu tun, ob ein Krimi roh, rau oder fragmentarisch ist. Funktionalität hat nichts mit Harmonie zu tun, sondern ist eine diffizile Sache, die nicht ohne Weiteres aufgeht.
Es ist unbestritten, dass der Krimi ein Genre mit recht klar gesetzten Regeln ist. Es gibt eine Reihe von Konventionen, die befolgt werden sollen und die in der Regel auch befolgt werden. Dazu gehört, dass der Protagonist, um den herum der Text organisiert wird, Identifikationspotenzial hat. Außerdem soll es Gute und Böse geben, muss es aber nicht immer, denn es kann ja gerade die These des Textes sein, dass das Verbrechen – als Paradigma der bösen Tat – seine Ursache nicht im Bösen hat.
Der Plot ist einfach angelegt, lässt aber zahlreiche Variationen zu: Es gibt in der Regel ein Opfer, einen Täter und eine Tat, die zum Gegenstand der Bemühungen eines Ermittlers wird, der alle drei in eine sinnvolle Beziehung zu bringen versucht. Das wird dann umso schwieriger – für die Organisation des Textes wie für die Bemühungen des Ermittlers oder dann des Ermittlerteams –, wenn im Text diese Grundkonstellation vervielfacht wird. Oder wenn die hierarchische Beziehung zwischen Ermittler und Täter umgekehrt wird. Dieselbe Wirkung hat die Anfütterung des Textes mit lebensweltlichen Elementen, die für das Tat-Arrangement nebensächlich sind, für die lebensweltliche Einbettung jedoch notwendig ist (warum, ist hier nicht relevant).
Zentrale Elemente des Krimis sind die Ermittlung des Täters und des Tathergangs. Die Tat, das crimen, ist zwar notwendige Voraussetzung, kann aber eine Leerstelle bleiben. Daran erkennt man Krimis immer. Dafür sind variable Verfahren entwickelt worden, die teils in Reinform, teils in verschiedenen Mischungsverhältnissen eingesetzt werden. Das hermeneutische Verfahren setzt auf die Interpretation von Aussagen, versucht Motiv und Gelegenheit zu erschließen. Das heuristische Verfahren setzt auf naturwissenschaftliche Methoden und die Nutzung von objektiven Spuren, mit denen Tat und Täter in einen unabweisbaren Zusammenhang gebracht werden können. Beide Verfahren sind rekonstruktiv (teilweise auch in weiten Passagen dekonstruktiv). Sie erfüllen jedoch beide dieselbe Erwartung, dass nämlich die Tat aufgeklärt wird. Aus einem chaotischen, mindestens aber unübersichtlichen soll ein geordnetes Bild werden, anders gewendet: Die Störung des sozialen Gefüges soll wieder aufgehoben werden.
Ob dafür die Tat oder die Auflösung im Text am Anfang oder am Ende stehen, ob Täter und Tat am Anfang verdeckt sind und entdeckt werden müssen oder ob sie bereits am Anfang aufgedeckt werden, so dass das Lösungsverfahren im Fokus steht, ist strukturell nachrangig, wenngleich es für die Anlage oder die These des Textes zentral sein kann. Der Krimi ist also immer auf mehr aus als auf die Klärung der Tat.
Aus Sherlock Holmes’ Ermittlungen lässt sich sicherlich nicht nur der Triumph seiner präzisen Wahrnehmung und seiner (nicht selten gewagten) Schlussfolgerungen ablesen, sondern auch der Versuch, sich auf diese Weise in einer immer unwägbarer und komplexer werdenden Situation orientieren und behaupten zu können. Wenn Patricia Highsmith in „Der talentierte Mr. Ripley“ den Mord erst sehr spät folgen lässt, dann wird daraus nicht nur die Absicht erkennbar, den Spannungsbogen weiter zu ziehen, als Krimiautoren dies normalerweise tun. Darüber hinaus fokussiert Highsmith ihren Text völlig gegen die Erwartung des Krimis, verstößt mithin bewusst gegen die Krimikonventionen, um thesenhaft der Frage nachzugehen, wie weit jemand in die Rolle eines anderen schlüpfen kann und wie lange das gut geht. Wer der Täter ist, warum er die Tat verübt und wie, ist in keiner Weise fraglich. Hier gibt es nichts zu ermitteln. Das Arrangement Highsmiths variiert nur die Grundkonstellation, das aber sehr wirksam, soll heißen, im Rahmen des Textes funktional, zumal die Erzählsprache das Konzept stützt und nicht losgelöst daneben steht.
So sehr Highsmith also gegen Krimikonventionen verstößt, so sehr erhält sie sie zugleich. Iin ihrem Text bleibt das Basiskonzept von Krimis erkennbar. Das bedeutet, dass selbst hochartifizielle Texte aufgrund der Basisstrukturen und weniger Eckelemente, die die Zugehörigkeit bestimmbar machen, dem Krimigenre zugewiesen werden können. Das heißt auch, dass das Spiel mit den Krimi-Konventionen stets eingebunden ist in die erzählerische Präsentation von Themen und Thesen, die nicht notwendig genrespezifisch sein müssen (etwa Thesen zum Verhältnis von Recht und Gerechtigkeit).
Eine Kritik, die nur auf Spannung und nur auf die Auflösung der Tat fixiert ist, müsste einen solchen Text verreißen, während ein stellvertretender Leser, der die Strukturen von Krimis kennt und wahrnimmt, dem neuen Arrangement folgen wird. Dies herauszustellen und von der Krimikonvention abzugrenzen, dabei aber die Bezüge zu thematisieren, wäre die Aufgabe einer Kritik, die sich auf den Text einlässt.
Sich auf den Text einzulassen, heißt aber nicht, ihm alles durchgehen zu lassen. Immer dann, wenn Texte schlecht konzipiert sind oder stilistisch unbeherrscht, immer dann wenn Autorinnen und Autoren sich im Glanze ihres Textes sonnen, ist ein Verriss fällig. Einen verfahrenen Plot, einen unplausiblen Fall, eine nachlässige Figurenführung, hölzerne Dialoge, in denen sich Herren gegenüber stehen und sich gegenseitig ihr Wissen um die Ohren schlagen (quasi direkt aus dem Fachbuch abgeschrieben), darf und muss man niedermachen. Aber auch ein guter Plot und ein wichtiges Thema sind keine Freischeine für eine schlechte Erzählsprache. Wenn ein Text, der „realistisch“ sein will, über alle sozialen und kulturellen Unterschiede hinweggeht, ohne sich dessen bewusst zu sein, ist er zumeist schlecht gemacht (es sei denn, es gibt einen guten Grund dafür). Danksagungen, die über viele Seiten gehen und in denen der amerikanische Autor auch noch die deutsche Steuerberaterin bedenkt, gehören in kein Buch und kontaminieren den Rest gleich mit. Peinliche Titel und Waschzettel … reden wir nicht drüber.
Der Umstand, dass die Kritik eines Krimis auf seine Funktionalität hin ausgerichtet sein muss, schließt zugleich ein anderes Bewertungssystem aus, das sich in der professionellen Literaturkritik durchgesetzt hat, nämlich dass der subjektivierten Maßstäbe. Damit diese kommunizierbar sind und geteilt werden können, müssen sie nur noch interpersonal verschränkt werden. Fernseh-Formate versuchen das auf unterschiedliche Weise.
Wenn Elke Heidenreich vor einigen Jahren in ihrer Büchersendung „lesen!“ vermerkte, dass sie ein gutes Buch ohne Weiteres erkenne, dann rekurrierte sie nicht auf ihre methodischen Fähigkeiten, sondern auf einen persönlichen Maßstab, den sie auf Bücher generell anwenden konnte (man kann das auch Geschmack nennen). Das bedeutet, dass sie einen nicht verbalisierten, aber immerhin leidlich erkennbaren Kriterienkatalog hat, was zu einer relativ klar umrissenen Textgruppe führt, die Heidenreich mit dem Label „Gute Bücher“ versehen kann. In der Sendung beschäftigte sie sich mithin vor allem damit, solche Label zu verteilen respektive solche Bücher vorzustellen, die es verdienen. Texte allgemein passen entweder in das vorgegebene Raster oder nicht. Ob die Texte unabhängig davon funktionieren, ist irrelevant, solange dies keines der Heidenreich-Kriterien ist.
Damit ersetzt eine subjektivierte Kritik einen festen, allgemein verbindlichen Kriterienkatalog lediglich durch einen persönlichen, der sich kaum diskursiv abklären lässt. In einer Präsentationssendung wie der Elke Heidenreichs macht das ja auch gerade den Reiz aus: Zuschauer können sich an den Empfehlungen der Moderatorin orientieren oder reiben. Die Differenz zwischen Zuschauer und Moderatorin ist dafür die Bedingung. Ein drittes, objektives Kriterium existiert nicht.
In einer diskussionsbasierten Sendung wie dem „Literarischen Quartett“ ist diese Struktur modifiziert: Im Unterschied zu der Präsentationssendung tauschen die Teilnehmer ihre Positionen zu den besprochenen Büchern, mithin ihre Kriterienkataloge aus, mit dem bekannten offenen Ende. Denn die Kataloge weisen zwar ein hohes Maß an Gemeinsamkeiten auf – sonst wäre das Format nicht derart langlebig gewesen. Sie sind jedoch – was wiederum den Reiz der Diskussionsrunde ausmacht – nie völlig in Deckung zu bringen. Zuschauer können sich dazu verhalten, mit ihren Käufen, die anscheinend das regelmäßige Resultat dessen waren, dass Bücher in die Besprechungsrunde aufgenommen wurden. Sie konnten zudem die Positionen der Diskutanten nachvollziehen und sich dazu positionieren.
Beide Varianten sind zweifelslos interessante, ja attraktive Möglichkeiten, sich kritisch mit Texten auseinanderzusetzen. Und wahrscheinlich wird eine Kritik nie ohne einen Minimalkatalog von Bewertungskriterien möglich sein (Funktionalität wäre ein solches Kriterium). Aber der Fokus beider Formate liegt nicht auf den Texten, sondern ist darauf gerichtet, ob sie Katalogen, die nie offen verhandelt werden, entsprechen oder nicht. Von da aus ist der Schritt – bei aller Belesenheit der Diskutanten – hin zur beliebigen Gefallen- und Missfallenskultur nicht mehr weit. Das aber sollte man den Büchern selbst nicht antun, auch wenn viele davon profitieren, weil sie sich auf diese Weise gut verkaufen lassen.
Gerade die Empfehlungswelle, die Krimis umschwemmt, beschränkt sich aber weitgehend darauf. Um der Beliebigkeit dabei halbwegs zu entkommen, wählen sie dafür zumeist einen direkten externen Bezugspunkt, die gesellschaftliche Relevanz des Themas: Fragen von Schuld und Sühne, Gewalt in sich entwickelnden Zivilkulturen wie Südafrika, die destruktive Macht der Drogenbarone, die Spaltung von Gesellschaften in zivile Oberfläche und grausamen, atavistischen Untergrund, Kindesmissbrauch, Gewalt in der Familie, die erschütternden Schicksale von Flüchtlingen, die Schleusern in die Hände fallen … die Liste ist anhand etwa der letzten 20 „Tatort“-Folgen, der für solche angesagten Themen immer ein guter Indikator ist, schnell ergänzbar.
Je angesagter und relevanter ein Thema ist, desto eher werden die stilistischen und konzeptionellen Mängel von Krimis übertüncht. Die Ermittlung kommt nicht voran, dann muss eben ein langatmiges Geständnis her. Hauptsache, der oder die Täter werden überführt und die liebe Seele hat Ruh, oder es ist für genügend Unruhe gesorgt, dass die Aufmerksamkeit groß genug ist. Ob ein Krimi trotzdem gut ist oder schlecht, hat damit aber nur wenig zu tun. Und eine Kritik tut gut daran, wenn sie sich nicht vom Thema blenden lässt, sondern seine Behandlung und Abhandlung in den Fokus nimmt. Alles andere wäre das Papier oder die Bits nicht wert, die dafür aufgewendet werden.