Neo-Nazi-Schlamassel

„Mississippi Jam“: James Lee Burke über ein ziemliches Durcheinander und einige scheußliche Wiedergänger

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Süden der USA ist gemeinhin nicht gerade für seine progressive politische Haltung bekannt. Das hat sich anscheinend nicht geändert seit Bürgerkriegszeiten. Nur ist zum fest verankerten Rassismus mit den Jahren noch ein bisschen Antisemitismus, geschmückt durch ein paar Hakenkreuze hinzugekommen. Dass so etwas nicht einfach so vergeht, merken wir auch gerade in unseren Breiten. Aber in den USA scheint das alles noch offener und gewalttätiger daherzukommen. Mag man nicht dran denken, dass das auch hierher schwappen könnte.

James Lee Burke hat jedenfalls in „Mississippi Jam“ ein ziemliches Schlamassel angerichtet und deckt es uns hinreichend geschmackvoll auf. Dave Robicheaux, als Ermittler gut eingeführt, gerät in eine Mordserie, bei der schwarze Dealer aufwendig hingerichtet werden. Anscheinend ist jemand der Meinung, dass der ‚Abschaum‘ von der Straße gehört – und wenn die Polizei nicht dafür sorgt, dann muss das jemand anderes übernehmen.

Dass das fatal ist, muss nicht ausdrücklich betont werden, denn naheliegend entpuppt sich die ganze Mordserie als Deckung für eine Umverteilung in den Drogenmärkten von New Orleans. Na, wer hätte das gedacht. Robicheauxʼ Freund und Angestellter Batist, selbst ein Schwarzer, hat das von Anfang an gewusst: Es gehe immer um Geld, wenn sich Rassismus zeige. Die Schwarzen hätten das immer gewusst. Was zu denken geben sollte.

Als zweite Erzähllinie führt Burke jedoch die Suche nach einem im Zweiten Weltkrieg versenkten deutschen U-Boot, das anscheinend seit Jahrzehnten in den Strömungen vor Louisiana herumtreibt; auch das ein Wiedergänger, aber anderer Art. Robicheaux ist diesem U-Boot bereits mehrere Male bei seinen Fischzügen begegnet – was ihn zu einem Spezialisten in dieser Sache macht.

Deshalb wird er auch gleich von mehreren Seiten beauftragt, für sie das U-Boot zu suchen. Darunter, und da wird’s dann ein bisschen krude, eine Truppe von Neo-Nazis, die nicht nur die üblichen rassistischen und chauvinistischen Reden schwingen, sondern auch noch irgendetwas mit dem U-Boot vorhaben. Am Ende geht es um ein edelsteinbesetztes Hakenkreuz von ungeheurem Wert. Hakenkreuzbratwurst verbieten, aber Edelsteinhakenkreuze produzieren und in einem U-Boot über den Atlantik verschicken?

Die Geschichte ist arg unplausibel und der Schlamassel, der darin angerichtet wird, gewaltig. Persönlich wird das Ganze auch noch, spätestens dann, als der in Sachen Brutalität und Gewissenlosigkeit außerordentliche Neo-Nazi namens Buchalter sich an Robicheauxʼ Frau vergreift und ihn unter Druck setzt, unterstützt durch eine geheimnisvolle Frau, die sich als Nonne ausgibt.

Kein Zweifel, die extreme Zeichnung dieser neuweißen und Neo-Nazi-Szene ist beeindruckend, gehorcht dabei aber lediglich den Überbietungsregeln des Krimis, nur mit politischen Vorzeichen. Angesichts der antisemitischen, chauvinistischen und rassistischen Welle, die gerade auch Europa überschwemmt, mag man nicht darüber nachdenken, was es hieße, wenn das nicht Fiktion, sondern Realität würde. Dass dies literarisch derzeit breiteren Raum einnimmt – James Ellroys „Perfidia“, Dennis Lehane und Richard Price sind dafür Beispiele aus der jüngeren Zeit –, zeigt, dass das Thema nicht nur Sorgen bereitet, sondern auch Konjunktur hat. Vielleicht sogar für Weiteres stehen mag, über das nachzudenken wäre. Allerdings stammt Burkes „Mississippi Jam“ bereits aus dem Jahr 1994, was man leicht übersehen könnte.

Die Politisierung des Krimis, die Burke anachronistisch mitbetreibt, lässt in jedem Fall einiges erwarten, auch eine Reihe von Texten, in denen der gute oder böse politische Wille sich die Welt dann so zurechtlegt, wie er sie gerne hätte, um dann auf die so hergerichteten Bösen losgehen zu können. Was in der Popmusik möglich ist, wird auch in den populären literarischen Genres durchschlagen. Mal sehen, wer sich da so als Böhser Onkel erweist.

Freilich hat sich Burke mit einem für einen Amerikaner schwachen Plot keinen großen Gefallen getan. Überzeichnung und Absurdität hin oder her, und vielleicht ist der Realitätssinn des Verfassers dieser Zeilen unterentwickelt, aber was er hier vorführt, scheint doch ein bisserl viel. Außerdem hat sich der Verlag mit seinem Klappentext keinen Gefallen getan: Von einer sorgsamen Figurenzeichnung zu schreiben und davon, dass sie mit feinen Pinselstrichen gezeichnet seien, wirkt ein bisschen deplatziert angesichts der unverblümten Sprache, die die Protagonisten an den Tag legen. Und auch der Umstand, dass beispielsweise ein sexueller Übergriff traumatische Folgen hat und das von einem Autor geschildert wird, sagt noch nichts darüber aus, wie literarisch ein Krimi sein kann. Belassen wir es dabei: Burke erzählt eine schwache Geschichte ziemlich gut und es macht Freude, ihn in seinen Exzessen zu folgen. Und noch etwas: Er weiß seine LeserInnen gekonnt zu erschrecken.

Titelbild

James Lee Burke: Mississippi Jam. Ein Dave-Robicheaux-Krimi.
Übersetzt aus dem Englischen von Jürgen Bürger.
Pendragon Verlag, Bielefeld 2016.
588 Seiten, 17,99 EUR.
ISBN-13: 9783865325273

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch