Skurriles mit Bodenhaftung

Roland Krauses Figuren ziehen mit ungeheurer Kraft mitten in besondere Umstände

Von Renate SchauerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Renate Schauer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Hurenballade umfasst dreizehn Stories, die uns unverwechselbare Typen nahe bringen. Packende Schilderungen, überraschende Wendungen – Roland Krause weiß Abgründe auszuleuchten und sein Lesepublikum in den Bann zu ziehen. Das Unwahrscheinliche wird gewiss, das Skurrile scheint zum Alltag zu gehören wie die Brotzeit und die Bettdecke.

Bislang hat Roland Krause drei Kriminalromane im Piper Verlag sowie Erzählungen und Kindergeschichten veröffentlicht. Diese Story-Sammlung fand ihre Heimat im Balaena Verlag in Landsberg am Lech, der von sich behauptet, seit 2008 Bücher „in ehrlicher handwerklicher Manier“ zu machen. Diesen soliden Ansatz strahlt das Buch aus, das Handwerk des Autors ist nicht minder solide; die Sprache behält jederzeit Bodenhaftung, vereint Derbheit mit Feinsinn.

Die Charaktere und Schauplätze könnten ohne langes Suchen in jeder Gegend beziehungsweise Stadt so zu finden sein. Begegnungen und Verwicklungen lassen erahnen, dass „die verrücktesten Geschichten nur einen Augenblick entfernt sind“, wie es treffend im Klappentext heißt. In den Stories drängt es den Leser, die Leserin mit den jeweiligen Akteuren vorwärts, Melancholie kann mitschwingen, hält aber das Streben zu einem Endpunkt nicht auf. „Aber jeder Moment jagt den anderen vom Platz, als wär es sein größter Feind und nicht der Bruder.“

Die Protagonisten stehen nicht auf der Sonnenseite des Lebens, sind aber auch keine „Loser“ oder gar abstoßende „Schmuddel-Figuren“. Die meisten von ihnen sind auf der Suche nach Verständnis, Nähe oder Glück. Sie verlieren Illusionen, erfahren Ernüchterung, werden betrogen oder müssen ihren Hund heimlich begraben. Beim einen ist das Haltbarkeitsdatum seines Kondoms abgelaufen, was zu einer abenteuerlichen Odyssee führt; beim anderen wird kurz vorm Sprung die Lebensmüdigkeit vertrieben, weil jemand gezündelt und seinen Stadel in Brand gesetzt hat. Zuletzt hat man Vielschichtiges erfahren, nicht nur in der Situation mitgefiebert.

Gerade weil es sich nicht unbedingt um ausgesprochene Pechvögel handelt, wird man Zaungast von Niederungen, die einem der eigene Nachbar nie eingestehen würde, aber trotzdem durchgemacht haben könnte. Denn alle Figuren könnten als „Normalbürger“ durchgehen, gerieten sie nicht in diese besonderen Umstände und wäre da nicht die Dichte, in der die Szenen erzählt sind, was dann eben doch daran erinnert, dass hier gekonnt spannende Unterhaltung konstruiert wird.

Zur Verdichtung tragen besonders die Sprachbilder bei. Fast zwingend sind sie in der Regel angelegt, damit man die Figuren so auffasst wie der Autor sie meint. Da ist wenig Spielraum für eigene Interpretationen; der Leser, die Leserin wird gepackt und gerät mit der Nase in die kürzest mögliche Distanz zum Milieu und zum Geschehen, das fast immer plausibel wirkt. Und der Blickwinkel des Protagonisten ist mit hoher Authentizität unterlegt. Kraftausdrücke und zartfühlende Momente inbegriffen.

Die „Moral von der Geschicht‘“ gibt es bei Roland Krause (Jahrgang 1964, lebt in München) nicht. Das Streben nach dem Endpunkt der Geschichte wird aber auch nicht mit einer „Erlösung“ belohnt. Dass keine der 13 Stories ein Happy End mit wohligem Zufriedenheitseffekt haben wird, ahnt man ab der ersten Seite des Buches. Es wäre auch weniger solide, wenn es anders wäre. Gerade deshalb bleibt die Spannung, denn wie im wirklichen Leben kann man sich Aus- und Übergänge nicht so ausmalen, wie sie sich dann tatsächlich ereignen.

Titelbild

Roland Krause: Hurenballade. Dreizehn Stories.
Balaena Verlag, Landsberg am Lech 2016.
200 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-13: 9783981266160

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