Den Papiertiger reiten

Adolf Endler beschließt mit einem pfiffigen „Kiwitt kiwitt“ sein schillerndes Werk

Von Beat MazenauerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Beat Mazenauer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im Nachlass hinterließ der im August 2009 verstorbene Adolf Endler eine kleine Kladde mit Texten, die mit „Aus der Mappe, Quatsch“ überschrieben ist und seine ganze dichterische Radikalität nochmals aufblitzen lässt. Brigitte Endler und Thorsten Ahrend haben sie, teils faksimiliert, in einem dünnen Band versammelt. Neben 47 Gedichten, deren Ursprünge bis in die lähmenden 1970er-Jahre zurückreichen, umfasst er auch ein paar Seiten mit kurzen Notaten und Aufzeichnungen, unter denen sich eine Sentenz findet, die in ihrer Deutlichkeit nicht allein für diesen Band, sondern für Endlers Leben in toto als Motto dienen kann: „Wer nicht pariert, zerstört seine Existenz; wer pariert, zerstört sein Leben – “

Adolf Endler war ein notorischer Spötter und Querulant, der es sich nicht nehmen ließ, Verbote und geistlose Phrasen der DDR-Bürokratie mit einem närrischen Widerstand zu beantworten. „Ich – dumm! Ich mach‘ anders!“ heißt es in seinen Sudelblättern 1981-1983, die 1994 unter dem Titel Tarzan am Prenzlauer erschienen sind. Für seine gelebte Dissidenz bezahlte er den vollen Preis: Armut und Angst, manchmal Verzweiflung.

Endler war aber auch ein großer Erzähler und Poet, der seine Verstöße gegen die gute Form bewusst in Kauf nahm. Letzteres bezeugt dieser Band. Die dadaistische Widersetzlichkeit ist in jeder Zeile zu spüren, Endler hatte keinen Grund, von dem abzurücken, was ihn ein Leben lang trug.

In „Wachkompanie“ wird das Verfahren sichtbar, indem er den Käuzchenruf „Kiwitt kiwitt“ mit einem „Paradeschritt“ quittiert, und darauf gleich ein „Kuckuck / Kuckuck“ aus dem Wald ertönen lässt. Steckt im „kiwitt“ noch ein verführerisches „komm mit“, fällt die Antwort des Kuckucks höhnisch aus: „ruckediguh / blut is im schuh“. Auf jeden Fall scheint der Dichter wachsam gegenüber der Wachkompanie. Mit der Warnung gibt er sich selbst als Aschenputtel zu erkennen: als „mählich verwahrlosender“ Außenseiter, wie er in den Sudelblättern festhielt.

Mal spaßhaft freundlich, mal zündend präzise präsentieren sich diese Gedichte. Ihre Unbotmäßigkeit gibt sich freilich weit eher in ihrem dadaistischen Unsinn zu erkennen als in politischer Überdeutlichkeit, Jahrzehnte im Status des Außenseiters haben ihn das doppelbödige Dichten gelehrt. „Denn die Verhältnisse, / Die sind nicht so…“ heißt es in „Glasnost“, einem Volker Braun gewidmeten Vierzeiler. Die Lust an diesem Dichten wider den alltäglichen Sinn zeigt sich auch in einigen Zeilen, die auf Fotocollagen notiert sind. Auch dabei liegt Endler das Unperfekte stets näher als das Perfekte.

Diese letzten Gedichte bieten Blaupausen fürs gedankliche Weiterspinnen. Um welchen Winter handelt es sich wohl bei jenem im Jahr „Weitausendwölf“? Speziell mag Endler natürlich auch Sprichwörter und Phrasen aller Art, wie er in „Parteitagslosung“ von 1981 demonstriert: „des Glückes Vater heißt Fleiß! – Wie heißt die Mamma? Frau Unzucht wohl gar?“ Vielleicht war es diese Mamma, auf die Endler im Tarzan-Buch einen schönen Eintrag münzte: „Glühende Verfechter… – kannst du mir ‘mal erklären, was das bedeutet, Mamma? – Bald Asche, allzu bald Asche, mein Kind!“ Er sollte immerhin Recht behalten. Der liebenswerte Tarzan Endler zeigt uns hier noch einmal aufs Schönste, wie freundlich Widerstand sein kann, wenn er den Geist der Unterordnung radikal unterminiert.

Titelbild

Adolf Endler: Kiwitt, kiwitt. Gedichte und Capriccios.
Wallstein Verlag, Göttingen 2015.
71 Seiten, 18,90 EUR.
ISBN-13: 9783835317703

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