Von einem unermüdlichen Streben nach der Wahrheit

Werner Hilko Janssen erzählt in „Der Advocatus von Emden“ die Geschichte eines Mannes, der nicht mehr bereit ist, als Sündenbock herzuhalten

Von Anna AvrutinaRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anna Avrutina

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Emden, Ostfriesland. Man schreibt das Jahr 1702, als Niklas Houwert, ehemaliger Advocatus von Emden, nach jahrelanger Verbannung endlich in seine Heimatstadt zurückkehren darf. Fest entschlossen, seine Unschuld an den Diebstählen, die ihm einst zur Last gelegt wurden, zu beweisen und seine große Liebe Elsbeth wiederzufinden, kommt er zurück, doch schon am Stadttor wird er erneut – und das grundlos – verhaftet. Das Schicksal legt Niklas immer wieder Steine in den Weg, denn die Aufklärung der damaligen Verbrechen nimmt ungeahnte Dimensionen an und verwickelt ihn auch in die Enthüllung der bestialischen Morde, die Emden gegenwärtig erschüttern. Zunächst scheint es, als würde jemand nach dem Leben der „ehrenwerten Herren“ der Stadt trachten, doch je mehr Morde geschehen, desto unklarer wird sowohl das Motiv als auch die Anzahl der Täter. Nach einigen gescheiterten Anschlägen auf Niklas muss nun auch er um sein Leben bangen. Nicht zuletzt taucht eines Tages eine Kiste vor seiner Tür auf und bringt einen erschreckenden Inhalt zum Vorschein. Niklas bleibt also nichts anderes übrig, als sich mithilfe zahlreicher Freunde aus dem Bettlermilieu selbst auf die Suche nach dem Täter zu machen.

Wie schon der erste Roman von Werner Hilko Janssen mit dem etwas fragwürdigen Namen Bibel, Peitsche und Galeere, beeindruckt auch dieser historische Kriminalroman mit sehr gründlicher Recherche und Hintergrundwissen. Damit schafft es der selbst aus der Nähe von Emden stammende Autor, die Handlung in eine höchst detailreiche und authentische Schilderung der damaligen Zeit und der dubiosen Handelsgeschäfte der in Emden ansässigen Brandenburgisch-Afrikanischen Compagnie einzubetten. Dabei rückt die klare Sprache des Erzählers die Handlung in den Vordergrund und lässt die Geschichte so real erscheinen, dass der Leser nicht anders kann als mit Niklas mitzufühlen, vor der Grausamkeit der Morde zu erschrecken, aber sich auch an den witzigen Szenen zu erfreuen.

Als historischer Kriminalroman vereint Der Advocatus von Emden zwei beliebte Genres der Unterhaltungsliteratur, die in Deutschland vor allem im Laufe des 19. Jahrhunderts ein großes Lesepublikum gewannen. Dabei veranschaulicht die für einen historischen Roman typische Einbettung des Hauptkonflikts in einen geschichtlich realen Kontext die Eigentümlichkeiten der jeweiligen Epoche und weckt vor allem durch die Hervorhebung des Andersartigen das Interesse des Lesers. Damit bedient sich Janssen bei seinem Roman zweier erfolgversprechender literarischer Genres.

Der Roman bleibt von Anfang bis zum Schluss spannend. So taucht der Leser in eine Geschichte von Mord und Totschlag, verstrickten Verschwörungen, großer Enttäuschung und wahrer Freundschaft ein, die durch einen flüssigen Erzählstil fesselt und mit unerwarteten Wendungen stets für Überraschungen sorgt. Letztendlich kann nur der Umfang des Buches – knapp 500 Seiten – der Grund dafür sein, das Buch kurz wegzulegen.

Damit ist Janssen mit Der Advocatus von Emden ein ausgesprochen lesenwerter Roman gelungen, der eine unterhaltsame Kriminalgeschichte erzählt und gleichzeitig das Interesse des Lesers für den historischen Hintergrund weckt.

Anmerkung der Redaktion: Die Rezension gehört zu den studentischen Beiträgen, die im Rahmen eines Lehrprojekts im Sommersemester 2016 entstanden sind und gesammelt in der Oktoberausgabe 2016 erscheinen.

Ein Beitrag aus der Komparatistik-Redaktion der Universität Mainz

Titelbild

Werner Hilko Janssen: Der Advocatus von Emden. Historischer Kriminalroman.
Leda Verlag, Leer 2016.
527 Seiten, 14,99 EUR.
ISBN-13: 9783864120947

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