La Superba

Ilja Leonard Pfeijffers Roman „Das schönste Mädchen von Genua“

Von Jasmin M. HlatkyRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jasmin M. Hlatky

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Weshalb in der deutschen Übersetzung von Ilja Leonard Pfeijffers Roman aus dem Niederländischen der ursprüngliche Titel „La Superba“ nicht übernommen wurde, ist unklar – vor allem, weil dieser Titel in seiner Doppeldeutigkeit so viel genauer wiedergibt, worum es hier geht. Denn wer ist „La Superba“? Die Stadt Genua selbst, klassisch mit diesem Beinamen versehen, der man sich nähern kann und die einen auch in ihrer Nähe duldet, aber nie ganz akzeptiert, sich immer wieder entzieht? Oder das schönste Mädchen der Stadt, das ebenso unerreichbar ist? Die Stadt atmet in diesem außergewöhnlichen Roman, sie wird zur lebenden, mitagierenden Figur gemacht, durch sie irrt das Alter Ego des Autors, „eine Stadt, deren Männer immer auf See sind“, und die daher von Frauen regiert wird, wie Pfeijffer La Signora gleich zu Anfang sagen lässt.

Ilja Leonard, der offensichtlich autobiographisch angelegte Protagonist, befindet sich dort im freiwilligen Exil und auf der Flucht vor dem Komfort, vor der spießigen, kalten Heimat und auf der Suche nach der künstlerischen Inspiration. Er ist verliebt in eine Kellnerin, eben das schönste Mädchen der Stadt, aber noch mehr in die Stadt selbst, in den Zustand des Flanierens und des Sich-Treiben-Lassens und auch ein wenig in die Rolle des Dichters im Exil. Er lässt sich auf das neue Leben ein, hält Augen und Ohren offen. Auffällig oft wird dieses Leben als „Spiel“ beschrieben: das Werben um die Frauen, aber auch das Umworbenwerden, Aufgaben, die es zu lösen gilt, Mutproben, die bestanden werden müssen, so tun als ob. Selbstironisch schildert Pfeijffer die Versuche des Dichters aus dem Norden, Genuese zu spielen, und mit liebevollem Augenzwinkern, aber scharfem Blick charakterisiert er jene Zeitgenossen, die dem Dichter auf seinen Streifzügen begegnen.

Und im Gewühl der Gassen warten immer wieder Begegnungen mit den Einwohnern dieser Stadt, den Alteingesessenen und vor allem den Illegalen. In den Geschichten von Raschid und Djibi etwa spiegelt sich auch die Reflexion über das Wesen der Flucht und des Exils in der negativen Version derer, die dazu gezwungen werden, zu gehen. Die hochinteressanten, symbolhaft aufgeladenen Figuren sind dabei vermutlich Pfeijffers größte Stärke. Er versucht mit ihnen, die tiefen gesellschaftlichen Fragen dieser Zeit zu berühren.

Der Erzähler spielt mit seiner Rolle, mit den Lesern, er schwelgt in der Lust des Erzählens, er ironisiert aber auch gleichzeitig seine Erzählerrolle mit einem fingierten Bericht an einen Freund (den Leser). Von tausend Episoden scheint er erzählen zu wollen, in einer Stadt, die sich ständig verändert und doch immer bleibt, und vielleicht will er genau hier zu viel. Flüchtlingsschicksale, Verzweiflung, Liebe, Verrat, Tod – das alles zusammen mutet manchmal an, als hätte er sich an der Vielzahl der Themen übernommen. So verliert sich der Erzähler auch in den vielen Begegnungen in den Gassen von Genua und am Ende in seiner eigenen Phantasie – und lockt genau damit den Leser wieder hinein ins Labyrinth von La Superba.

 

Titelbild

Ilja Leonard Pfeijffer: Das schönste Mädchen von Genua. Roman.
Übersetzt aus dem Niederländischen von Rainer Kersten.
Aufbau Verlag, Berlin 2016.
431 Seiten, 22,95 EUR.
ISBN-13: 9783351036263

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