Koks, Kaviar und Krebs

„Gruber geht“ ist eine Hommage an Bob Dylan und das Leben

Von Gaby FeniukRSS-Newsfeed neuer Artikel von Gaby Feniuk

Gruber geht doch wohin eigentlich? Zu Beginn des Films jedenfalls steht Johannes Grubber (Manuel Rubey), meist entweder „John“ oder einfach nur „Gruber“ genannt, in einem schwarzen Mantel auf einem verlassenen Friedhof – ein Ausblick auf den Ausgang der Geschichte? Die ist im Grunde schnell erzählt: Der erfolgreiche Werbemann Gruber ist ein notorischer Womanizer und genießt auch sonst das Leben in vollen Zügen: T-Shirt und Smartphone zieren Sprüche wie „Cocain & Caviar“ oder „Only dead fish go with the flow“. Auch sonst gibt Gruber sich gerne als zynischer Macho, wenn er beispielsweise zum Geburtstag seiner Mutter mit dem Porsche anrauscht und sich in der Küche seiner Schwester erst einmal eine Line zieht – während die Familie nebenan bei Kaffee und Kuchen sitzt. Gruber ist, das wird schnell klar, ein Typ, der sich nicht gerne Vorschriften machen lässt.

Nach einer durchzechten Nacht in Wien, die statt mit dem erhofften One-Night-Stand nur mit einem blauen Auge endet, trifft er in der Hotelbar auf die attraktive DJane Sarah (Bernadette Heerwagen), mit der er schließlich im Bett landet. Was seine neue Bekanntschaft noch nicht weiß: Gruber hat sich zuvor aufgrund eines Schwächeanfalls ärztlich untersuchen lassen. Das Ergebnis, versiegelt in einem Briefumschlag, lässt er sich nun von Sarah im Bett vorlesen: Gruber hat Krebs. Genau das postet er auch sogleich auf Facebook und scheint seine Situation generell nicht allzu ernst zu nehmen. Er beginnt zwar im weiteren Verlauf der Handlung eine Chemotherapie, die nimmt im Film jedoch nicht viel Raum ein. Nicht etwa ihre körperlichen Auswirkungen werden dargestellt, sondern vielmehr Gruber, der sich weigert seine zynische Antihaltung auch nur annähernd zu verändern.

Nun erscheint der Plot recht banal: Erfolgreicher Womanizer erhält Krebsdiagnose und beginnt, aufgrund einer neuen Frau sein Leben zu ändern. Doch ist Gruber geht, trotz ein wenig Melancholie und Schwermut, nicht der sentimentale Kitsch, den man vielleicht erwartet hat. Die Figuren wirken ehrlich und authentisch, was besonders der schauspielerischen Leistung der Hauptdarsteller zu verdanken ist. Rubey mimt überzeugend das liebenswerte Arschloch mit Hundeblick und einer Prise Weltschmerz, sodass die zum größten Teil vernachlässigte Thematisierung der Krankheit fast gar nicht mehr auffällt. Während allzu drastische Darstellungen körperlichen Leidens fehlen, besticht der Film durch eine ganz eigene Ästhetik, die metaphorisch das Innenleben des Protagonisten zeigt. Aus der Vogelperspektive gefilmte Nahaufnahmen von Grubers Schreibtisch zeigen zu Beginn noch eine akribische Ordnung, die sich im weiteren Verlauf auflöst und somit den Kontrollverlust des Protagonisten widerspiegelt. Klare Farben und Struktur lassen puristische Bilder entstehen, die für sich selbst sprechen, und verleihen dem Film eine gewisse Tiefe, ja nicht zu sagen Klasse.

Highlight des Films ist sicherlich der Soundtrack, der mit Hits von Interpreten wie Bilderbuch bis hin zu Bob Dylan modern und zeitlos zugleich daherkommt. Generell zieht sich das Dylan-Motiv als roter Faden durch die Geschichte. Bekannte und weniger bekannte Lieder des Künstlers fügen sich stimmig in die Gesamtkomposition ein und spätestens wenn „Girl from the red river shore“ zum Höhepunkt des Filmes erklingt, muss man auch als Nicht-Dylan-Fan zugeben, dass diese Mischung wunderbar funktioniert. Die Musik spiegelt die melancholische Leichtigkeit des Protagonisten wider und trägt so einen erheblichen Teil zur Gesamtatmosphäre des Films bei. Das Dylan-Motiv wurde von Marie Kreutzer, die hier sowohl für das Drehbuch wie auch die Regie verantwortlich ist, aus Doris Knechts Romanvorlage Gruber geht (2011)übernommen – eine gute Entscheidung.

Gruber geht ist somit kein Film, von dem man überschwängliche Emotionen oder auch nur eine  sofern das überhaupt möglich ist  ‚realistische‘ Auseinandersetzung mit dem Thema Krebs erwarten darf. Er ist vielmehr ruhig und unaufgeregt und bietet eine interessante Charakterstudie über einen erfolgreichen Enddreißiger, der glaubt, alles im Griff zu haben und sich schließlich eingestehen muss, dass Koks und Kaviar allein eben doch nicht für ein glückliches Leben ausreichen. Die Frage, wohin Gruber denn nun eigentlich geht, kann der Zuschauer sich so am Ende selbst beantworten.

Gruber geht
Deutschland 2015
Regie & Drehbuch: Marie Kreutzer
Darsteller: Manuel Rubey, Bernadette Heerwagen
Länge: 92 Minuten

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Weitere Filmrezensionen hier