Nicht so high

Rainer Schmidt entwirft in „Legal High“ ein Szenario der Legalisierung von Marihuana in Deutschland im Jahr 2018

Von Monika GroscheRSS-Newsfeed neuer Artikel von Monika Grosche

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Okay, zugegeben, der Plot klingt wirklich gut: Im Jahr 2018 stehen in Deutschland alle Zeichen auf Legalisierung von Cannabis. Denn nicht nur Pharmakonzerne, sondern die Wirtschaftsverbände insgesamt haben erkannt, dass sie von einer Legalisierung von Marihuana bei heimischer Produktion desselben enorme Gewinne einstreichen können. Schließlich will man den USA, dem früheren Wortführer im Kampf gegen die Drogen, nicht die Vorherrschaft im legalen Drogenhandel überlassen. Denn die US-Konzerne, ebenso wie die leidigen Chinesen, stehen natürlich zum Sprung bereit, falls der bereits erfolgten Freigabe aus medizinischen Gründen nun auch eine komplette Legalisierung aller Hanfprodukte in Deutschland folgen soll.

Alle Anzeichen sprechen dafür, dass dies bald der Fall ist: Konzerne wittern das große Geschäft, Krankenkassen wollen Medikamentenkosten einsparen und die Bauern planen den Anbau im großen Stil. Sogar die Kirchen sprechen bereits von einer „Gabe Gottes“, während sich Parteien und Gewerkschaften für heimische Arbeitsplätze in Grasplantagen sowie weiterverarbeitenden Betrieben stark machen. Also wartet die Kanzlerin nur noch darauf, dass sie angesichts der Goldgräberstimmung das Ganze (wohlinszeniert wie immer) in die Tat umsetzen kann. So sehen sich bereits alle als Gewinner des zukünftigen Cannabis-Booms.

Nur der „Dude“, der mit dem „Strongdude“ den besten Stoff Norddeutschlands an die Kifferwelt lieferte, verspürt keine Vorfreude. Als einziger scheint er bei dem Trubel leer auszugehen. Nachdem er verpfiffen wurde, hockt der einstige Großproduzent im Knast, während seine Frau sich immer weniger um ihn schert. Doch angesichts der veränderten politischen Vorzeichen scheint sich auch für ihn das Blatt zu wenden – schließlich ist er ein Experte ersten Ranges und könnte mithelfen beim Aufbau grünender Landschaften…

Wenn man das so liest, hat die Geschichte durchaus das Zeug zu einer vielschichtigen, wenn nicht gar zynischen Gesellschaftssatire, die entlarvt, dass es bei all dem Gefasel um legale/illegale Drogen letztendlich nur scheinbar um moralische Dispute geht und sich vielmehr alles ausschließlich um Kohle und Macht dreht. Doch wer hier einen Roman erwartet, der mit politischer Heuchelei, der Manipulierbarkeit der Massen oder der kapitalistischen Verwertungslogik generell abrechnet, der liegt leider falsch.
Zwar ist das Ganze durchaus schwungvoll geschrieben, doch statt ätzender Satire à la T.C. Boyles Grün ist die Hoffnung, begegnet einem hier eher das offensichtliche Personal einer relativ oberflächlichen Gesellschaftskomödie: Geldgierige Schlipsträger, skrupellose Pharma-CEOs, halbseidene Kriminelle, doofe Regierungssprecher, die selbst gerne Minister wären. Auf den ersten Blick ist das zwar alles amüsant, aber auf Dauer doch eher ermüdend, da allzu stereotyp.

Immerhin wird Angela Merkel als eine schlitzohrige und intelligente Macherin gezeichnet, die sich abends mit ihrem Mann über Kollegen wie Horst Seehofer lustig macht und die nächsten Schlachtpläne für die Scharmützel mit dem Arbeitgeberverband und der SPD ausheckt. In den Szenen um die Kanzlerin zeigt der Roman durchaus seine intelligente satirische Seite und sein großes Potenzial. Doch kaum bewegen wir uns weg von Angela Merkel, werden die Figuren einfach zu schablonenhaft, so etwa die verwöhnte Elbchaussee-Gattin, die Russenmafia, die Hipster-Werbeleute und der dumme Kumpel des Dude, wo mit „No Brain“ schon der Name Programm ist.

Sprachlich schmissig und gefällig geschrieben, aber mit wenig Spannung, erfordert es schon einige Neugierde, um bis zum Ende bei der Stange zu bleiben. Dennoch ist zu erwarten, dass der Roman bei dem Thema und den immer wieder aufflammenden Legalisierungsdebatten ein medialer Erfolg wird. – Schließlich wurden für den Vorgängerroman des Autors, Die Cannabis GmbH, bereits die Filmrechte verkauft. Und es fällt nicht schwer, sich eine Komödie mit Uwe Ochsenknecht, Till Schweiger und Co. vorzustellen, die das Legalisierungsszenario in die deutschen Kinos bringt. Ich persönlich warte weiter auf einen würdigen Nachfolger von T.C. Boyle. 

Titelbild

Rainer Schmidt: Legal High. Roman.
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2016.
347 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783871341731

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