Die gallische Nostalgiefalle

Von Wieland Schwanebeck

Es wird wieder Zaubertrank ausgeschenkt! Nach der Übergabe des Staffelstabs aus den Händen von Asterix-Miterfinder Albert Uderzo in die von Didier Conrad und Jean-Yves Ferri wird im kleinen gallischen Dorf seit ein paar Jahren wieder zuverlässig Widerstand geleistet, das Wildschwein gejagt und der Barde gefesselt. Asterix (der eigentlich nie so ganz weg war) ist wieder da, mit neuen Comic-Heften, einem dem Zeitalter der Gentrifizierung abgelauschten Kinofilm (Asterix im Land der Götter, 2014) und auch mit Hörspielen. Karussell produziert eifrig neue Folgen seiner Reihe – bislang liegen die ersten 20 Bände sowie außerplanmäßig der letzte Band, Der Papyrus des Cäsar, als Hörspiele vor. An die vielfach geschmähten Werke der Solojahre von Albert Uderzo traut man sich bislang noch nicht heran, obwohl es auch da Glanzstücke gab, bevor Uderzo erst penetrant selbstreferentiell wurde und dann in einem beispiellosen Akt von Kulturchauvinismus die als Manga- und Disney-Klone gezeichneten Außerirdischen auf seine Gallier losließ.

Wer die seit den 1980er Jahren erschienenen Bände in der Hörspielfassung vermisst, wird auf Gebrauchtbörsen sowie auf YouTube fündig, wo nach wie vor die zwischen 1986 und 1992 von EUROPA produzierten Adaptionen der Bände 1 bis 29 herumgeistern. Diese kursierten damals selbstverständlich im griffigen Kassettenformat, und wer Asterix im Regal stehen hatte, dürfte ihn nicht selten in unmittelbarer Nachbarschaft zu Bibi Blocksberg und den Drei Fragezeichen untergebracht haben.

Nun ist es aber mit der Nostalgie so eine Sache: Früher war bekanntlich mehr Lametta, und Vergleiche dieser Art pflegen in den meisten Fällen zu Ungunsten der Gegenwart auszufallen. Besonders laut wird das Gemecker bei allem, was nach Neuaufguss schmeckt, weil es in Konkurrenz zu Vertrautem tritt. Es stimmt ja, dass die alten Asterix-Hörspiele ein charismatisches Ensemble aufboten: Hans Clarin als Asterix und Günter Pfitzmann als Obelix, Wolfgang Völz als aufgeblasener Chef Majestix – zumindest die Herren kamen beim Casting gut weg. Hört man sich allerdings anno 2016 ein paar Folgen am Stück an, packt einen nach einer Weile das kalte Grausen. Liegt es an der expressionistischen Klangmalerei, die viel zu viele lustige Dialoge mit ihrem geballten Ernst verkleistert? Liegt es daran, dass neben den Hauptrollen stimmlich ein paar Mal ordentlich danebengegriffen wurde, Julius Cäsar beispielsweise ab und an als Ulbricht-Verschnitt sächselt und Obelixʼ große Liebe Falbala über die plumpe Erotik einer sexualisierten Schlumpfine verfügt? Oder liegt es an der uninspirierten Tonkulisse, die komplett der Tonspur des zweiten Asterix-Films (Asterix und Kleopatra, 1968) entnommen wurde – mit dem Effekt, dass die Gallier auch beim gemütlichen Waldspaziergang klingen, als ob der kleine Muck noch schnell den Bus kriegen muss, und dass jede Keilerei exakt den gleichen Verlauf nimmt (selbst dann, wenn – wie in der unübertroffenen Prügelorgie Asterix bei den Belgiern – fünf Römerlager am Stück verdroschen werden)?

Im Fall der Asterix-Hörspiele sollte man ausnahmsweise die schöne Kindheitserinnerung unangetastet liegenlassen und zur Neufassung greifen. Sie ist ziemlich gelungen.

Ein Beitrag aus der Rubrik „Stiftung Jahrestest 2016“

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen