Totentanz und Schah-Kritik

Zur Entdeckung, Restaurierung und Annäherung an den 1961er-Spielfilm „Jeunesse perdue“ des Iraners Akramzadeh und an die Zweitfassung „Der Perser und die Schwedin“

Von Behrang SamsamiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Behrang Samsami

Die Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte dieses Films ist derart außergewöhnlich, dass sie an den Anfang dieser Kritik gehört: Ein Iraner, der sich Akramzadeh nennt, dreht 1960/61 in London, Stockholm und Nossebro einen Spielfilm, bei dem er darüber hinaus Drehbuch, Kamera und Schnitt verantwortet und die Hauptrolle übernimmt. Der Titel lautet „Jeunesse perdue“, zu Deutsch „Verlorene Jugend“, und ist eine schwedisch-britische Koproduktion. Sie kommt im selben Jahr in Schweden in die Kinos – ob auch in Großbritannien, ist unsicher –, ehe sie wie ihr iranischer Regisseur und Protagonist von der Bildfläche verschwindet.

Doch im Gegensatz zu Akramzadeh nicht für immer: 1964 kommt der in Schwarz-Weiß gedrehte Film in Dänemark, 1966 in der Bundesrepublik und wieder zwei Jahre später in Mexiko auf die Leinwand. Bevor er unter dem Titel „Der Perser und die Schwedin“ in Deutschland anläuft, wird er ordentlich umgekrempelt: Szenen werden teilweise komplett gestrichen und teilweise auch Bilder entfernt, um das Timing zu verbessern. Zuletzt wird der Film um mehrere Stripeinlagen ergänzt. Danach entschwinden beide Filmversionen im Nichts. Es bleiben – wahrscheinlich – nur zwei deutsche Filmkopien übrig, die vom Essigsyndrom befallen wurden, was zum unumkehrbaren Zerfall des Zelluloids führt.

Es ist deutschen Filmenthusiasten zu verdanken, dass seit 2016 eine DVD samt Blue-ray vorliegt, die sowohl die restaurierte deutsche Fassung von 1966 bereithält, als auch eine Annäherung an das Original von Akramzadeh von 1961. Durch Crowdfunding konnte genügend Geld gesammelt werden, um „Den Perser und die Schwedin“ zu konservieren und zu digitalisieren. Die Veröffentlichung musste, wie auf www.rettet-die-schwedin.de zu lesen ist, allerdings gestoppt werden, weil die Restaurateure unverhofft an den als weltweit verschollen geglaubten Originalton gelangten.

Eine Rekonstruktion der Originalschnittfassung war zwar nicht möglich, dank der Dialogliste jedoch konnten sämtliche Gespräche in die richtige Reihenfolge gebracht, Einstellungen ohne Dialog aber nur näherungsweise platziert werden. Auf der DVD heißt es auf einer Erklärtafel weiter: „Für einige Minuten der originalen Fassung fehlt es zwar an Bildmaterial, einige Bilder des eingefügten Materials sind sehr stark beschädigt und an einer Stelle musste ein kleiner künstlerischer Eingriff vorgenommen werden. Letztlich liegt im Ergebnis aber zumindest näherungsweise die um mehr als 20 Minuten abweichende internationale Originalfassung von ,Jeunesse perdue‘ vor.“ Damit bestehe zum ersten Mal seit mehr als 50 Jahren die Möglichkeit, den Film im Original genießen zu können.

Und „genießen“ ist das richtige Wort, denn der Originalfilm von 1961 lädt in mehrfacher Hinsicht zum Entdecken ein. Worum geht es? Der aus Iran stammende Mustafa, gespielt von Akramzadeh, studiert in London Medizin. Sollte er eigentlich. Doch statt Seminare zu besuchen und in seinem kargen Studierzimmer den Lehrstoff zu büffeln, wie es seine (wohl ebenfalls aus dem „Orient“ stammenden) Kommilitonen Pierre und Michael tun, genießt er das studentische Leben im London zu Beginn der 1960er-Jahre in vollen Zügen: Mustafa lässt keine Gelegenheit zum Feiern aus, trinkt und erobert eine junge Frau nach der anderen. Nicht selten hat er Affären, die gleichzeitig laufen. Er ist ein Angeber, einer, der die Arbeit scheut und die immer gleichen Bücher mit sich herumschleppt.

Auf einer Party, auf der Studenten und andere junge Leute einem spanischen Paar zuschauen, das zu Gitarrenklängen Flamenco tanzt, lernt Mustafa die aus Skandinavien stammende Bergitte kennen. Die blonde Frau erinnert vom Namen und Aussehen nicht zufällig an den französischen Filmstar Brigitte Bardot. Als Mustafa sie nach ihrer Bekanntschaft in einen iranischen Club mitnimmt, trifft er dort auf die jungenhafte, kurzhaarige Monica. Sie stammt aus Schweden und ähnelt ihrerseits stark Jean Seberg, die 1960 in Jean-Luc Godards Film „À bout de souffle“ eine Studentin spielt.

Dass Mustafa auf Monica trifft, ist kein Zufall. Monica und Bergitte wohnen zusammen und studieren an der Guildhall School of Music and Drama. Als Monica erfährt, dass Bergitte mit einem Iraner in einen Club gehen will, den Prinzen und Millionäre besuchen, ist ihre Neugierde für Bergittes Date geweckt, sind doch beide Frauen an „attraktiven und ungewöhnlichen Typen“ interessiert, wie sie einmal offenbaren. In der Folge entwickelt sich eine Art Menage à trois. Mit Monica verbringt der Iraner Abende im Amüsierviertel Soho, mit Bergitte fährt er ins Seebad von Brighton, wo er sich an den vielen jungen Frauen, die sich in ihren Bikinis sonnen, kaum satt sehen kann. So unsympathisch Mustafa durch seine Angeberei und die schlechte Behandlung der Frauen, wenn er keine Lust mehr auf sie hat, immer wieder erscheint – die anderen Figuren, auch die beiden Skandinavierinnen, sind ebenfalls kritisch zu betrachten, auf der Suche nach Abenteuern oder verbergen ein Geheimnis.

Die schöne, unbeschwerte Zeit scheint indes vorbei, als Mustafa beim Examen durchfällt und trotz Bitten von seiner Mutter kein Geld mehr für ein weiteres Semester in London erhält. Der Plan, mit Monica nach Paris zu reisen, platzt. Widerwillig entscheidet der erfolglose Student, sich von Monica zu trennen und in seine Heimat zurückzukehren, um sein Leben als Bankangestellter zu bestreiten. Da erhält er einen Brief von ihr mit der Nachricht, dass er Vater eines Jungen geworden sei, entwendet Geld in seiner Bank und reist mit vielen Geschenken in die britische Hauptstadt.

Stopp an dieser Stelle. Viel mehr soll von der Handlung nicht verraten werden. Aber was ist nun das Besondere daran? Kann es sich hier doch um eine Geschichte handeln, die damals wie heute passiert sein könnte. Oder nicht? Das Singuläre an „Jeunesse perdue“ zeigt sich an mehreren Umständen: Zunächst einmal zeigt der Film, wie international und freizügig London bereits Anfang der 1960er-Jahre gewesen ist.

In Akramzadehs Film treffen junge Menschen aus dem „Orient“ auf solche aus Großbritannien, Schweden, Indien und Afrika. Im Studentencafé tanzen besagte Spanier Flamenco, im iranischen Club führt eine junge Frau einen traditionell anmutenden indischen Tanz auf. Die Figuren des Films begegnen sich mit Neugierde und Aufgeschlossenheit. Bergitte ist an Mustafa interessiert und lässt sich von ihm etwa mit den traditionellen Speisen seiner Heimat bekannt machen. Das Amüsement der Großstadt lassen alle, ob Mann oder Frau, aus Ost oder West, Nord oder Süd, nicht aus. Der Film zeigt für jene Jahre erstaunlich offen die Lockerheit im Umgang miteinander. Es wird viel geküsst, eng miteinander getanzt, geschlafen, schnell aber auch der Partner gewechselt.

Die Kreise, in denen sich Mustafa und seine Kommilitonen tummeln, scheinen so tatsächlich existiert zu haben. Der Film – es soll betont werden – ist ein Werk von studierenden Dilettanten. Dilettanten aber in einem positiven Sinn, denn nach bisherigen Kenntnissen müssen wir davon ausgehen, dass es Akramzadehs einziges Werk ist. Auch die anderen Hauptdarsteller scheinen Anfang bis Mitte 20 gewesen zu sein und dem Freundes- und Bekanntenkreis des Iraners angehört zu haben. Einzig der Darsteller des Medizinstudenten Pierre, der Iraker Saadoun Al-Ubaydi bzw. al-Obeidi, hat als Akteur Karriere im arabischen Sprachraum gemacht, wie Recherchen ergeben.

Der Film ist auch deshalb so ungewöhnlich, weil ein Iraner ihn in jener Zeit geschaffen hat. Dieser hat interessanterweise ein Pseudonym gewählt. Über die Gründe können wir nur spekulieren. Nur so viel: „Akramzadeh“ heißt wörtlich Sohn des beziehungsweise der Akram, was ein arabischer Vorname ist (übersetzt: „der/die Großzügigere“). In der Türkei gilt Akram als Männer-, im Iran als Frauenname.

Der Iran kommt im Film übrigens immer wieder vor. Als Mustafa nach dem erfolglosen Examen entscheidet, heimzukehren, unterlässt er es nicht, ein letztes Mal mit Monica ans Ufer der Themse zu gehen, wo alte Kanonen aufgestellt sind. Ihnen folgt ein junger Mann in ärmlichen Kleidern, der auf einer Gitarre melancholische Weisen spielt, deren Melodien stark Persisch anmuten.

Auffällig ist zudem eine andere Stelle, in der Mustafa, zurück im Iran, die Frage eines Landsmanns beantwortet, weshalb er Monica nicht geheiratet habe, indem er eine Gegenfrage stellt. Zitiert werden hier die deutschen Untertitel: „Du hast ja keine Ahnung. Glaubst du, dass sie uns wirklich wollen? Glaubst du, dass sie unsere Gepflogenheiten akzeptieren und in unserem Land leben können? Als eine von uns? Nein, niemals.“ Warum nicht? „Weil sie zu hochmütig sind. Für sie leben wir hinter dem Mond. Unsere Zivilisation existiert nicht. Wir haben keine Kultur, außer dass wir auf Eseln reiten und auf Kamelen durch die Sahara ziehen.“ Dann spricht Mustafa über Iranerinnen: „Sind sie nicht hübsch, gebildet, treu? Was willst du mehr? Und sie respektieren uns. Sie tun alles, was wir wollen. Was verlangst du mehr? Wir müssen sie einfach akzeptieren.“

In der oberen Passage scheint Mustafa einerseits den westlichen Blick auf „Orientalen“ zu kritisieren, dem allerdings die Offenheit und Vorurteilslosigkeit der jungen Leute in London entgegensteht, mit denen er verkehrt. Anderseits zeigt der letzte Satz „Wir müssen sie einfach akzeptieren“ auch, dass er den Konventionen seines Landes verhaftet ist. Und zwar infolge des damals auch in wohlhabenden Kreisen Irans, zu denen Mustafa gehört, noch starken traditionellen Ehekonzepts.

Es folgen weitere Szenen, die einen Hinweis geben könnten, weshalb Akramzadeh nach dem Kinostart von „Jeneusse perdue“ von der Bildfläche verschwand. Als Mustafa einmal in der Londoner City auf Bergitte wartet, mit der er verabredet ist, um in den iranischen Club zu gehen, sieht man im Hintergrund, als sich beide umarmen und küssen, ein Plakat mit dem Bild des jungen, ordenbehangenen Mohammed Reza Pahlevi, der starr nach links blickt, wo Folgendes zu lesen ist: „Three Queens and I – by the Shah of Persia“. Für den Bruchteil einer Sekunde ist darunter zu erkennen, dass es sich um eine Reklame der Sonntagszeitung „News of the World“ handelt.

Doch was ist die Botschaft einer solchen Einblendung? Wollte der iranische Regisseur den Schah als Frauenheld würdigen, der Mustafa ähnelt? Als orientalischen Herrscher, der sich einen Harem hält, was durch eine Anspielung Mustafas gegenüber Bergitte möglich sein kann. Oder wollte Akramzadeh auf die Tatsache hinweisen, dass der Diktator erst drei Ehen eingehen musste, um einen männlichen Thronerben zu bekommen, der übrigens im Oktober 1960 geboren wurde und den Namen Cyrus Reza erhielt. Was auch immer die Intention dafür war: Bei den staatlichen Behörden Irans dürfte Akramzadeh mit seinem Spielfilm nicht auf Begeisterung gestoßen sein.

Genauso könnte auch die Passage, in der Mustafa und Bergitte im Hyde Park auf dem Speakerʼs Corner Rednern lauschen, die frei ihre Meinung sagen, dem Pahlewi-Regime nicht gefallen haben, das seine Gegner verfolgte und einsperrte. Aus dem Off heißt es:

Vegetarier, Atheisten, Freidenker, Katholiken, Protestanten, Juden, Sozialisten, Radikale, Kommunisten und Antikommunisten. Sie sagen der herumwandernden Menge, was auch immer sie sagen möchten. Sie geben hitzige Kommentare ab, haben immer ihre Argumente zur Hand und lassen sich gern auf Diskussionen ein. Hier gibt es Gelächter und da ein hitziges Wortgefecht. Aber man nimmt in der Hauptstadt dieses konservativen Landes kein Blatt vor den Mund, wo die Redefreiheit schon immer ein sorgfältig gehütetes Recht war. Man braucht keine Erlaubnis, um auf eine Seifenkiste zu springen und die Regierung, die Kirche oder irgendeine soziale Institution oder Idee zu verdammen.

Auch wenn die oberen Ausführungen Spekulation bleiben und der Iran-Bezug nur einen kleinen Teil des Films ausmacht – Akramzadeh ist mit „Jeunesse perdue“ ein kleines Meisterwerk und überzeugendes Dokument seiner Zeit gelungen, das lohnt, auch von einem größerem Publikum entdeckt zu werden. Es handelt sich – trotz einiger weniger Stellen, die einen schmunzeln lassen – um einen Film mit einem richtigen Spannungsbogen und verschiedenen Themen, die das Werk durchziehen: Das ausschweifende Leben junger Menschen, die Feier der modernen Großstadt mit ihrer Betriebsamkeit, die an Stummfilme der 1920er-Jahre, aber auch an die Nouvelle Vague erinnern. So wird wie in „À bout de souffle“ auch in „Jeunesse perdue“ gern mit Handkamera gedreht, was Authentizität und das Dabeisein des Zuschauers vermitteln soll. Sequenzen, in denen das Nachtleben zu sehen ist, werden teilweise übereinandergelegt. Die Schnitte erfolgen schnell. Der Bezug zur französischen (Film-)Kultur blitzt im Titel von Akramzadehs Films auf, aber auch, wie erwähnt, in Mustafas Wunsch, mit Monica nach Paris zu reisen, was jedoch an Geldmangel scheitert.

Das zentrale Thema neben der Schönheit der Jugendzeit ist die Vergänglichkeit des Lebens beziehungsweise die Allgegenwart des Todes, die von Anfang an im Film auftaucht. Entscheidend ist eine Passage zu Beginn: Mustafa und seine Kommilitonen Pierre und Michael gehen in den schwarz gehaltenen Club Macabre, der hält, was sein Name verspricht: Sie sitzen an niedrigen Tischen, die die Form von Grabplatten haben. Hinter den Gästen, auf Regalen an den schwarzen Wänden, stehen kleine und große Schädel. Die weitere Einrichtung ist genauso düster: An einer Wand hängt ein Skelett in einem aufrecht stehenden Sarg. An einer anderen Wand hängt ein großes Gemälde, das vieles vorwegnimmt. Es sind junge Frauen zu sehen, die von Männern umarmt, geküsst und geführt werden. Einige Männer spielen Geige oder Gitarre. Aber diese Männer sind allesamt Skelette.

Der Versuch, gegen den Tod zu leben, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Ist es das und die Tatsache, dass Mustafa am Schluss des Films einsieht, als Monica und er auf einer Silvesterfeier in ihrer Heimat Schweden sind, dass er Fehler über Fehler gemacht hat, als er sein Schicksal erleidet? Wie heißt es am Ende, nachdem der Iraner bei der Silvesterfeier seine Maske abgerissen hat und aufgelöst nach draußen in die verschneite Landschaft geeilt ist? „Beim Spiel mit dem Feuer winkt ein tragisches Ende.“

Die erzählerische Dichte des Films und der Reichtum der Anspielungen, wie er sich in „Jeunesse perdue“ findet – ein weiteres Beispiel ist Akramzadehs Spiel mit Kostümen und Maskierungen, die jeder Mensch auf seine Weise nutzt –, geht in der 1966 in der Bundesrepublik auf die Leinwand gebrachten Fassung fast völlig verloren. Die westdeutsche Firma, die 1962 die Kinorechte erwarb, entfernte ganze Szenen und Bilder, wie zu Beginn dieser Kritik beschrieben, und ließ im Winter 1965/66 darüber hinaus Strip-, Musik- und Tanzszenen drehen und in den Film einbauen, die die Handlung von „Der Perser und die Schwedin“, so der deutsche Titel, bis zu zehn Minuten unterbrechen.

Herausgekommen ist ein flacher Plot, der kaum mehr an das Original erinnert. Heute wirkt die deutsche Fassung im Gegenteil ungewollt skurril und verrät Einiges über die Sexualmoral in der Bundesrepublik der 1960er-Jahre. In der veränderten Fassung geht es Mustafa, aber auch den beiden Skandinavierinnen primär darum, mit dem anderen Geschlecht anzubandeln. Ein vorsichtiges Kennenlernen findet nicht mehr statt. Die Szenen, in denen es etwa um die Allmacht des Todes geht, fallen ebenfalls komplett heraus. Dagegen sind die übrigen Szenen jetzt so geschnitten, dass man den Eindruck gewinnt, Mustafa und Bergitte hätten gleich nach ihrem Kennenlernen miteinander geschlafen. Bergitte und Monica liefern sich hier ein richtiges Gefecht um den Iraner.

Das Geschehen wird zudem immer wieder von der moralisierenden Off-Stimme der deutschen Fassung scheinbar kritisch beäugt, was die Struktur westdeutscher Sexfilme der frühen 1970er-Jahre wie etwa dem „Schulmächen-Report“ vorwegnimmt. Ein Beispiel bieten die Bilder vom Nachtleben in Soho, in das Mustafa eintaucht: „Für ihn sind der Tag und die Vorlesungen ein leider notwendiges Übel. Die Nacht und ihre Verlockungen dagegen sind sein wirkliches Leben. Mädchen bedeuten für ihn alles. Sie sind für ihn die Erfüllung seines verworrenen Lebensbildes. Daneben gilt nichts. Wahllos und mit grenzenloser Unbekümmertheit jagt er ihnen nach und stürzt sich in zweifelhafte Abenteuer.“

Bigott und klischeehaft ist auch der westdeutsche Trailer, in dem es über die Studenten heißt: „Am Tag sitzen sie in den Hörsälen und Studierzimmern, aber nachts beginnt ihr wirkliches Leben. Und das heißt: Alkohol – Rauschgift – Orgien.“ Folgerichtig hört der deutsche Zuschauer ein Fazit, das ihm „pikante“ Entdeckungen verspricht, wenn er sich den Film ansieht: „,Der Perser und die Schwedinʻ – Ein Film, der nichts verschweigt und vieles zeigt, was noch nie gezeigt wurde.“

Damit spielt der Trailer auch mit den exotistischen Erwartungen der Deutschen, die beim Titel „Der Perser und die Schwedin“ zum einen die tradierten Vorstellungen vom wollüstigen Orientalen abrufen konnten. Zum anderen rekurriert der Titel auf die sogenannten Schwedenfilme der 1960er-Jahre, die westdeutschen Zuschauern eine freizügigere Darstellung von Sexualität erwarten ließ.

Letztlich handelt es sich bei „Jeunesse perdue“ und „Der Perser und die Schwedin“ um zwei Filme, die in unterschiedlichen Kontexten entstanden sind. Ob die deutsche Bearbeitung seines Films dem Iraner Akramzadeh gefallen hätte, wird wahrscheinlich nicht mehr zu beantworten sein. Dagegen soll nochmals der Gruppe der Filmenthusiasten gedankt werden, die mit der vorliegenden Ausgabe und speziell mit der Rekonstruktion von „Jeunesse perdue“ einen Kulturschatz gehoben haben, der besonders für Iraner interessant sein könnte. Audiokommentare zu beiden Werken, ein 36-seitiges Booklet mit Hintergrundinformationen und weiteres Bonusmaterial runden die Veröffentlichung ab.

Der Perser und die Schwedin
Originaltitel: Jeunesse Perdue
Schweden 1961
Regie: Akramzadeh
Drehbuch: Akramzadeh
Darsteller: Akramzadeh, Anna Longlands, Saadoun Al-Ubaydi, Bergitte Leonard
Forgotten Film Entertainment. DVD & Blue-ray
EAN: 4260442390053
Euro 34,99.

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