Von der „Ed Sullivan Show“ zu „Vinyl“

Herausgeber Paul Condon lässt seine AutorInnen „1001 TV-Serien und Shows“ empfehlen

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

1001 TV-Serien und Shows, die Sie sehen sollten, bevor das Leben vorbei ist – natürlich ist der Titel des fast ebenso viele Seiten umfassenden Nachschlagewerks nicht wörtlich zu nehmen. Das werden sicher alle wissen, bevor sie es auch nur aufschlagen. Herausgeber Paul Condon will allerdings auf Nummer sicher gehen. Nachdem er sich in der Einleitung bei den Lesenden zunächst einmal brav dafür bedankt, dass sie „mehr über die wunderbare Welt des Fernsehens erfahren wollen“, klärt er sie sogleich darüber auf, dass es sich bei dem vorliegenden Werk nicht um eine „Abhakliste“ handelt. Wer hätte das gedacht! Der Einleitung vorangestellt ist noch ein Vorwort von Steve Moffat, das recht persönlich gehalten und natürlich voll des Lobes für den vorliegenden Band ist.

Seine Einträge zu den TV-Erzeugnissen überwiegend amerikanischer oder englischer Provenienz sind nicht alphabetisch angeordnet, sondern (von der „Ed Sullivan Show“ bis zu „Vinyl“) chronologisch auf sieben Kapitel verteilt, die – abgesehen von dem ersten und dem letzten – jeweils ein Jahrzehnt abdecken. Daher ist es umso hilfreicher, dass ihnen ein alphabetisierter Titelindex vorangestellt wurde. Sofern die Serien und Shows im deutschen Fernsehen zu sehen waren, bedient er sich der Titel, unter denen sie hierzulande liefen, andernfalls der Originaltitel. Ein weiterer Index am Ende des Buches sortiert die Serien und Shows nach Genres, wie etwa „Comedy“, „Krimi“, „Unterhaltung“ oder – merkwürdigerweise zusammengefasst „Fantasy / Horror / Sci-Fi“. Der Serie Carlos – Der Schakal wird die besondere Ehre zuteil, eine ganze Rubrik, die des Genres „Biographie“, für sich alleine zu haben. Ein anderes Genre wurde hingegen überhaupt nicht erst aufgenommen: das der Comic- beziehungsweise der SuperheldInnen. Mit ihm vermisst man etwa die viel zu schnell abgesetzte Serie Birds of Prey, während sich auf die ebenfalls kurzlebige Serie Painkiller Jane tatsächlich gut verzichten lässt. Schmerzlich ist hingegen die Absenz der Kinder- und Jugendserien. So müssen ältere Menschen etwa Rin Tin Tin, die in den 1950er- und frühen 60er-Jahren bei allen Kindern so beliebten Serien Fury, Lassie und Flipper und auch Corky und der Cirkus mit dem später der US-amerikanischen Beatles-Konkurrenz The Monkees angehörenden Kinderschauspieler Micky Dolenz in der Titelrolle vermissen. Ebenso die zum Bedauern auch von Erwachsenen nur über zwei Staffeln laufende Serie Catweazle. Jüngere Serien-Fans wiederum müssen auf Hannah Montana verzichten, was allerdings wohl gar kein Verlust ist. Und natürlich glänzt auch die sonst notorische Sesamstraße durch Abwesenheit. Doch nicht nur Kinder und Jugendliche werden schlecht bedient. Auch ausgewachsene Fans anderer Genres werden ihre Lieblingsserie womöglich missen. Im Genre Science-Fiction etwa hält man vergeblich nach Sam Raimis Cleopatra 2525 Ausschau. Und wäre das Genre des Politdramas aufgeführt, würde man in ihm erfolglos die bereits nach einer Staffel abgesetzte Serie Welcome, Mrs. President (so der Titel, unter dem die Serie Commander in Chief hierzulande lief) mit der wunderbaren Geena Davies als erster amerikanischer Präsidentin suchen. So aber muss man die Absenz von Genre und Serie beklagen.

Die meist eine halbe oder eine ganze Seite umfassenden Einträge zu den Serien, die es in den Band geschafft haben, gleichen einander formal. Zunächst werden sie in einem Ein- oder Zweizeiler kurz charakterisiert. Berlin Alexanderplatz etwa als „erschütternde Literaturverfilmung von Rainer Werner Fassbinder“, M*A*S*H als „bahnbrechende Komödie, die dreimal so lang im Fernsehen lief, wie der Krieg dauerte, in dem sie spielt“, über die Serie Mad Man erfährt man, dass sie von der „dunklen Seite der Werbebrache im New York der 1960ern“ handle und über Heinz Schenks Zum blauen Bock heißt es, er habe „die wöchentliche Dosis Volksmusik, Geplauder und Heimatgefühl für das deutsche Publikum“ geboten.

Sodann folgen drei, vier oder fünf Kopfzeilen, die das Genre benennen, das Herkunftsland, den Zeitraum der Erstausstrahlung, die HauptdarstellerInnen sowie gegebenenfalls die Preise, mit denen die jeweilige Serie ausgezeichnet wurde. Gelegentlich schließen die Kopfzeilen mit der Rubrik „Für Fans von…“, in der Empfehlungen für ein oder zwei tatsächlich oft recht passende Serien ausgesprochen werden. Im Falle von  Xena Die Kriegerprinzessin sind es etwa Buffy – Im Bann der Dämonen und Dark Angel. Dass aber im Eintrag zu Veronica Mars – neben wiederum Buffy – die Serie Gossip Girls empfohlen wird, befremdet doch.

Da der kleine Raum, den die AutorInnen pro Serie zugestanden bekamen, oftmals noch zur Hälfte von einem Filmstil eingenommen wird, fallen die weiteren Informationen und Bewertungen ausgesprochen dürftig aus. Zudem sind sie qualitativ sehr unterschiedlich, scheint es doch völlig ins Belieben der jeweiligen AutorInnen gestellt zu sein, womit sie die wenigen Zeilen füllen. Beschlossen werden die Einträge oft mit einem kurzen und zumeist nur wenig sinnvollen Hinweis, welche Episode besonders sehenswert sei. Der frühere TV-Kritiker des Financial Time Magazin George Lewis etwa hält die fünfte Folge der fünften Staffel der sogenannten Doku-Soap Keeping up with the Kardeshians für besonders sehenswert, weil „Kim ihre Falten los werden will, sich aber kurz nach der Botox-Injektion ihre Augen dunkelrot verfärben, Kris beim Rauchen erwischt wird und Kourtney versucht, sie davon abzubringen“. Das mag genügen, um sich ein Bild mancher der Empfehlungen zu machen. Die meisten Haupttexte der Einträge halten dieses Niveau ohne größere Anstrengung. Über die Western-Serie Bonanza erfährt man neben einigen grundlegenden Fakten, welche die Einträge stets bieten, etwa, den „Zuschauern“ sei aufgefallen, „dass keiner der Söhne über längere Zeit eine Freundin hatte und die Hauptfiguren immer die gleiche Kleidung trugen“. Außerdem weist der Autor des Eintrags Arnold T. Blumberg auf die „innovative Erzähltechnik“ und das „ewig gleiche Schema“ hin.

Sicher können Serien-Fans an dem Buch Gefallen finden, der informative Gebrauchswert fällt hingegen eher dürftig aus.

Titelbild

Paul Condon (Hg.): 1001 TV-Serien und Shows, die Sie sehen sollten, bevor das Leben vorbei ist.
Mit einem Vorwort von Steven Moffat.
Übersetzt aus dem Englischen von Stefanie Kuballa-Cottone.
Edition Olms, Oetwil am See 2016.
960 Seiten, 29,95 EUR.
ISBN-13: 9783283012519

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