Ein Boxer in Cambridge

Takis Würger geht mit seinem Debütroman „Der Club“ aufs Ganze

Von Helmut SturmRSS-Newsfeed neuer Artikel von Helmut Sturm

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Verkaufszahlen belegen es, Takis Würger ist mit seinem Romandebüt Der Club ein Stück Literatur gelungen, das sich blendend verkauft. Die Schauplätze sind Niedersachsen, der Bayrische Wald und Cambridge. In letzterem hat der unter anderem mit dem Deutschen Reporterpreis ausgezeichnete Autor Ideengeschichte studiert und als Schwergewicht für den University Amateur Boxing Club gekämpft.

Würgers Roman ist nicht umfangreich. Auf 240 Seiten im Taschenbuchformat erzählen sieben Stimmen eine Detektivgeschichte. Strukturell eine ideale Nachtkästchenlektüre gehört das Buch auch sprachlich eher zur leichteren Kost. In der Kritik wird hin und wieder Würgers handwerkliches Können hervorgehoben. Dazu gehört heutzutage wohl auch, nicht zu komplex zu erzählen und sprachlich den eher einfallsloseren Weg zu gehen. Das führt dann mitunter zu Sätzen wie: „Ihre weißen Regale sahen aus wie von Ikea“.

Im Mittelpunkt des Romans steht Hans, der früh Waise wird, ein Jesuiteninternat besucht, wo er Boxen lernt und schließlich von seiner Tante Alex nach Cambridge geholt wird, um für sie einen Kriminalfall zu lösen. Die Kunsthistorikerin Alex, die meint, nicht Würde, sondern Rache unterscheide den Menschen vom Pavian, sorgt dafür, dass Hans in die elitäre Welt des Pitt Club aufgenommen wird, damit dieser dort seine Ermittlungen führen kann. Sein „Auftrag ist es, herauszufinden, was die Boxer der Universität dort machen“. Man erfährt so durchaus Interessantes über die Eigenheit der Boxer, ihr Training, die Kämpfe, ihre Beziehungen und ihren gesellschaftlichen Ort. Bei Amazon hat es Der Club übrigens in den Kategorien „Kampfsport“ und „Boxen“ jeweils zur Nummer 1 geschafft.

Vermutlich gibt es wenige Bücher, die auf so knappen Raum so viele (mehr oder weniger) aktuelle Problemstellungen anschneiden. Es beginnt mit der Frage der Theodizee im Zusammenhang mit dem frühen Tod der Eltern und geht weiter mit den Problemen im Internat sowie der Identitätssuche. Die Frage nach der Wahrheit wird mit einem Picasso-Zitat auf Seite 37 eingeführt und mit dem letzten Satz des Romans – „Es ist alles wahr.“ – vermutlich doch nicht endgültig beantwortet. Darüber hinaus geht es um gesellschaftliche Phänomene wie das Leben der englischen Oberschicht, Unterschiede zwischen Alt- und Neureichen, Partys und Clubs in Cambridge. Nicht zu vergessen die Sache mit dem Sexismus, der Globalisierung (hier verkörpert durch den Chinesen Peter Wong) und dem „absolut absurden Beruf“ der Banker. In gewisser Weise wird dieser Roman so zu einem Omnibus gängiger Diskurse, die dabei freilich nur häppchenweise angesprochen werden – recht viel daraus lernen lässt dabei nicht. Beim Lesen fühlt man sich manchmal wie bei Zappen durch das TV-Programm, freilich kann man dabei nicht länger verweilen, wo es für einen spannend wird. Etwas mehr epischen Atem, etwas mehr Zumutung an die Ausdauer der Leser wünscht man dem Autor, das hätte das Buch anspruchsvoller gemacht.

Würger weiß auch, dass Intertextualität und Intermedialität heute zum Erzählen gehören. Es gibt in Der Club Anspielungen zum Beispiel auf Karl Marx und Immanuel Kant, auf Richard Wagner und Herbert Grönemeyer und vor allem auf die Bilder von Pablo Picasso, Francisco de Goya und Rembrandt van Rijn. Das Buch ist tatsächlich raffiniert gemacht, solide konstruiert, ein richtiger Bestseller. Es kann Leserinnen und Leser gut unterhalten, bietet dabei aber wenig an Tiefe – mit einer Ausnahme: Die das Boxen betreffenden Abschnitte sind großartig.

Titelbild

Takis Würger: Der Club. Roman.
Kein & Aber Verlag, Zürich 2017.
238 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783036957531

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