Geruchlose Poesie

Ilija Trojanow enttäuscht mit englischsprachigen Gedichten

Von Stefan HöppnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Höppner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Autoren, die in zwei Sprachen kompetent schreiben können, sind selten, aber es gibt sie. Libuše Moníková war so ein Beispiel, Samuel Beckett, Milan Kundera, Yvan Goll, Erika und Klaus Mann. Nur wenige gelangen dabei zu solcher Meisterschaft wie Vladimir Nabokov, der sowohl auf Russisch wie auf Englisch zu den größten Autoren des 20. Jahrhunderts gehörte. Auch der 1965 geborene Ilija Trojanow schreibt nun in einer zweiten Sprache und legt seinen ersten Gedichtband vor – auf Englisch.

Verwurzelt in Stein ist ein sympathischer Versuch, und er passt zum überzeugten Kosmopoliten Trojanow, der in Bulgarien geboren, in Nairobi aufgewachsen und als Autor zu den zentralen Figuren der deutschen Gegenwartsliteratur geworden ist, namentlich mit dem Bestseller Der Weltensammler (2006). Gemeinsam mit Juli Zeh legte er 2009 Angriff auf die Freiheit vor, eines der wichtigsten Bücher gegen die digitale Überwachung. Sein Protest wider die Aktivitäten der NSA brachte ihm gar ein Einreiseverbot in die USA ein. Dass Trojanow, der auch literarisch gern immer wieder Neuland betritt, Lyrik in einer zweiten Sprache verfasst, ist prinzipiell nur zu begrüßen.

Leider ist das Experiment gründlich misslungen. Thematisch bleibt sich Trojanow zwar treu, wenn er seine Reisen durch Jaipur, die Tempel von Angkor Wat und die kambodschanischen Killing Fields in poetische Bilder zu übertragen sucht. Doch kommt dabei im Extremfall eine Sprache heraus, die vieles ist, aber kein idiomatisches Englisch. Manches ist komplett sinnfrei: „After the surrender of evolution,/ the temples feature categories“. Oder: „Fear makes big cubes”. Oder: „Was he launched on/ a mosaic sealed by/ eruption?” Fast erwartet man da noch die Zeile „My hovercraft is full of eels”, aber wenigstens die bleibt uns erspart. Nicht alles geht so extrem daneben, doch auch im besten Fall sind Trojanows Gedichte die eines Nicht-Muttersprachlers, der schreibt, als hätte er ein Wörterbuch daneben liegen. Keine eigene Stimme, kein origineller Sound, sondern allenfalls geruchlose Poesie, farblose Elaborate. Was nicht für die Übersetzungen gilt – José F. A. Oliver, der den Großteil der Gedichte übertragen hat, verbessert sie teilweise sogar und verleiht ihnen bisweilen eine Eleganz, die den Originalen abgeht. Zuweilen gibt es auch mehrfache Übersetzungen ein und desselben Gedichtes, die außer von Oliver von Susanne Urban und Fabian Haffner stammen. Wenn die drei für den Opener „Ode to Another Whale“, das wohl beste Gedicht des Bandes, alternative Versionen liefern, ahnt man etwas vom Reiz und den Herausforderungen, ein Poem von einer Sprache in die andere zu übersetzen.

Aber ob Trojanows Publikum überhaupt merkt, was ihm da geboten wird? Verwurzelt in Stein richtet sich nämlich gar nicht an englischsprachige LeserInnen: Der Titel ist deutsch, das Buch erscheint in einem kleinen Heidelberger Verlag, selbst der Klappentext bietet statt einem Original Olivers Übersetzung. Ob die Mehrheit da so genau mitliest, was auf den linken Buchseiten steht? Trojanow und dem Indie-Unternehmen Wunderhorn ist jeder Erfolg zu gönnen, aber vielleicht sollten sie es im zweiten Anlauf mit einem deutschen Gedichtband probieren. Auf den Versuch käme es an!

PS: Die Zeile „My hovercraft is full of eels“ ist dem „Ungarischen-Wörterbuch-Sketch“ von Monty Python entnommen.

Titelbild

Ilija Trojanow: verwurzelt in stein. Gedichte.
Englisch/Deutsch.
Übersetzt aus dem Englischen von Susanne Urban, Fabjan Haffner und José F. A. Oliver.
Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 2017.
56 Seiten, 17,80 EUR.
ISBN-13: 9783884235751

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