VG WORT – und kein Ende

Zu den komplexen Rechtsverhältnissen zwischen Autoren und Verlegern und der Verwertungsgesellschaft WORT

Von Albrecht Götz von OlenhusenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Albrecht Götz von Olenhusen

Er gehört zu den bedeutendsten und folgenreichsten Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet des Urheberrechts seit dem Beginn des letzten Jahrhunderts: der Streit um die von der VG Wort, aber auch von der GEMA und VG Bild-Kunst praktizierte Beteiligung der Verleger am Aufkommen der Urheber für gesetzliche Vergütungsansprüche.

Ihn strukturiert und einigermaßen verständlich zusammenzufassen und den gegenwärtigen Stand zu beschreiben, ist – de lege lata oder de lege ferenda – fast unmöglich. Noch ist vieles ungeklärt und die diversen Interessen sind nach wie vor höchst uneinig, ohne Konsens auch vor Gericht, oder mit  hohen finanziellen Folgen belastet. Die kleinen Verlage sehen sich benachteiligt, weil sie durch Ausschüttungen, die ohne ihre Kenntnis unberechtigt waren, jetzt in Schieflage geraten. Die Verlage müssen zurückzahlen, wollen das aber auch nicht, die verlegererischen Kräfte streben für die Zukunft nach einer Regelung, welche die Vergangenheit für sie erträglich und für die Zukunft wieder einträglich gestaltet. Die Sach- und Rechtslage ist komplex. Wie war die Entwicklung?

Der Prozess Martin Vogel vs. VG WORT

Der renommierte Urheberrechtsexperte Martin Vogel, selbst lange Jahre Bundespatentrichter, dann in den Beschwerdekammern des Europäischen Patentamtes tätig, dann Mitglied der Großen Beschwerdekammer desselben, Mitverfasser großer Kommentare zum UrhG, Mitverfasser des Professorenentwurfs zur Urheberrechtsreform von 2002, hatte Ende 2011 nach jahrelangen vergeblichen Hinweisen, die von ihm und anderen erfolgt waren, auf die rechtswidrige Verteilung der VG Wort, endlich Klage erhoben, ja erheben müssen. Er machte unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des BVerfG und des BGH geltend, die Verleger hätten der VG Wort keine Rechte abtreten dürfen, so dass sie nach Treuhandgrundsätzen auch nichts bekommen könnten. Außerdem berief er sich auf den 2002 in Kraft getretenen § 63a UrhG, der bestimmte, dass Urheber ihre gesetzlichen Vergütungsansprüche im Voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft abtreten könnten, also nicht an Verleger. Es ging dabei um jährlich ca. 30 Mio. EUR. Eine höchst beträchtliche Summe. Und um grundsätzliche Fragen des Verhältnisses der Urheber und Verleger zu Verwertungsgesellschaften und deren Praxis bei der Verteilung der eingehenden Gelder. Und, wie es sich versteht, auch um die Praxis der Verantwortlichen bei Verwertungsgesellschaften, die bekanntlich ebenfalls ansehnliche Vergütungen erhalten.

Die VG Wort hielt gegen die Klage und behauptete, auch Verleger hätten ihr Rechte an gesetzlichen Vergütungsansprüchen übertragen, die ihnen die Urheber abgetreten hätten. Deshalb sei es gerechtfertigt, das Aufkommen zwischen beiden zu teilen, schon um den durch die Überprüfung entstehenden Verwaltungsaufwand, wer hier Rechte abgetreten habe, in Grenzen zu halten.

Die Auffassungen beider Seiten im Prozess lassen sich in gebotener Kürze hier nicht darstellen. Wer sich für die Details interessiert, sei auf die Begründungen des BGH-Urteils von 2016 verwiesen, das allenthalten abgedruckt und im Internet verfügbar ist. Man muss es freilich auch manchmal mit Hilfe eines geeigneten Dolmetschers aus der juristischen Sprache ins Deutsche übersetzen.

Bereits das LG München I gab der Klage statt. Die Verteilung sei willkürlich und damit rechtswidrig. In der Berufungsinstanz ergab sich dann auf Vortrag von Kläger Martin Vogel Überraschendes. Hatte er noch in der ersten Instanz der Behauptung der VG Wort Glauben geschenkt, Verleger würden ihr Rechte übertragen, musste man nun feststellen, dass Verleger der VG Wort überhaupt keine Rechte übertragen hatten, schon weil sie überhaupt keine Rechte einbringen mussten, um mit bis zu 50°% am Aufkommen der VG Wort beteiligt zu werden. Sie hätten im Übrigen bei der VG Wort auch gar keine Rechte einbringen können, die sie von Urhebern erworben hätten. Schriftliche Verlagsverträge sahen eine solche Abtretung gesetzlicher Vergütungsansprüche nicht vor, mündliche Verlagsverträge schon gar nicht. Abgesehen davon hätten schriftliche Abtretungen zulasten der Urheber als der schwächeren Vertragspartei gegen das Gesetz über Allgemeine Geschäftsbedingungen verstoßen. So standen sich die rechtlichen Ansichten weiterhin konträr gegenüber.

Die VG Wort blieb bei ihrer tatsächlich und rechtlich unhaltbaren Rechtsposition. Diese wurde in drei Instanzen nicht akzeptiert. Sie hat also ihre Urheber, denen sie zur treuhänderischen Wahrnehmung ihrer Rechte verpflichtet ist, schlicht nachhaltig über Jahre hinweg benachteiligt.

Das OLG München bestätigte das erstinstanzliche Urteil. Die Revision der VG Wort wies der BGH mit Urteil vom 21.4.2016 zurück, nachdem er den Rechtsstreit infolge eines Vorlageverfahrens des EuGH wegen einer vorgreiflichen unionsrechtlichen Frage ausgesetzt hatte. Der EuGH hatte entschieden, dass Verlegern nach Unionsrecht – ebenso wie dies nach dem nationalem deutschen Recht der Fall ist – originäre gesetzliche Vergütungsansprüche nicht zustehen. Auch abgeleitete Rechte konnten Verleger im Voraus nicht erworben haben. Im Übrigen folgte der BGH keinem der Argumente der VG Wort.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs von 2016

In einem obiter dictum machte er den Verlegern und der VG Wort obendrein wenig Hoffnung. Eine Abtretung der Vergütungsansprüche an einem veröffentlichten Werk hielt er zwar für zulässig. Darum ging es in dem Rechtsstreit „Verlegeranteil“ jedoch nicht. Außerdem wirft diese Auffassung des BGH die Frage auf, ob seine Rechtsauffassung mit der Luksan-Entscheidung des EuGH im Einklang steht. Dort hatte der Europäische Gerichtshof bereits 2012 zum Schutz der Urheber entschieden, dass die gesetzliche Vergütung für erlaubnisfreie Werknutzungen unbedingt beim Urheber ankommen muss. Das heißt nichts anderes, als dass der Urheber die ihm zustehende Vergütung „auf die Hand“ bekommen muss. Erst wenn das der Fall gewesen ist, kann er seinen Verleger ggf. an seiner Vergütung beteiligen.

Damit ist die Sache noch nicht zu Ende. In der Revisionsinstanz ist noch schnell der C.H.Beck-Verlag dem Rechtsstreit auf Seiten der VG Wort beigetreten, offensichtlich um gegen eine ihm nachteilige Entscheidung des BGH Verfassungsbeschwerde einzulegen. Die VG Wort hätte das nicht gekonnt. Das Bundesverfassungsgericht hat über diese Beschwerde des Verlages noch nicht entschieden.

Die Sache ist aber auch aus einem anderen Grund noch immer nicht zu Ende. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH darf eine Verwertungsgesellschaft nur dann ausschütten, wenn sie sicher ist, dass der Ausschüttungsempfänger ihr die dem Ausschüttungsbetrag entsprechenden Rechte übertragen hat. Bestehen daran Zweifel, weil ein anderer diesen Vergütungsanspruch ganz oder zum Teil für sich beansprucht, darf die Verwertungsgesellschaft überhaupt nicht ausschütten, sondern muss insoweit ihre Erlöse zurückstellen, bis die Berechtigung zweifelsfrei festgestellt ist. Selbst eine Auszahlung unter Rückforderungsvorbehalt ist danach ausgeschlossen, weil die Verwertungsgesellschaft in derartigen Fällen nicht sicher sein kann, das dem tatsächlich Berechtigten zustehende Geld in vollem Umfang zurückzuerhalten.

Die VG Wort hat gleichwohl ausgezahlt an die Verleger, obwohl sie mit dem Treuhand- und Urheberrecht bestens vertraut ist. Schließlich sind in ihrem Vorstand und Verwaltungsrat zahlreiche hochkarätige Urheberrechtler vertreten. Entgegen der Rechtsprechung des BGH hat der Vorstand der VG Wort mit der Billigung ihres Verwaltungsrats seit Beginn des Rechtsstreits mit Martin Vogel weiterhin an Verleger, allerdings unter Rückforderungsvorbehalt, ausgeschüttet, insgesamt über 85 Mio. EUR, die sie hoffte, nach dem verlorenen Rechtsstreit zurückzuerhalten. Zu diesen Vorbehaltsausschüttungen sah die VG Wort sich durch ein Rechtsgutachten befugt. Außerdem hat das Deutsche Patent- und Markenamt als staatliche Aufsichtsbehörde die VG Wort wohl in diesem Vorgehen bestärkt. Das Rechtsgutachten kennen die Mitglieder der VG WORT bisher nicht, soviel wir wissen. Dass die Aufsicht über die VG WORT und die VGen nicht so funktioniert, wie das rechtens wäre und im Interesse von Autoren, wurde schon seit langem kritisiert, auch von Autoren und Rechtskundigen, welche keineswegs sich gegen die Existenz von Verwertungsgesellschaften positionierten, sondern einige Kritikpunkte hervorheben wie bestimmte Aspekte von Verteilung, Verteilungspläne, Kostenaufwand und z.T. steigende Kosten, die bei Anwendung von EDV eigentlich bei steigenden Einnahmen degressiv sich entwickeln müssten.

Die Nachzahlungen an die Autoren

Doch damit nicht genug: Mit der Rechtskraft des BGH-Urteils „Verlegerbeteiligung“ hätte die VG Wort den Urhebern sofort die ihnen zumindest seit 2012 zustehenden Nachzahlungen sofort leisten müssen. Das hat sie bis heute nur zum Teil getan. Denn sie hatte das Geld an die Verleger ausgeschüttet. Sie hat die Nachzahlungen hinausgezögert und erst nach knapp einem Jahr die Verleger zur Rückzahlung aufgefordert. Zusätzlich hat sie im Verein mit den Verlegern ein sog. Verzichtsmodell entwickelt in der Hoffnung, dass die Verleger ihre Urheber zum Verzicht auf die ihnen zustehenden Nachvergütungen bewegen könnten. Das ist nur zu einem geringen Teil geschehen. Es ist auch nicht einsichtig, dass ausgerechnet die benachteiligten Autoren auf ihre Ansprüche verzichten sollen.

Die viel beschworene Symbiose von Urhebern und Verlegern in Verwertungsgesellschaften, die freilich nur funktionierte, wenn den Urhebern zugunsten ihrer Verleger finanzielle Zugeständnisse abverlangt wurden, hat diesmal keine Bestätigung erfahren. Nur etwa 5°% der Urheber haben auf ca. 5 Mio. EUR der ihnen zustehenden Nachzahlungen verzichtet. Selbst der Deutsche Journalisten-Verband und ver.di, einschließlich ihrer Untergruppen, haben dabei ihren Mitgliedern nicht zu einem Verzicht geraten.

Die VG Wort versucht nun, den Folgen auch dadurch zu entkommen, dass sie zu Stundungen auffordert. Wer darauf eingeht, läuft freilich Gefahr, dass die Einrede der Verjährung z.T. nicht mehr greifen würde. Wer sich auf Verhandlungen mit der VG Wort einlässt, könnte Gefahr laufen, dass die Verjährung gehemmt würde. Autoren, die von der VG Wort bisher kein Geld erhalten haben, können diese Beträge per Auskunftsklage und Zahlungsklage gegen die VG Wort geltend machen. Manche kleinere Verlage sind in der Situation, dass sie einerseits beträchtliche Summen zurückzahlen sollen, die Verleger anderseits selbst als Autoren von der VG Wort seit langem Geld zu erhalten haben. Alles in allem ist die Lage zuweilen sehr vertrackt, so dass eine rechtliche Beratung und Vertretung oftmals unvermeidlich ist. Wir können in diesem Beitrag – sine obligo – nur eine ungefähre und vorläufige subjektive Einschätzung geben.

Die Zahlungen der Verlage an die VG Wort

Von den Verlagen sind zusätzlich ca. 30 Mio EUR an die VG Wort zurückgeflossen. Damit sind immer noch ca. 50 Mio EUR offen. Wie will die VG Wort diese Lücke schließen? Verwertungsgesellschaften haben die treuhänderische Pflicht, ihre Erlöse periodengerecht (regelmäßig in jedem Geschäftsjahr) an ihre Berechtigten auszuschütten. Das heißt nach der Rechtsprechung des BGH, dass der Berechtigte von seiner Verwertungsgesellschaft aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Wahrnehmungsvertrags verlangen kann, mit einem Anteil an ihren Einnahmen beteiligt zu werden, der den Erlösen entspricht, die sie durch die Auswertung seiner Rechte erzielt hat. Die Autoren haben also immer noch nicht die Erfüllung ihrer Ansprüche vollauf erleben dürfen.

Diesen Grundsatz der Beteiligung der Autoren hat die VG Wort jedoch im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit „Verlegerbeteiligung“ und den erfolgten Ausschüttungen unter Vorbehalt nicht geachtet. Denn sie hat, ohne ihre Mitglieder ausreichend zu informieren, Rückstellungen gebildet. Man fragt sich natürlich: Wovon? Ist eine Verwertungsgesellschaft doch zur Ausschüttung des jährlich Erlangten an die Berechtigten verpflichtet. Die VG Wort ist jedoch hergegangen und hat Nachzahlungen der Industrie als Schuldner der gesetzlichen Vergütungen zumindest in Höhe von mehr als 60 Mio. EUR nicht an die Berechtigten der Zeiträume, für die die Nachzahlungen erfolgten, ausgeschüttet, sondern für den Fall des Unterliegens im Prozess zurückgestellt, um die Nachzahlungen der seit 2012 Berechtigten leisten zu können. Außerdem hat sie in den Jahren 2012 bis 2015 5°% ihres Gesamtaufkommens zurückgestellt. Soweit wir das überprüfen können. Diese Feststellungen müssen wir also mangels hinreichender Aufklärungsmöglichkeiten auch mit einem gewissen Vorbehalt wiedergeben.

Rückstellungen

Für Rückstellungen von insgesamt 109 Mio EUR gibt es meiner Ansicht keine Rechtfertigung. Die zurückgestellten Erlöse stehen ausnahmslos denjenigen Urhebern zu, die in den Perioden berechtigt waren, für die die VG Wort die zurückgestellten Beträge erhalten hat. Sie darf nicht mit Geldern, die nach ihrem Verteilungsplan den einen Urhebern zustehen, ganz andere Urheber entschädigen wollen, denen sie ihre vollständige Vergütung zugunsten der Verleger verkürzt hat. Wie das insgesamt rechtlich zu bewerten ist, muss man den zuständigen Instanzen überlassen. Es ist hier somit nicht zu entscheiden, wie das rechtlich zu bewerten und zu lösen ist. Erschwerend kommt hinzu, dass die Aufsichtsbehörde sich vorbehalten hatte, sämtliche Rückstellungen zu genehmigen. Was wohl noch nicht der Fall sein dürfte, aber auch das ist dem Verf. bisher nicht bekannt.

„Wer ein Gesetz umgeht…“?

Wenn es zutrifft, wie viele Kritiker meinen, dass die VG WORT die Vorschriften zulasten der Urheber und zugunsten von Nichtberechtigten, durch Zahlungen an diese, einfach nicht beachtet, also, wie der Fachausdruck lauten könnte, umgangen hat, dann könnte der hehre Satz des altehrwürdigen Prof. Ernst v. Caemmerer gelten, der als Spezialist und Autorität auf dem Gebiet der ungerechtfertigten Bereicherung und des Schuldrechts in seiner Vorlesung erklärte: „Wer ein Gesetz umgeht, umgeht es nicht !“

Wie kommt der Urheber zu seinem Geld?

Nun stellt sich die Frage, wie die Urheber, die die VG Wort über ihr Vorgehen über Jahre hinweg  nicht unzureichend informiert hat, zu ihrem Geld kommen sollen. Es ist zu befürchten, dass die Regierung zusammen mit der VG Wort auf eine unionsrechtliche Gesetzesänderung zulasten der Urheber setzt, nach der Verleger am Aufkommen der Urheber zu beteiligen sind. Dann könnte die VG Wort solange nicht an Verleger ausschütten, bis deren Restschuld getilgt ist. Die Urheber haben also nicht nur zuzuwarten, bis sie zu ihrem Geld kommen, sondern auch den Verwaltungsaufwand zu finanzieren, den die VG Wort verursacht hat, indem sie einen nach menschlichem Ermessen kaum aussichtsreichen Rechtstreit für die Interessen der Verleger mit dem Geld der Urheber geführt hat, und zwar in Höhe von vermutlich über einer Mio EUR. Dieser Betrag stünde, wenn es richtig zuginge, den Urhebern zur Verteilung ebenfalls zu. Denn dafür haftet die VG Wort ihnen gegenüber wohl auch. Wenn eine VG jahrelang an Nichtberechtigte gezahlt hat, aber an Berechtigte nicht, dann haben die Berechtigten auch Anspruch auf Zinsen und ggf. auf Schadensersatz, weil ihnen die Beträge nicht zur Verfügung standen. Eine VG, die auf Kosten der Berechtigten einen jahrelang geführten Prozess weitergeführt hat auf Kosten der Treugeber, der Autoren, hat damit erheblichen Prozessaufwand erzeugt, der die Ansprüche der Autoren wiederum rechtswidrig gemindert hat. Es ist bisher nicht bekannt, wie hoch die Kosten der VG für den Prozess waren, einschließlich der von dritter Seite eingeholten Gutachten, die ebenfalls mit den Einkünften finanziert worden sein sollen, die eigentlich an die Autoren zu verteilen gewesen wären. Es wäre an der Zeit, auch darüber aufzuklären. Mindesten die Geschäftsberichte müssten das offen legen. Oder die Fach- und Rechtsaufsicht, die ja amtlich tätig wird, bis hinaus zum BJM, müsste darüber – wie es wohl auch die Informationsfreiheitsgesetze vorsehen – Auskunft erteilen. Einige Urheber haben schon Klagen eingereicht. Hier könnten auch Auskünfte und Schadensersatzansprüche zum Streitgegenstand werden.

Rückabwicklungen. Ist das nötige Geld vorhanden?

Die Rückabwicklung ist nach wie vor problematisch. Wegen der Einrede der Verjährung wird die VG WORT wohl nur einen kleineren Teil der Beträge erhalten, den sie rechtswidrig an Verlage ausgeschüttet hat. Zwischen 2004 und 2011 sollen 226.211.397 Euro rechtswidrig an Verlage ausgeschüttet worden sein! Zurückfordern kann die VG WORT davon aber wohl nur den nicht verjährten Betrag. Wieviel verjährt, wieviel bezahlt, wieviel zurückgefordert worden ist, lässt sich nicht leicht feststellen. Der Geschäftsbericht 2017 der VG Wort wird dazu vielleicht noch etwas Aufklärung bringen. Kleinere Verlage, die beträchtliche Summen zurückzahlen sollen, weil eine VG nicht rechtmäßig handelte, müssen sich auch beraten lassen. Wenn sie sich auf Stundungen oder Verhandlungen einlassen, verlieren sie evt. die Einrede der Verjährung oder stimmen einer Hemmung der Verjährung zu. Autoren und Verlage, die sich an die VG WORT wenden, müssen wissen, dass die Treuhänderin ihrer Rechte Partei und womöglich Gegenpartei ist. Das Boot, in welchem Autoren, Verleger und Verwertungsgesellschaft gemeinsam sitzen, ist ein Dampfer mit einigen Lecks. Welche Haltung nimmt der Börsenverein, dem vielen Verlage angehören, ein? Was rät er den Verlagen? An dieser Stelle können wir nicht auf alles eingehen.

Zahlungen an Nichtberechtigte vom Nichtberechtigten?

Wenn eine Verwertungsgesellschaft gegen geltendes Recht verstößt, wenn sie an Nichtberechtigte zahlt, handelt sie gegen die Interessen aller Beteiligten, die zur VG gehören. Sie zahlt dann u.U. an Nichtberechtigte und handelt damit entgegen der Satzung, dem Gesetz, entgegen dem Treuhandgedanken und wider Treu und Glauben. Zahlungen eines Nichtberechtigten an Nichtberechtigte hat die gesetzlichen Folgen. Empfänger von unberechtigten Zahlungen müssen u.U. zurückzahlen, das BGB hält auch dafür rechtliche Regelungen bereit. Soweit dem Zahlenden freilich die fehlende Berechtigung bekannt war oder hätte bekannt sein müssen, greifen wieder andere Überlegungen. Denn dann stehen auch Haftungsfragen im Raum, die diejenigen treffen, die für das Desaster verantwortlich oder mitverantwortlich sind. Ist ein Verlag heute noch im Sinne der §§ 812 ff. BGB bereichert? Kann er sich evtl. auf fehlende Bereicherung berufen, weil er die Mittel, die ihm zu Unrecht zugeflossen sind, guten Glaubens für Aufwendungen verbraucht hat, die er nicht getätigt hätte, wenn er die Mittel nicht erhalten hätte. Fragen über Fragen.

Das Urheberrechtspaket der Europäischen Union unterwegs und wohin?

Wie weit die Arbeiten am sog. Urheberrechtspaket der Europäischen Union gediehen sind, ist auch unklar. Ob sich hier Verwerter- und Verwertergesellschaften-Interessen durchsetzen, bleibt abzuwarten. Die Urheberinteressen scheinen hier nicht sonderlich intensiv im Gesetzgebungsprozess vertreten zu werden. Das ist, wenn man die Geschichte der Lobbys seit dem 19. Jahrhundert näher kennt, auch nicht anders zu erwarten. Die Rechtslage für die Vergangenheit wird auch von unterschiedlichsten Seiten unterschiedlich dargestellt und interpretiert. Für die Zukunft sucht man offenbar Lösungen, welche die Verwerterinteressen und die der Verwertungsgesellschaften berücksichtigt. Wie die Verlagsverträge, wie die Verteilungspläne, wie die Ansprüche der Urheber künftig sich darstellen, kann hier nicht prophezeit werden. Noch vieles ist an Fakten aus der Vergangenheit offen, noch zu vieles für die Zukunft in den Händen der Entscheider in Ministerien, in der EU, in EU-Kommission und EU-Parlament. Dass es nicht um peanuts geht, liegt auf der Hand. Für die Verwertungsgesellschaften und deren Protagonisten und ihre Berater in der Vergangenheit, welche die Haltung der VGen bekräftigt und gefördert haben, geht es auch um einiges, von den Rückzugsgefechten einmal abgesehen. Den Verwertungsgesellschaften, die der Verfasser dieses Beitrags keineswegs prinzipiell ablehnt, geht es um ihre Zukunft – gleichermaßen steht auf dem Prüfstand, wie der Gesetzgeber die Ansprüche der Urheber für Vergangenheit und Zukunft würdigt. Dass die Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften nicht so funktioniert, wie es die gesetzlichen Vorgaben verlangen, wurde schon lange kritisiert. Auch hier besteht Regelungsbedarf. Welche Interessen werden sich im Urheberpaket in Deutschland, in Europa durchsetzen? Wir wissen das nicht. Aber die Geschichte des Urheber- und Immaterialgüterrechts hat einige Lehren parat. Der große Urheber-Jurist Kohler hat im 19. Jahrhundert einmal dem Sinne nach gesagt: Das Recht bilde sich dort, wo die stärksten Interessen sind bzw. sich durchsetzen. Wer die Urheber und die kleineren Verlage in den Blick nimmt, wird sich fragen, ob deren Interessen in der Vergangenheit richtig berücksichtigt wurden und ob das in der Zukunft auch der Fall sein wird.

Nachbemerkungen: Die Fairness gebietet es, darauf hinzuweisen, dass sich der Verf. an einer Festgabe für Martin Vogel beteiligt hat: Sie ist erschienen als Sonderausgabe für Martin Vogel in der „Zeitschrift für Geistiges Eigentum“ 2017. Darin befasst sich der Verf. mit dem Dreigroschenprozess von Bertolt Brecht und Kurt Weill gegen die Nero Film 1930/1931. In ihm geht es um den droit moral des Autors und Komponisten gegen die Filmindustrie. In Oper und Film heißt es: Ist das nötige Geld vorhanden, wird am Ende alles gut. Thomas Gergen und der Verf. haben außerdem eine Festschrift für Martin Vogel zum 70. Geburtstag ediert (Kreativität und Charakter. Hamburg: Kovac 2017, 502 S.). Darin befassen sich einige Autoren mit Rechtsgeschichte, Recht und Rechtspolitik, andere mit Literatur, Kunst und Musik. Hans Traxler hat Zeichnungen beigesteuert, die das Verhältnis von Autoren der Bibel zu ihrem Verleger betreffen, die als unbekannte Wanderprediger mit ihren unverkäuflichen Biografien auf Vorschuss verzichten müssen. Und last but not least beschreibt in einem etwas blasphemischen Beitrag Willi Winkler „Probleme von Autor und Autorschaft anhand der Zehn Gebote“ (S.481 ff.). Winkler zitiert den Theologen J. Miles: Es sei, als erblicke der Herr in Moses vor allem jemanden, an den er, wenn nicht das Urheberrecht, so doch das Verwertungsrecht abgetreten habe. Die Zehn Gebote jedenfalls spielen bei Winkler eine bedeutende Rolle. Sie könnten auch Tafeln sein, die Gesetzesmachern und Rechtspolitikern von heute nützlich sein könnten. Immerhin: „Moses rettet die Schrift, das Wort und das Buch, indem er selbst zum Autor wird.“ (S.487) Die 10 Gebote sind bekanntlich public domain. Sie stehen allen honorarfrei zu Gebote. Manche kennen sie noch aus der Zwergschule.