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„Ich bleibe, aber weg.“ Peter Clars Studie über Dekonstruktionen der AutorInnenfigur(en) bei Elfriede Jelinek
Von Barbara Mariacher
Besprochene Bücher / LiteraturhinweisePeter Clars an der Universität Wien als Dissertation angenommene Studie „Ich bleibe, aber weg.“ Dekonstruktionen der AutorInnenfigur(en) bei Elfriede Jelinek* widmet sich einem Desiderat der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Werk Elfriede Jelineks. Es geht um eine eingehende Betrachtung der darin mit steter Regelmäßigkeit auftauchenden Autorinnenfiguren, die im beständigen Zwielicht von Realität und Fiktion erscheinen. Das heißt, dass sie zwischen Realitätsanspruch einerseits und literarischer Konstruktion andererseits oszillieren. Die methodische Vorgangsweise von Peter Clar ist – dem poetologischen Konzept Jelineks folgend – geprägt von den Prinzipien der Dekonstruktion. Dies bedeutet jedoch nicht, so der Verfasser, dass „einem anzuwendenden literaturtheoretischen Modell auf der einen Seite – ein literarischer Text gegenübersteht, auf den diese Theorie angewandt werden kann“. Ziel der Arbeit ist es vielmehr, wissenschaftliche Theorie und literarische Praxis miteinander zu verschränken und so die Autorinnenfigur der Texte Jelineks lediglich zu umkreisen. Basierend auf dem von Paul de Man akzentuierten Ansatz der Dekonstruktion sollen so die Grenzen zwischen Wissenschaft und Literatur aufgeweicht und überschritten werden. Es ist dies ein Anliegen, dass der Verfasser, der seinerseits auch als Schriftsteller hervorgetreten ist, in seinem eigenen schriftstellerischen Werk ebenso verfolgt.
Das Textkorpus, das der Studie zugrunde liegt, setzt sich vor allem aus den jüngeren dramatischen und essayistischen Werken Jelineks zusammen. Ausgeklammert sind – wie Peter Clar in seiner Einleitung kundgibt – aus pragmatischen Gründen die Erzählungen und Romane. Das umfangreiche Œuvre Jelineks vor Augen, scheint dies zunächst ein einleuchtender Grund, wenngleich eine paradigmatische Studie der Prosatexte für den an der Forschungsfrage interessierten Leser nützlich und wünschenswert gewesen wäre. Vor allem auf Grund der von Jelinek immer wieder vorgenommenen oder angedeuteten Grenzüberschreitungen zwischen den Gattungen hätte die Auswahl der Texte deutlicher motiviert werden können. So scheint denn auch die Anwendung von erzähltheoretischen Begriffen auf Theatertexte ein wenig willkürlich und ungenau, wie auch umgekehrt dramentheoretische Aspekte, sowie die Inszenierungspraxis und künstlerische Interpretation der Texte Jelineks auf der Bühne in der theoretischen Betrachtung zu kurz kommen.
Das Buch beginnt mit einem kurzen Überblick über die Vielfalt der unterschiedlichen Figuren der Autorin, auf die sich laut Peter Clar eine ebenso große Vielfalt an Autorschaftstheorien anwenden ließe. Diese Theorien werden wohl erwähnt, stehen jedoch ein wenig unverbunden nebeneinander.
Vorgestellt werden die Ansätze von Boris Tamsevskij sowie die Überlegungen von Wayne C. Booth zum impliziten Autor und die kritische Antwort Gérard Genettes darauf. Angerissen werden daneben auch Thesen Julia Kristevas. Im zweiten Teil seiner Arbeit wendet sich Clar dem theoretischen Begriffsinventar Paul de Mans zu, mit dessen Hilfe die Autorinnenfigur letztendlich eingekreist werden soll. Diese durchaus interessant zu lesende Beschreibung nimmt allerdings beinahe die Hälfte des Buches ein, die konkrete Anwendung auf die Texte Jelineks (die der Verfasser ja eher vermeiden will) erfolgt in diesem Teil zumeist in zahlreichen kurzen Exkursen, die gewollt oder ungewollt die Stringenz der wissenschaftlichen Gedankenführung unterminieren. Gleichwohl lassen sich hier einige sehr interessante und zutreffende Einzelbeobachtungen zur Autorinnenfigur finden.
Der dritte Teil der Arbeit widmet sich etwas eingehender den Primärtexten, wenn auch hier der Analyseteil untergewichtig und etwas theorieüberladen erscheint. Gezeigt wird unter anderem, und dies ist der Tenor des Buches, dass „Faktizität und Fiktion […] unauflöslich miteinander verbunden bleiben […] wiewohl sie einander auch ausschließen“ und dass deshalb auch die Autorinnenfigur ein vielschichtiges und komplexes Konstrukt ist.
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