Ein Spagat zwischen Bürger- und Künstlertum

Gerd Eversberg legt eine reich illustrierte Biografie zum 200. Geburtstag von Theodor Storm vor

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Theodor Fontane sagte von seinem Freund und Dichterkollegen Theodor Storm, er neige zur „Husumerei“ – und tatsächlich hat Storm die Landschaften und Lebenswelten seiner norddeutschen Heimat gestaltet. Doch ein provinzieller Heimatdichter war er nicht. Es war Thomas Mann selbst, der 1930 in seinem bekannten Storm-Essay vom „vollkommenen Unsterblichkeitscharakter“ der Werke sprach und das Fazit zog: „Er ist ein Meister, er bleibt.“

Zum 200. Geburtstag von Theodor Storm am 14. September 2017 ist in der Weimarer Verlagsgesellschaft eine kompakte und reich illustrierte Biografie erschienen. Gerd Eversberg, der 22 Jahre Direktor des Theodor-Storm-Zentrums in Husum war, gibt auf den 160 Seiten einen profunden Einblick in Leben und Werk des Dichters. Zunächst aber nimmt er den Leser mit auf einen virtuellen Spaziergang durch Storms Heimatstadt im 19. Jahrhundert. Danach werden in neun Kapitel die einzelnen Lebensstationen des Künstlers, Juristen und Bürgers Storm beleuchtet. Die ersten 35 Jahre verbrachte er vorrangig in Husum, von der Kindheit und Schulzeit bis zur ersten bürgerlichen Existenz (1846 Hochzeit mit seiner Cousine Constanze) als Rechtsanwalt. In dieser Zeit entstanden bereits erste Gedichte, Schwänke und Erzählungen.

Ein wichtiger Einschnitt war die Schleswig-Holsteinische Erhebung (1848–1852) gegen Dänemark, die in ganz Deutschland eine Welle der nationalen Begeisterung auslöste. Da Storm nicht bereit war, eine Loyalitätserklärung gegenüber der Dänischen Krone abzugeben, wurde seine Anwaltszulassung von den dänischen Behörden nicht verlängert. Er musste für elf Jahre im „Ausland“ ein Unterkommen für sich und seine Familie suchen. Stationen waren das preußische Potsdam und das thüringische Heiligenstadt. In dem beschaulichen Heiligenstadt fand Storm auch Zeit und Muße, seine Novellistik weiterzuentwickeln.

1864 konnte Storm schließlich nach Husum zurückkehren, wo er von seinen Landsleuten zum neuen Landvogt gewählt wurde. Später wirkte er als Amtsrichter. Nach dem Tod seiner Frau (1865) und der erneuten Vermählung (1866) hatte er immer wieder mit familiären Spannungen zu kämpfen. Als „Novellist im Kaiserreich“ entstehen in den 1870er-Jahren in rascher Folge einige seiner bekannten Novellen (unter anderem Pole Poppenspäler, 1874). Nach dem vorzeitigen Ruhestand (1880) zog Storm nach Hademarschen, wo er an seinen „Altersnovellen“ arbeitete, unter denen sich auch Der Schimmelreiter (1888) befand. Kurz nach deren Erscheinen starb Storm am 4. Juli 1888.

Die einzelnen Lebensstationen verbindet Eversberg stets mit Beschreibungen der jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Situation sowie den familiären Verhältnissen, vor allem das Beziehungsgeflecht zwischen Vater und Kindern. Anschaulich wird Storms Spagat zwischen Bürger- und Künstlertum, zwischen Heimatverbundenheit und großer Literatur dargestellt.

Abschließend unternimmt Eversberg einen Rundgang durch Husum auf den Spuren des Dichters, wobei er immerhin an 27 Stationen Halt macht. Eine Zeittafel, ein Literaturverzeichnis und ein Personenregister komplettieren die Künstlerbiografie, in der der Dichter durch zahlreiche Gedichte, Briefauszüge und andere Zitate häufig selbst zu Wort kommt. Zahlreiche historische Abbildungen unterstützen den Text.

Titelbild

Gerd Eversberg: Theodor Storm. Künstler – Jurist – Bürger.
Weimarer Verlagsgesellschaft, Wiesbaden 2017.
160 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-13: 9783737402538

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