Ohne Ausweg

In Dave Zeltsermans Thriller „Small crimes“ gibt es kein Entkommen für einen Ex-Cop, der sich schuldig gemacht hat

Von Dietmar JacobsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dietmar Jacobsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Small crimes – im amerikanischen Original bereits 2008 erschienen – ist der erste Band von Dave Zeltsermans „‚man out of prison‘ crime thriller series“. Nicht ganz so raffiniert angelegt wie seine beiden Nachfolger Paria (2009) und Killer (2010) , in denen neben der Thrillerhandlung auch noch die mediale Verwertung von Verbrechern und Verbrechen eine Rolle spielt, hat er doch einiges mit ihnen gemeinsam: Ein Mann kommt nach langjähriger Haftstrafe aus dem Gefängnis frei und landet bald wieder im alten Schlamassel.

Hier ist es der Ex-Cop Joe Denton, der – sieben Jahre nachdem er den Bezirksstaatsanwalt von Bradley County schwer verletzte und dessen Büro in Brand setzte, um Beweise zu vernichten – auf Bewährung entlassen wird. Er hat sich die Zeit hinter Gittern mit Damespiel und dem Gedanken, seiner Familie gegenüber Versäumtes nach der Entlassung so schnell wie möglich nachzuholen, erträglich zu machen versucht. Aber bereits auf seinen ersten Schritten in die neue Freiheit begegnet er wieder dem Mann, den er fast getötet hat. Und der Rachedurst von Staatsanwalt Phil Coakley ist noch lange nicht gestillt. Emsig ist er am Beweisesammeln, um Denton diesmal für immer wegsperren zu lassen.

Und Coakley ist bei Weitem nicht der Einzige, der nur darauf gewartet zu haben scheint, dass Zeltsermans Ich-Erzähler wieder draußen ist. Auch Manny Vassey, der skrupellose Gangster, der seine Finger in allen schmutzigen Geschäften hat, die in der Kleinstadt Bradley laufen, ohne die sämtlich auf seiner Gehaltsliste stehenden Cops fürchten zu müssen, hat vor, Denton ans Messer zu liefern, um seinen psychopathischen Sohn Manny jr. vor dem Arm des Gesetzes zu schützen. Es soll seine letzte Tat für die Familie werden, denn Vassey liegt mit Krebs im Endstadium auf der Intensivstation und hat nur noch wenige Wochen zu leben. 

Schließlich ist da auch noch Dan Pleasant, örtlicher Sheriff und – genau wie Joe Denton vor seiner Inhaftierung – korrupt bis auf die Knochen. Nach dem Wiederauftauchen seines alten Kumpels in der Stadt, so dessen Befürchtung, würden sich die Mühlen der Justiz schnell wieder zu drehen beginnen und nicht nur Denton selbst, sondern alle Gesetzeshüter, die sich ebenfalls widerrechtlich über Jahre die Taschen gefüllt hatten, gefährden.

Also braucht es einen Plan, mit dem verhindert werden kann, dass die Maschinerie der Bereicherung, die zwischen Manny Vassey und seinen Leuten sowie den Ordnungshütern von Bradley seit jeher wie geschmiert läuft – die Polizisten lassen Vassey und seine Leute unbehelligt, ja beteiligen sich gelegentlich sogar an deren Raubzügen –, ins Stottern gerät. Am besten wäre es, einer der beiden – Coakley oder Vassey –, die gerade dabei sind, am Krankenhausbett des Mafiosos einen gefährlichen Deal abzuschließen, würde für immer von der Bildfläche verschwinden.   

Zeltserman (geb. 1959) beschreibt in Small crimes mit unheimlicher Konsequenz und aus distanzloser Nähe zu seinem Protagonisten, wie nacheinander sämtliche Versuche dieses Mannes, den einmal eingeschlagenen Weg zu verlassen und sich eine ehrliche Existenz aufzubauen, in der auch seine Eltern sowie seine Exfrau und die beiden gemeinsamen Töchter wieder einen Platz finden könnten, scheitern. Weder sieht sich seine Familie in der Lage, ihm, der sie schon einmal mit seiner Spielsucht fast ruiniert hat, nun plötzlich zu vertrauen, noch kann er sich aus den Verstrickungen lösen, die ihn an eine Vergangenheit ketten, die er nur zu gerne hinter sich lassen würde. Und so bleibt ihm letztendlich nichts anderes übrig, als sich auf das gefährliche Spiel einzulassen, das ihm seine alten Verbündeten aufzwingen.

Allein einen Mord begehen, um sich aus der Schlinge zu ziehen, die von Coakley, Pleasant und Vassey aus unterschiedlichen Motiven immer enger gezogen wird, will Joe Denton nicht. Und so laviert er zwischen einer Hinhaltetaktik seinen alten Freunden gegenüber und von Mal zu Mal verzweifelter wirkenden Versuchen, die Probleme auf seine ganz eigene Weise zu lösen. Etwas zum Besseren zu bewegen, gelingt ihm dabei nicht. Im Gegenteil: Durch seine Unentschlossenheit bringt er auch noch jene in Gefahr, die bereit sind, ihm eine letzte Chance zu geben.

Small crimes präsentiert eine Welt, in der es keine Unschuldigen mehr gibt. Ob einer auf dieser oder jener Seite des Gesetzes steht, ist gleich. Alle wollen sie sich bereichern. Anstand und Moral sind zwar noch Begriffe, die man gern im Mund führt, die für das tagtägliche (Über-)Leben in einer gnadenlosen Welt aber schon längst ihre Bedeutung eingebüßt haben.

Titelbild

Dave Zeltserman: Small Crimes.
Aus dem Amerikanischen von Michael Grimm und Angelika.
Pulp Master, Berlin 2017.
339 Seiten, 14,80 EUR.
ISBN-13: 9783927734838

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch