Vom unruhigen Streber zum Elfenbeinschmuggler?

George Watsky erzählt, wie man es vermasselt

Von Jenny SchiemannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jenny Schiemann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„[N]iemand nimmt sich bewusst vor, in den internationalen Elfenbeinschmuggel einzusteigen. Es passiert einfach eines Tages.“ So haben der Protagonist von Georg Watskys jüngstem Roman Wie man es vermasselt und dessen Freund mal eben den Stoßzahn eines Wals von Kanada in die Vereinigten Staaten geschmuggelt, weil eine Tante Geburtstag hat und sich nichts sehnlicher wünscht. Was nach einem abgefahrenen Roadtrip klingt, endet – nicht wegen des Transports des Zahns, sondern wegen Drogenresten – bei der Polizei. Der namenlose Protagonist erzählt von vielen kleinen Reisen, einer langen Findungsphase und davon, ‚wie man es vermasselt‘. Der Klappentext verweist darauf, dass dies Watskys eigene Geschichte ist.

George Watsky wurde 1986 in San Francisco geboren. Er ist Poetry Slammer, Rapper und ein Fan des Baseballsports. In der Schule war er unruhig, seine Noten jedoch sehr gut, er lernte Chinesisch und Spanisch und besuchte schließlich ein College in Boston. Doch George ist krank, ihn begleitet die ständige Angst vor einem Epilepsieanfall, den er meist dann bekommt, wenn er im Fitnessstudio ist. Ein warmes Gefühl im dösigen Kopf und das Wach-werden-und-nicht-mehr-Wissen, welches Jahr es ist, davor fürchtet er sich. Nach der Schule geht es erst einmal nach Europa: Stierkampf in Pamplona, Joints in Amsterdam und viel Alkohol bestimmen sein europäisches Leben.

Als Student wird es schwieriger. George lebt mit Mitbewohnern in einem verfallenen Haus. Diese spülen nicht, sondern schmeißen ihr Geschirr in die Spüle und lassen es so lange darin stehen, bis ein anderer es halbherzig abwäscht, wenn er es braucht. Irgendwann büchst eine Schlange im Haus aus und wird schließlich mit einer vergifteten Maus im Bauch aufgefunden. Die Kombination der Mitbewohner erscheint eigenartig, man kennt sich nicht gut, aber jeder spielt ein anderes Instrument, was sie alle dem Ziel einer eigenen Band näherbringt. Im ganzen Buch spielen immer wieder Drogen eine Rolle: Der Mitbewohner im Haus muss welche verkaufen, um sich sein Musikhochschulstudium leisten zu können, George hat bei einer Polizeikontrolle einen Rest davon im Auto und am Ende beschreibt er einen zwei Stunden andauernden Rausch. Watsky hat keine Angst vor Ekel, beschreibt menschliche Ergüsse in allen Formen und Farbstufen.

Zum Erfolg ist es ein holpriger Weg: Als Poetry Slammer tritt er in – manchmal fast leeren – Studentenclubs auf und ernährt sich in billigen Motels von noch billigeren Fertiggerichten. Später fährt er mit seiner ersten Band in einem alten Bus auf Tour. Der Ruhm kommt eben nicht von allein, die Begeisterung für die Sache dagegen schon, er hat das Leben bestimmt nicht allzu schlimm vermasselt. Besonders interessant in diesem Buch erscheinen daher Watskys frühe Begeisterung für den Hip-Hop und der Mut, den er beweist, um sein Ziel zu erreichen.

Geschichten von jungen Amerikanern, die nach der Schule nach Europa kommen, um hier etwas Aufregendes zu erleben, hat man schon zu oft gehört, als dass sie noch fesseln könnten, und immer, wenn es doch noch spannend werden könnte, wird etwas Neues erzählt. George Watksy beschreibt zeitlich unsortiert kleine Geschichten aus seinem Leben. Das nicht-chronologische Erzählen wirkt dabei oft wirr, so findet man sich irgendwann in Indien wieder und weiß nicht, wie der Protagonist dort hingekommen ist. Er springt von der Kindheit nach Spanien und von dort aus nach Los Angeles. Den inhaltlichen wie zeitlichen Sprüngen lässt sich zwar schlecht folgen, doch die detaillierten Beschreibungen lassen den Leser/die Leserin dennoch zu einem Teil der Geschichten werden, mit ihnen verschmelzen, sodass er/sie beinah selbst mit auf Pamplonas Straßen, im süffigen Tourbus und auf den Kacheln des vollgekotzten Badezimmers schläft. Es handelt sich dabei um kein Buch, welches man nicht mehr loslassen kann; man darf auch längere Pausen zwischen den Geschichten machen, ohne den Anschluss zu verlieren. Das Buch und all seine detaillierten Beschreibungen lesen sich dennoch so leicht und schnell, wie Watsky rappt, und für Fans von George Watsky ist es mit Sicherheit eine gelungene Verarbeitung seines bisherigen Lebens und wenn man zwischendurch laut auflachen möchte, lohnt sich der Kauf des Buchs allemal. 

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

George Watsky: Wie man es vermasselt. Stories.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Jenny Merling.
Diogenes Verlag, Zürich 2017.
333 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783257070071

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