Auf der Jagd nach El Dorado

Sabrina Janesch entdeckt „Die goldene Stadt“

Von Stefan TuczekRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Tuczek

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die großen deutschen Entdecker wie Alexander von Humboldt, Ferdinand von Richthofen oder auch Johannes Rebmann sind recht bekannt. Ihre Entdeckungsreisen führten sie den Amazonas hinunter, durch China die Seidenstraße entlang und auch den Kilimandscharo hinauf. Aber die wenigsten Menschen wissen, dass Machu Picchu von dem Deutschen Rudolph August Berns aka Augusto Berns um 1867 entdeckt wurde. Vorher galt Hiram Bingham als Entdecker der verlorenen Inkastadt, jedoch belegen neuere Forschungen und Befunde, dass Berns schon vor Bingham Machu Picchu entdeckte. Der Beweis hierfür ist ein Buch des Kartografen Hermann Göhring, der die peruanische Provinz Paucartambo bereiste, beschrieb und kartografierte. In Göhrings Expeditionsbericht wird die „Festung“ Picchu erwähnt, dieser Erwähnung ist eine 1874 gezeichnete Karte beigegeben, die Machu Picchu zeigt. Dokumenten in der Biblioteca Nacional del Perú in Lima zufolge hatte Berns die Stadt wiederentdeckt. Seine wichtigsten Dokumente und Lebensbeschreibungen finden sich in dieser Bibliothek, jedoch reichen sie nur bis ins Jahr 1887, danach verlieren sich die Spuren im Sand der Geschichte. Sabrina Janesch widmet diesem unbekannten, aber nicht minder großen Entdecker ihren neuen Roman.

Die goldene Stadt selber ist eine Mischung aus Expeditions- und Abenteuerroman, gleichzeitig jedoch auch eine Biografie des deutschen Entdeckers Berns. Der erste Teil des Romans beschäftigt sich hauptsächlich mit der Jugend Berns, der nach dem Tod des wohlhabenden Vaters in einer Schmiede arbeiten musste und sich eigentlich nach Südamerika träumt, um dort El Dorado – die goldene Stadt – zu finden. Mit knapp 20 Jahren reist er nach Peru, dort wird er durch Zufall zu einem Helden des Spanisch-Südamerikanischen Kriegs. Nach einer dramatischen Schlacht wird Berns geehrt und findet schließlich eine Anstellung als Ingenieur bei der Eisenbahn. Der Gedanke an El Dorado lässt ihn jedoch nicht los. Als er den Amerikaner Harry Singer kennenlernt, findet er einen Kameraden, mit dem er das Abenteuer im Dschungel starten kann.

Sabrina Janesch schildert in ihrem sehr bildhaften Erzählstil die Gefahren, Herausforderungen und geheimnisvollen Schätze des peruanischen Dschungels. Dem Text mangelt es nicht an Exotik und Spannung, obwohl vor allem der erste Teil einige Längen aufweist. Er ist dennoch wichtig, da hier die Passion Berns für Peru und Südamerika geschildert und begründet wird. Doch nicht nur Berns feurige Leidenschaft und Liebe für Südamerika wird auf jeder Seite spürbar, sondern auch Janeschs Begeisterung für die südamerikanischen Länder. Diese Begeisterung überträgt sich auch auf den Leser. Die Beschreibungsfreude der Autorin sowie ihre Fabulierlust machen auch dem Leser große Lust, mehr über die Zeit, Expedition und die Inka zu erfahren.

Auffällig ist ebenso die Ernsthaftigkeit, mit der sie die Stationen Berns beschreibt. Sie hätte auch wie Daniel Kehlmann in seinem Roman Die Vermessung der Welt ihre Figuren schrullig ausgestalten können und der ganzen Szenerie etwas Distanz durch Ironie geben können. Aber das hätte der Tiefe und Glaubwürdigkeit des Romans geschadet, denn so nimmt man der ganzen Erzählung ab, dass sie wirklich hätte so passieren können, denn eins darf man nicht vergessen: Es handelt sich bei Die goldene Stadt um einen Roman, der zwar auf historischen Fakten beruht, wie Janesch in ihrem Vorwort schreibt, aber auch Fiktionales über Berns Leben untermischt. Auch geht die Autorin mit ihrer Hauptfigur nicht unkritisch um, so wird sein Verhältnis zu den Eingeborenen in Peru als sehr ambivalent beschrieben, sodass man sich zu Recht fragt, ob der Forscherdrang alles heiligt und rechtfertigt. Der Blick wird nicht durch die Romantik der Expedition verkitscht, sondern ist geprägt durch die Aura der Wirklichkeit. Die Leser dürfen sich über eine spannende und noch unverbrauchte Geschichte freuen.

Titelbild

Sabrina Janesch: Die goldene Stadt. Roman.
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2017.
544 Seiten, 22,95 EUR.
ISBN-13: 9783871348389

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