Mit Zaubertrank und vier PS

Asterix und Obelix auf Rundreise durch Italien

Von Wieland SchwanebeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Wieland Schwanebeck

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dritter Auftritt für Asterix und Obelix im neuen Gewand: Mit Asterix in Italien legen Jean-Yves Ferri und Didier Conrad ein weiteres Abenteuer in der Nachfolge von René Goscinny und Albert Uderzo vor. Die Erinnerung an die letzten, zum Teil unsäglichen Solo-Bände von Uderzo (der seit den 1990er Jahren unter anderem den Feminismus, die Außerirdischen und so manches Altherren-Ressentiment aufs Dorf der Unbeugsamen losgelassen hatte) haben beide mit Asterix bei den Pikten (2013) und Der Papyrus des Cäsar (2015) schnell getilgt; allmählich ist auch das gemeinsame Schaffen der ,Neuen‘ reif für eine Betrachtung als Gesamtwerk. Aber der Reihe nach.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass um die Handlung des auf die Geheimniskrämer- und Whistleblower-Satire Der Papyrus des Cäsar folgenden Bandes im Vorfeld der Veröffentlichung ein regelrechtes Staatsgeheimnis gemacht wurde. Vorab drang immerhin vom Verlag die Information durch, endlich werde einmal Obelix aus dem Schatten seines latent besserwisserischen Kompagnons treten und in die Hauptrolle befördert. Diese Idee ist freilich so neu nicht; bereits in Obelix GmbH & Co. KG (1976), Goscinnys und Uderzos ebenso gallischer wie galliger Abrechnung mit der freien Marktwirtschaft, tritt Asterix gerade einmal auf der Hälfte aller Seiten in Erscheinung. Ob es aber auch ein Versprechen ist, von dem sich Fans der Reihe angesprochen fühlen, bleibt dahingestellt, denn wenn man Obelix ins Rampenlicht katapultiert, nimmt man ihm eigentlich die geballte Würde der Nebenfigur. Seine Stärke besteht darin, dass er mit seiner Dauerrolle als ehrgeizloser, sanftmütiger Wasserträger, der sich gemütlich in Asterixʼ Schatten durch die gemeinsamen Abenteuer bewegt, vollkommen souverän umgeht und dass ihm vollkommen gleich ist, ob er sich nun mit der Handlung oder gegen sie bewegt. Obelix begnügt sich damit, gelegentlich den zum Teil fragwürdigen Ehrenkodex der römischen wie der gallischen Krieger mit einer geradezu schlemihlhaften Bemerkung als große Spinnerei zu entlarven – während sein bester Freund in Asterix und der Kupferkessel (1969) bereitwillig die Verbannung aus dem Dorf akzeptiert und schwört, nicht wiederzukommen, bevor die Ehrenschuld getilgt und der Suppenkessel wieder mit Sesterzen gefüllt ist, hält Obelix mit der entwaffnenden Offenheit des jedweder Ideologie abholden Genussmenschen dagegen. Man hätte halt einfach die Zwiebelsuppe im Topf belassen sollen.

So arg kommt es im neuen Band, der natürlich Asterix in Italien und nicht Obelix in Italien heißt, dann aber doch nicht, denn Obelixʼ Verstimmung („Wieso muss immer Asterix die Hauptrolle spielen?“) währt nicht lange – ist die Geschichte erst einmal in Schwung, hat sich auch die bewährte Charakterdynamik schnell wieder eingespielt. Obelix mag die Zügel des Pferdewagens in der Hand halten, aber Asterix bleibt erster Ansprechpartner für moralische Impromptu-Lektionen zum Thema „Fair Play“ sowie für detektivischen Spürsinn; und einen unbeugsamen Gallier gegen den anderen auszuspielen, hieße ja auch, den Zauber von Asterix gar nicht erst kapiert zu haben. Die beiden Helden hat es diesmal in ein Rennen verschlagen, das vom heute als Formel-1-Zentrum Monza bekannten Örtchen Modicia bis an den Fuß des Vesuvs führt und damit Gelegenheit bietet, Italien auch einmal jenseits der Tore des omnipräsenten Macht- und Zirkuszentrums Rom zu erkunden. Die dramaturgische Nummernrevue ist damit vorgezeichnet – wir sind im Terrain des eher aus dem Kino bekannten Slapstick-Wettrennens, das seine große Zeit in den 1960ern hatte, als Filme wie Die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten (1965) oder Das große Rennen rund um die Welt (1965), später zur Trickfilm-Serie Wacky Races (1968) weitergesponnen, technisch rasante Verfolgungsabenteuer, Autofahrer aus aller Herren Länder und comichafte Sabotageakte aufboten, die mehr mit der bei Laurel & Hardy liegengebliebenen Bananenschale als mit realen Attentaten auf Leib und Leben zu tun hatten.

In Obelixʼ edlem Sportflitzer – der selbstverständlich in Hinkelsteinen abbezahlt wird – bereist das Duo unter anderem Parma, Siena und Florenz, meistert Schlaglöcher, Römerpatrouillen und Vulkanausbrüche, genießt kulinarische Zwischenstopps und kleinere Scharmützel mit Mitreisenden und Konkurrenten. Sympathisch, dass Ferri und Conrad dabei nicht mit Ideen geizen und mit sicherem Pinselstrich sowie einigen – von Klaus Jöken äußerst gewitzt übersetzten – Sprachmanierismen gleich mehreren Völkern zu Kurzauftritten verhelfen, die ohne Weiteres auch Stoff für ein eigenes Reiseabenteuer abgegeben hätten und künftig vielleicht noch abgeben werden. Zu alten Bekannten wie den Briten und Goten gesellen sich unter anderem die Lusitaner, die Markomannen und – Achtung, die Russen kommen! – auch die Sarmater. Verunglückt ist lediglich der Versuch, mit den aus dem Reiche Kusch stammenden Prinzessinnen Etepetete und Rakete zur Abwechslung mal starke Weiblichkeit in den homosozialen Kosmos der Gallier einzuführen, wo sich außer der Dorf-Xanthippe Gutemine und der erbschleicherischen, bis heute namenlos gebliebenen Frau des Dorfältesten Methusalix kaum Damen von Profil tummeln. Zu den Kuschitinnen fällt den Autoren aber jenseits arger Hottentotten-Karikaturen (wie man sie aus früheren Abenteuern vom dicklippigen Piraten-Ausguck und dem ein oder anderen versklavten Sänftenträger kennt) lediglich ein, ihre animalische Natur dahingehend zu übertreiben, dass eine von beiden sich in Schoßhündchen Idefix verliebt – eine Entscheidung, die man zumindest diskutabel finden darf.

Freilich sind Ferri und Conrad nicht um die Tragweite ihrer Aufgabe zu beneiden – in mehr als einem halben Jahrhundert gallischer Comic-Erfolgsgeschichte haben sich mehr Erzählkonventionen und Running Gags angehäuft, als ein einzelnes Abenteuer bedienen kann. Beeindruckend ist an ihren bisherigen Abenteuern durchweg, wie sie die bekannten Charaktere bruchlos weiterführen, vertraute Gesichter wie die dauerschiffbrüchigen Piraten zu integrieren verstehen und allmählich auch neue Akzente setzen – besonders Cäsar gewinnt nicht nur zeichnerisch immer mehr an Profil, sondern zwingt den Galliern auch ein paar neue, dem heutigen weltpolitischen Klima abgelauschte Kämpfe auf. Rangen Asterix und Obelix einst mit einem aggressiv vordringenden, bis an die Zähne bewaffneten Kolonialreich, erwehren sie sich heute eher eines Propaganda-Apparats. Mit ihren ersten beiden Asterix-Bänden haben Ferri und Conrad bewiesen, dass sie die beiden etablierten Strukturmuster der Goscinny-Dramaturgie verinnerlicht haben: zum einen das episodische Reiseabenteuer in der Tradition von Asterix bei den Briten beziehungsweise Schweizern beziehungsweise Spaniern beziehungsweise Korsen, zum anderen den eher innenpolitisch orientierten Krimi à la Streit um Asterix (1970), der vor allem seit der Ära Georges Pompidou immer wichtiger wurde. Asterix in Italien führt nun beide Stränge zusammen, wenn er Asterix und Obelix in ein von Beginn an manipuliertes Rennen verwickelt, das vom römischen Reich in erster Linie deshalb veranstaltet wird, um vom desolaten Zustand des Straßennetzes abzulenken und zugleich römische Größe zu zelebrieren – der Sieg des römischen Aurigen Caligarius ist bereits vor der ersten Etappe beschlossene Sache, aber natürlich hat Team Gallien da noch ein Wörtchen mitzureden.

Unterwegs gibt es reichlich Schlägereien, Wildschweine und einige prominente Begegnungen. Wenn man etwas gegen den sehr kurzweiligen Band vorbringen muss, der es im Übrigen verdient hat, nicht allein am phänomenalen Standard vergangener Abenteuer gemessen zu werden, dann vielleicht dies: Wo Goscinny und Uderzo popkulturellen Ikonen ihrer Zeit wie Jean Gabin und Lino Ventura zu kleineren Gastauftritten in ein bis zwei Panels verhalfen, wird der Gegenwartsbezug bei Ferri und Conrad zum strukturbildenden Element, mit der Folge, dass Asterix in Italien zum eher kabaretthaften Reigen ausartet. Statt der phänomenalen Typenkomik des großen Szenaristen Goscinny, die immer wieder für Glanzstücke wie den phlegmatischen Legionär Faulus oder die Alptraum-Kur des lebergeschädigten Häuptlings Majestix sorgte (Asterix und der Arvernerschild, 1968), spannt die Mehrzahl der Gags im neuen Heft stur den Bogen ins Hier und Jetzt. So folgt Berlusconi auf Pavarotti, und so mancher Gag erinnert eher an die vom Clash zwischen Vergangenheit und Gegenwart zehrenden Zeitritter-Komödien mit Jean Reno, nach denen in ein paar Jahren noch nicht einmal mehr der gallische Hahn krähen wird. Auf den Rüffel eines Gastwirts, ein Parmaschinken werde nicht am Stück, sondern in hauchdünnen Scheiben verzehrt, echauffiert sich Obelix: „Die spinnen, die Italiker! Schinken in Scheiben! Wieso nicht gleich zu Krümeln geriebener Käse?“ Am meisten Spaß macht Asterix in Italien, sobald sich die Geschichte von diesem Schema löst und den Figuren mehr Raum gibt – etwa wenn der Stoiker Obelix mit seinem Beharren auf regelmäßige Wildschweinpausen seinen um den Sieg rasenden Kompagnon zur Weißglut treibt. Gallische Gemütlichkeit bleibt auch in diesem mit reichlich PS hochgetunten Abenteuer die wichtigste Tugend.

Titelbild

Jean-Yves Ferri / Didier Conrad: Asterix 37. Asterix in Italien.
Aus dem Französischen von Klaus Jöken.
Egmont Comic Collection, Berlin 2017.
46 Seiten, 12,00 EUR.
ISBN-13: 9783770440375

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch