Gesprächsbedarf

Journalisten, Akademiker und Musiker sezieren in „Dylan. Disc by Disc“ in unterhaltsamen Dialogen das Gesamtwerk des enigmatischen Musikers

Von Sascha SeilerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sascha Seiler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein weiteres Buch über Bob Dylan? Schon lange vor dem Nobelpreis für Literatur war vor allem der englischsprachige Markt längst überfüttert mit Analysen, Biographien oder Exegesen seiner Songs und Alben. Ob dabei, zumindest im populären Sachbuchbereich noch viel Neues gesagt werden kann, ist zumindest anzuzweifeln. Umso überraschender ist die von Jon Bream herausgegebene Studie Dylan. Disc by Disc. Anders als im ersten Moment zu erwarten, ist dies mitnichten ein von einem einzelnen Autor verfasster Durchlauf durch das Werk Dylans, der entweder Kanonisches wiederkäut oder die subjektive Sicht seines Autors in den Mittelpunkt stellt. Bream geht einen anderen, sehr originellen und, wie sich bei der Lektüre des Buchs zeigen wird, äußerst unterhaltsamen und fruchtbaren Weg: Er lässt zu jedem einzelnen von Bob Dylans regulären Studioalben – und das sind immerhin auch schon 38 – zwei mehr oder weniger prominente Zeitgenossen in einen Dialog treten. Dieser soll sich nur um die jeweilige Platte und um die Beziehung drehen, welche die Beiden zu ihr haben.

Das Ergebnis ist verblüffend, denn natürlich schaut man zunächst nicht nach den Klassikern wie Blonde on Blonde oder Highway 61 Revisited, sondern nach den als gescheitert angesehenen Werken (und von denen gibt es ja so einige in Dylans Katalog), auch um zu sehen, was man diesen Alben vielleicht noch abgewinnen könnte. Und siehe da: Under The Red Sky hat seine Fans, die es als sträflichst unterschätzt einstufen. Self portrait wird – man müsse den Titel nur ernst nehmen –  als Bestandsaufnahme Dylans wie er sich Anfang der 70er eben sah, gewertet. Street Legal sehen die Gesprächspartner als Opfer seiner Zeit und Rezeption. Und es gibt Leute, die Planet Waves als ihr liebstes Dylan-Album bezeichnen. Oder die American Songbook-Reihe, der sich Dylan in den letzten Jahren ausschließlich gewidmet hat, jetzt schon als integralen Bestandteil des amerikanischen Kulturerbes ansehen.

Die teilnehmenden Personen dieses auch in Deutschland von Edition Olms in seiner englischen Version publizierten Buches werden bis auf wenige Ausnahmen den meisten Lesern vielleicht kein Begriff sein, was jedoch nicht an ihrer mangelnden Qualifikation liegt, sondern daran, dass es sich hauptsächlich um (in ihrem Heimatland in großen Teilen recht bekannte) amerikanische Journalisten, Branchenleute, aber auch um Professoren handelt. Doch einige Musiker wie Suzanne Vega, Garland Jeffreys oder Joe Henry sind auch mit von der Partie. Dazu auch der eine oder andere Sessionmusiker, der auf Dylan-Platten vertreten ist.

Abschließend ist zu sagen, dass dieses Buch auch noch wunderbar gestaltet ist: Ein großer, prächtiger Band mit vielen Fotos zu den ausnahmslos sehr ausführlichen Gesprächen über die Alben.

Ein Beitrag aus der Komparatistik-Redaktion der Universität Mainz

Titelbild

Jon Bream: Dylan. Disc by Disc.
Edition Olms, Oetwil am See 2017.
252 Seiten, 29,95 EUR.
ISBN-13: 9783283012663

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