Von der Spekulation zum Wissen

Jürgen Kaube widmet sich in „Die Anfänge von allem“ der menschlichen Kultur

Von Sebastian MeißnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sebastian Meißner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In Die Anfänge von allem widmet sich Jürgen Kaube, renommierter Wissenschaftsautor und einer der vier Herausgeber der FAZ, den Anfängen der menschlichen Kultur. In 16 Kapiteln à 20 Seiten schildert er, wie der Mensch den aufrechten Gang, das Sprechen und Kochen erlernte, Kunst, Religion, Landwirtschaft und Städtebau erfand, schließlich Staaten gründete und Recht, Geld und Monogamie einführte. Kaube geht es in seinem Buch also nicht um technische Erfindungen, sondern um kulturelle Errungenschaften, um die Anfänge der menschlichen Gesellschaft, wie wir sie heute kennen. Dabei steht der zentrale Satz gleich am Anfang seiner Einführung: „Die wichtigsten Erfindungen haben keine Erfinder.“ Die Spurensuche führt in entfernte Zeiten, an mitunter vergessene Orte. In detektivischer Manier widmet sich Kaube dieser Aufgabe, leitet aus Wissen Vermutungen ab und schafft es so, keine weiteren „Könnte-so-gewesen-sein“-Geschichten zu formulieren.

In einem Interview sagte er über seine Motivation, ein solches Buch zu schreiben:

Was soll der Anfang einer Sache sein? Muss es nicht schon immer etwas gegeben haben, damit sich etwas entwickeln kann? Lange Zeit war das eine Art philosophische Unternehmung, es gab Spekulationen über diese Anfänge oder biblische Geschichten, Mythologien. Jetzt war einfach die Frage: Gibt es darüber auch Wissen? Und was für eine Sorte Wissen ist das?

Als Antwort bietet Kaube daher keine Namen und Jahreszahlen an. Vielmehr sensibilisiert er für die Themen, lässt den Leser teilhaben am Rechercheweg, eröffnet eine Metaebene. Man lernt auf diesem Weg vor allem etwas darüber, wie Versuche über das Anfangen – etwa in Form des Epos, der Geschichtsschreibung oder Forschung – unser (Selbst-)Verständnis beeinflusst. Und man lernt, neugierig zu sein, Fragen zu stellen, sich von Ideologien zu befreien und die Welt als gesellschaftliche Konstruktion zu begreifen. Eine versteckte Kernbotschaft lautet daher: Alles könnte auch ganz anders sein.

Angereichert mit zahlreichen Fakten und in einer stilsicheren, gut lesbaren Sprache ist Kaube ein durchweg unterhaltsames Buch gelungen. Er schreibt anekdotenreich und lebendig, ohne ins Plaudern abzudriften. Seine Kommentare sind zurückhaltend und hilfreich. Die Anfänge von allem ist ein Wissenschaftsbuch geworden, das sich liest wie ein Roman. Zahlreiche Abbildungen ergänzen die faktenreichen Ausführungen des Autors. Ein durch und durch bereicherndes Buch!

Titelbild

Jürgen Kaube: Die Anfänge von allem.
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2017.
448 Seiten, 24,95 EUR.
ISBN-13: 9783871348006

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