Hexenverfolgung im Wandel der Zeit
Wolfgang Behringers Kompaktdarstellung zur Geschichte der Hexerei in Afrika und Europa wird neu aufgelegt
Von Susanne Gresser
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDer Historiker Wolfgang Behringer ist ein Spezialist für die Frühe Neuzeit und bekannt für seine zahlreichen Publikationen zum Themengebiet der Hexenverfolgung.
2016 erschien seine erstmals im Jahre 1989 in der Beck’schen Reihe Wissen publizierte Kompaktdarstellung Hexen – Glaube, Verfolgung und Vermarktung in der sechsten Auflage. Wie in diesem Format üblich, ist der allgemeine Überblick zum besagten Thema, hier für das Spätmittelalter und die Frühe Neuzeit, das zentrale Anliegen. Die Darstellung wählt einen anthropologischen Zugang und basiert dabei auf keiner bestimmten Definition des Begriffs der Hexerei, da jede dieser für eine allumfassende Untersuchung zu partikular sei, wie der Autor in seiner Einleitung anhand mehrerer Beispiele aufzeigt. Die Kontinente Europa und Afrika untersucht er hierbei als Gegenpole im Nexus mit der dort praktizierten Hexerei, welche im Letzteren auch aktuell noch von Bedeutung sei.
Behringer unterteilt seine Rückschau in vier Abschnitte. Nach einer allgemeinen Einleitung, welche basierend auf verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven, beispielsweise der soziologischen, den Bogen ausgehend vom im 20. Jahrhundert gelebten Glauben an Magie in die vergangenen Epochen spannt, befasst er sich im ersten Kapitel mit dem „Hexenglauben“ selbst. Er betont seine globale Verbreitung bis zum heutigen Tage und den Jahrhunderte fortwährenden Kampf der Kirche gegen den selbigen.
Der zweite Abschnitt beschreibt, für den Geschmack der Rezensentin stellenweise zu datenbasiert, die „Hexenverfolgung“. Als Gründe für die Verfolgungsjagden führt der Autor vor allem unerklärbare Naturphänomene an, die den verdächtigen Personen, für ein geschehenes Unglück eine Erklärung suchend, angehängt wurden. Um das Jahr 1600 fielen laut Behringer so alleine in Deutschland, Polen, Litauen, der Schweiz und Frankreich ungefähr 43.000 Menschen der Todesstrafe für angeblich nachgewiesene Hexerei zum Opfer. In Form einer Reflexion der Organisation des Widerstandes folgt der „Kampf gegen die Hexenverfolgung“, der durch „die erhebliche Skepsis gegenüber dem Hexenglauben“ seitens der Verfolger eingeleitet wurde. Diese gibt ebenso Aufschluss über die gescheiterten Versuche, die damalige Bevölkerung durch kritische Schriften und Äußerungen zum Umdenken zu bewegen.
Im letzten Kapitel berichtet der Autor über die Rezeption der Hexenthematik anhand der Veränderung des Hexenbildes von einem durchweg Negativen in der Frühen Neuzeit zu einem konstant Positiven im 19. Jahrhundert. Diese sich im Zuge der Romantik vollziehende Entwicklung wurde vor allem durch Künstler wie Francisco Goya oder auch Jacob Grimm getragen, welche die zuvor der Schadenszauberei bezichtigten Damen in ein neues, von Faszination geprägtes Licht tauchten. Dies zeigt sich u.a. am Beispiel Jules Michelet, der die Verfolgten als „Kämpferin[nen] feudaler Unterdrückung“ titulierte. Im 20. Jahrhundert griffen die Medien das Motiv der Zauberei erneut auf. Das wohl aktuell geläufigste Exempel sind die weltweit bekannten Verfilmungen der Romane „Harry Potter“ von J. K. Rowling, die im 21. Jahrhundert sowohl Kinder als auch Erwachsene faszinieren.
Die Darstellung endet mit einem kurzen Epilog, in dem Behringer betont, dass bis heute Hexenverfolgungen als Spiegel zerrütteter Gesellschaften fungierten, in denen Menschen noch immer in der Hexerei die Ursache ihres Unglücks erkennen wollen.
Dem Schreiber gelingt es, einen Bogen von der Frühen Neuzeit bis ins heutige Afrika spannend, die wichtigsten Eckpunkte der komplexen Materie, basierend auf einem breiten Literatur- und Quellengerüst, herauszufiltern und dem Leser einen brauchbaren Überblick über Zusammenhänge und Fakten zur historischen Hexenforschung an die Hand zu geben, welcher von zahlreichen Tabellen und einer Zeittafel am Ende des Buches gekonnt visualisiert wird. Ein nicht mit der Thematik vertrauter Leser könnte allerdings des Öfteren über die vielen von Behringer verwendeten Fachtermini stolpern. Im Hinblick auf die von Behringer angesprochene Aktualität der Thematik vermisst die Rezensentin einen Überblick bzw. wenigstens einen erklärenden Satz zum Forschungsstand im noch jungen 21. Jahrhundert, denn aktuelle Publikationen – beispielsweise von Ralf-Peter Fuchs (z. B. 2003, 2010) oder Johannes Dillinger (2007) – sind in der Auswahlbibliographie nicht vorzufinden, von einem in der siebten Auflage (2010) herausgebrachten Werk des Autors abgesehen. Ergänzend hierzu wäre es interessant gewesen zu erfahren, wie afrikanische Historiker mit der Thematik umgehen, ein ggf. für die nächste Auflage interessanter Aspekt für den Ausblick.
Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen
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