Wie cool ist eigentlich die Rettung der Honigbiene?

Über Robin Stevensons Jugendbuch „Der Sommer in dem ich Bienen rettete“

Von Anja BeisiegelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anja Beisiegel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wolf hat es nicht leicht: Der Zwölfjährige lebt in einer Patchworkfamilie, die ältere Stiefschwester Violet ist pubertätsbedingt dauerhaft misslaunig und die kleine Schwester Whisper hört irgendwann einfach auf zu sprechen. Als ob das nicht schon schwierig genug wäre, beschließt seine Mutter Jade die Welt zu retten: Bereits seit langer Zeit Umweltaktivistin, konzentriert sie ihre Aktivitäten nunmehr auf die Rettung der Bienen.

Jade belässt es jedoch nicht bei der Teilnahme an einer Demonstration oder der Unterzeichnung einiger Petitionen. Nein: Sie steckt ihre gesamte Energie in den Kampf gegen das Bienensterben und spannt dabei ihre komplette Familie mit ein. „Vielleicht werde ich nie erleben, dass meine Kinder erwachsen werden, aber zumindest wollen meine Familie und ich in diesen letzten Jahren des Untergangs versuchen, auf eine Art und Weise zu leben, auf die wir stolz sein können.“

Curtis – Wolfs Stiefvater – baut notdürftig einen alten Ford-Transporter für die Familie um und streicht ihn bienenmäßig schwarz-gelb an. Jade näht für alle (Wolf eingeschlossen) putzige Bienenkostüme. Die Kinder werden von der Schule abgemeldet, die Wohnung aufgelöst und schon beginnt ein „Roadmovie“ der besonderen Art.

Das, wovon andere Kinder träumen – endlose Ferien ohne Schule und Hausaufgaben, viele neue Eindrücke und ständiges Auf-Achse-Sein – wird für Wolf zu einem schwierigen und anstrengenden Trip: Hin- und hergerissen zwischen der Loyalität zu den Idealen seiner engagierten Mutter und seinen eigenen Bedürfnissen versucht er seinen eigenen Weg zu finden. Schließlich war es Wolf selbst gewesen, der sich in einem Schulprojekt mit dem Bienensterben beschäftigt und damit das kritische Bewusstsein seiner Mutter erst in diese neuen Bahnen gelenkt hatte.

Die Autorin Robin Stevenson lässt Wolf die Geschichte dieses aufregenden Sommers aus der Ich-Perspektive schildern. Dabei kommt ein überaus lebendiges und spannend zu lesendes Buch heraus, das nicht nur Kinder ab zwölf Jahren in seinen Bann zieht. Wolf ist ein hervorragender Beobachter und Erzähler. Seine Mutter und deren Freund Curtis beschreibt Wolf mit nachsichtiger Loyalität. Mit seinen Analysen der Erwachsenenwelt liegt er meistens richtig: „Die Zwillinge kamen zur Welt, nachdem Mom und Curtis sich kennengelernt hatten, daher sind sie so etwas wie der Klebstoff, der uns zusammenhält und zu einer Familie macht.“

Die ziemlich unkoordinierte Tour zum Schutz der Bienenwelt enthält viele komische Momente. Überhaupt erduldet Wolf die großen und kleinen Malheurs seiner Heldenreise mit viel Humor. Aber ganz im Inneren ist er unglücklich, wenn er als Honigbiene verkleidet in seiner „gestreiften Volltrottelerscheinung“ herumlaufen muss. Da hilft es ihm auch wenig, dass andere Jugendliche es „cool“ finden, was Wolfs Familie in Sachen Bienenrettung auf die Beine stellt. Auf ihm lastet nicht nur die Verantwortung für seine kleinen Schwestern, auch die täglichen Auftritte in der Öffentlichkeit sind ihm peinlich. In ihm brodelt es: „Tief drinnen spürte ich etwas in mir hochsteigen wie sprudelnd heißes Magma, das unter den sich verschiebenden Erdplatten eingeschlossen ist. Der Druck wurde immer stärker, der Ausbruch steht kurz bevor.“

Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Autorin Robin Stevenson macht sich über das Engagement von Naturschutzaktivisten keineswegs lustig. Sie spielt auch die Brisanz des Bienensterbens nicht herunter, sondern bringt – ganz nebenbei – in ihrem Buch viele wichtige Informationen über Bienen und ihre ökologische Bedeutung unter. Obwohl Jade in ihrem Kampf für die Bienenrettung manchmal das Naheliegende durch die Lappen geht: Sie wird nicht als egoistische Rabenmutter abgestempelt. Ebenso wenig ist Wolf einfach nur ein bemitleidenswertes, fremdbestimmtes Geschöpf. Alle Familienmitglieder, die großen wie die kleinen, machen auf ihrem Sommertrip eine Entwicklung durch. In Der Sommer, in dem ich die Bienen rettete geht es gleichzeitig auch um einen Sommer, in dem sich eine ganze Familie wieder neu sortiert und – ja – rettet.

Titelbild

Robin Stevenson: Der Sommer, in dem ich die Bienen rettete. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Bettina Münch.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2017.
249 Seiten, 16,99 EUR.
ISBN-13: 9783499217821

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