Preisen will ich diesen großen Mann

Der Start der Dave Robicheaux-Reihe liegt vor: „Neonregen“ zeigt schon alles, was den Meister des Louisiana-Krimis auszeichnet

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Krimis sind Schemaliteratur, und gute Krimis weichen das Schema auf oder verstoßen energisch dagegen. In diesem guten Sinne undiszipliniert ist auch James Lee Burke, der mit der Dave Robicheaux-Serie zu Ruhm und Ansehen gekommen ist. Und das mit Recht. Der gleichfalls im Jahr 2016 erschienene siebte Band der Reihe, Mississippi Jam, war so unerhört aktuell was das Erstarken nationalistischer Tendenzen angeht, dass es einem schwer fiel, seine Entstehungszeit zu akzeptieren. Gewalttätige Nazis, ungehobelte und ungemein dämliche Kriminelle, das hat schon Sprengstoff, was Burke einem liefert. Und genau dafür wird er geliebt.

Was Burke kann, wird bereits im nun vorliegenden ersten Band der Reihe, Neonregen, deutlich, der schon so routiniert geschrieben ist, als hätte Burke nicht mit diesem Roman seine Krimischreiber-Karriere begonnen. Aber kein geringerer als Charles Willeford, der auch nie wirklich bis Deutschland gekommen ist, aber einer der wichtigsten amerikanischen Krimischreiber der letzten Jahrzehnte ist, hat bei Burkes Erstling Pate gestanden. Und man ist froh, dass es so weit gekommen ist.

Die heftigsten Klischees drängen sich auf, wenn es darum geht, Burkes Krimi zu beschreiben – und dabei gleich zu loben: prall, vital, ungeheuer farbenprächtig und gewalttätig – man kommt sich vor wie der belesene Liebhaber Umberto Ecos, der nie ohne Bedenken sagen kann, dass er liebt, aber keine Wahl hat, weil ihm einfach keine anderes Wort zur Verfügung steht.

Loben wir also ohne Bedenken diesen Roman, der einen in eine Welt entführt, in der man nicht sein will, die aber als Leseerlebnis ungeheuer faszinierend ist. Man will nichts mit diesen Polizisten zu tun haben, die sich zu Rächern der Entehrten machen und dabei nicht davor zurückscheuen, sich zum Büttel eines anderen Kriminellen zu machen. Man glaubt nicht an die Kaltschnäuzigkeit des Helden, der noch unter der schärfsten Folter sein Schandmaul nicht halten kann – und der sich aus noch so aussichtslosen Situationen zu befreien weiß. Man will nichts mit jemandem zu tun haben, dessen Recherchen sich darauf beschränken, herumzulaufen und haltlose Behauptungen auszustoßen, in der Hoffnung, dass eine davon Bestand hat. Man beneidet Burkes Helden nicht darum, dass er den Kopf nicht aus dem Sand bekommt und jede Menge Prügel einstecken muss. Aber wir beobachten ihn dabei, und fragen uns gelegentlich, wie er es immer wieder schafft, sich selbst aus dem Dreck zu ziehen.

Es ist ein merkwürdiges Phänomen, dem Helden dabei zuzuschauen, wie er der nächsten Tracht Prügel völlig ungehemmt und blind in die Arme rennt. So, als ob das die einzige Möglichkeit wäre, dass er sich seiner Körpergrenzen bewusst wird, ein Gefühl, das anscheinend durch den Alkoholgenuss verloren gegangen ist.

Robicheaux besucht kurz vor dessen Hinrichtung einen Kleinkriminellen, der ihm steckt, dass er für den Mord, den er büßen soll, nicht verantwortlich ist. Johnny Massina bittet aber nicht um sein Leben, sondern setzt eine andere Art Gerechtigkeit in Gang, die von Robicheaux repräsentiert wird. Robicheaux springt auf den Hinweis an und so fügt sich der Mord an der jungen Frau, den Johnny Massina nicht umgebracht hat, mit der Leiche einer jungen Frau, die im Sumpf gefunden worden ist.

Etwas Ähnliches findet sich auch bei diesen Morden, eine skandalöse Interessenverbindung von Kriminellen, Polizisten und Politikern, die Robicheaux immerhin aufsprengt. Allerdings quittiert er selbst zum Schluss des Romans den Dienst, weil die Polizei ihn gehetzt hat, weil sein Partner ein Amokläufer ist, weil er Gerechtigkeit als Polizist nicht durchsetzen kann, während er am Recht schon nicht mehr interessiert ist.

Aus den frühen Hard-boiled-Krimis hat Burke das Muster des korrupten Systems übernommen, dessen Handlanger die Polizei ist und gegen das Gerechtigkeitsromantiker wie Robicheaux auftreten müssen. Er hat dies moderat gewandelt und auf eine Stadt wie New Orleans zugeschnitten, wobei man Robicheaux wegen seines Lebenswandels beneiden will (nicht wegen der Prügel, die er bezieht). Ein Bootsverleih, abends am Wasser zu sitzen und ein Bierchen zu schlürfen, was gibt es schöneres? Nur dass so wenig von der Hitze und den Moskitos zu lesen ist, die ja nun gleichfalls Wärme und Feuchtigkeit mögen. Da ist es gleich wieder vorbei mit der vermeintlichen Idylle.

Und eine Idylle soll es am Ende sein, die Robicheaux hier verteidigt, Seine neue Frau, mit der er guten Sex hat und die ihn vom Alkohol wegbringt, sein neuer Job, seine privaten Ermittlungen – das ist ein fast Marxsches Modell eines erfüllten Lebens in einer befreiten Welt, nur das letzteres eben noch fehlt.

Und bevor es einer bemerkt – man kann all das natürlich auch gegen Burkes Krimi einwenden, wenn man ein Spaßverderber ist.

Titelbild

James Lee Burke: Neonregen. Ein Dave-Robicheaux-Krimi.
Übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von Hans H. Harbort.
Pendragon Verlag, Bielefeld 2016.
432 Seiten, 17,00 EUR.
ISBN-13: 9783865325488

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