Belanglose Tändeleien
In ,,Habe nichts mehr außer mir“ versammelt Andreas Schimmelbusch Kurzgeschichten von Großstadtaffären und der Suche nach der großen Liebe
Von Johanna Manger
Besprochene Bücher / LiteraturhinweisePartys, Bars, Restaurants, Großstadtwohnungen in New York, Frankfurt oder Reykjavik – es sind die unterschiedlichsten Orte, an denen sich die flüchtigen Liebschaften in Andreas Schimmelbuschs Kurzgeschichtensammlung Habe nichts mehr außer mir abspielen. Doch diese haben alle eine Gemeinsamkeit: Sie sind unglücklich, verwirrend und nicht selten chaotisch.
Meist aus distanzierter Perspektive, gelegentlich aber auch selbst in die Ereignisse involviert, berichten die Erzähler der insgesamt sieben Kurzgeschichten von Affären, deren Leichtlebigkeit stets von Alkohol und Drogen begleitet wird. Die meisten der Figuren, deren Leben auf verschiedenste Weise aus dem Ruder zu laufen scheint, machen einen heruntergekommenen Eindruck und sind, wie die Erzähler selbst, umtriebige, einsame Charaktere, mit ihrem Leben unzufrieden und auf der verzweifelten Suche nach menschlicher Bindung und Liebe.
Interessant an Schimmelbuschs Storys, wie er sie nennt, ist die Erzählperspektive. Durch die Beobachtungen und Erlebnisse des Erzählers werden wir des Glückes, der Verzweiflung und der Intimitäten von Figuren gewahr, die meist selbst nicht handelnd auftreten. Nicht nur die Erzähler, sondern auch wir als LeserInnen nehmen somit eine beinahe voyeuristische Position ein. Wie sehr die Erzähler jedoch auch selbst Teil des von ihnen dargestellten umtriebigen Lebens der anderen sind, wird in den Berichten über ihre eigenen Liebesaffären deutlich. Die nicht besonders tiefgründigen Geschichten sind einfach zu lesen und scheinen ihrer Episodenhaftigkeit mit fast schon selbstironisch übertriebenem Pathos zu begegnen.
Während der Erzähler in Heute noch oder morgen schon, der ersten Geschichte des Bandes, in einer isländischen Hotelbar nach und nach die Trennungsgeschichte der beiden Hotelgäste Johnny und Kate auskundschaftet und am Ende nur ganz beiläufig von seiner eigenen Affäre berichtet, ist Julian, der Erzähler in Der ranke Brite, selbst Hauptakteur in Sachen Beziehung. Auch noch so viele Drinks können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass seine Affäre mit Daisy nicht so erfolgreich ist wie die Flirts jenes „ranken“ britischen Musikers, den er auf einer New Yorker Party trifft und den er sich sofort neidvoll zum Vorbild nimmt. Kaum ist das eine Liebesabenteuer beendet, erlebt er zwar schon ein neues, allerding verlässt ihn die Dame bereits nach so kurzer Zeit wieder, dass er nicht einmal dazu kommt, ihren Namen zu erwähnen anstatt sie nur mit „die Neue“ zu bezeichnen. Dabei schienen seine Gefühle für sie schon so alltäglich geworden zu sein, dass er feststellt: „Ich liebte sie auch, davon ging ich aus.“ Was ihm bleibt ist der langsam wachsende Hass auf New York, wo das leichte Liebesleben einfach nicht gelingen will – da scheint auch der Misserfolg des Briten, der sich am Ende umbringt, mehr deprimierend als tröstlich.
Vielleicht um etwas mehr Spannung aufzubauen, schreibt Schimmelbusch in Frau mit Waffe von einem Verbrecherpaar, das in einer Frankfurter Wohnung einen Mann gefesselt hält. Dieser wird nur als der Schnösel bezeichnet, tut nichts weiter als „schnöselig“ zu winseln und kann sich auch sonst – wenig einfallsreich – nur entweder „schnöselig“ oder „unschnöselig“ verhalten. Diese sehr unglaubwürdig wirkende Episode dreht sich aber vor allem um Elisabeth, eine junge Polizeistudentin, die sich anstatt den Fall aufzuklären in Andreas, den sie durch geschicktes Rollenspiel in einer Bar eigentlich hätte stellen sollen, verliebt und mit ihm durchbrennt.
Etwas konventioneller geht es beispielsweise in Oschätzchen zu. Die Hauptfigur, die ihren Spitznamen „Oschätzchen“ aus unerfindlichen Gründen nicht loswird, was das Lesen der Geschichte mitunter etwas anstrengend macht, verliebt sich im Kino in eine junge Schauspielerin. Schon kurz darauf trifft er „die Junge“ durch die vermittelnde Hilfe seines flüchtigen Bekannten Klein. Vielleicht sollte man die Geschichte ebenso selbstironisch lesen wie die Szene, in der Klein die beiden einander durch „Junge, Oschätzchen, Oschätzchen, Junge“ vorstellt, vielleicht aber müsste man schon ebenso „tief ins Glas geschaut haben“ wie die beiden Tändelnden, um diese offen endende Affäre nicht einfach nur belanglos zu finden.
Die Leichtigkeit kommt in diesen sieben Storys nicht nur durch die ständig scheiternden Beziehungsversuche, sondern auch durch die oft umständliche, etwas gestelzt wirkende Ausdrucksweise abhanden. Kommentare wie: „[…] obwohl man ahnte, dass diese eher partikuläre Einsicht des Schnösels stark temporär begrenzt sein würde“ haben eine distanzierende Wirkung, „von seinem Getränk zu trinken“ erscheint gar zu offensichtlich und die zu häufige Verwendung von Füllwörtern wie „eher“, „jedoch“ und „doch“ lassen die Texte etwas unentschlossen und ungelenk wirken. Was aber vor allem stört, sind die oft deplatziert erscheinenden Sprichwörter, Parolen und Anspielungen. So gibt der Erzähler dem Kellner in der New Yorker Bar „vorsichtshalber einen Wink mit dem Zaunpfahl“, um Drinks zu bestellen, stellt während des intimen Beisammenseins mit seiner Geliebten fest, dass „ihr jetzt nicht etwa Laute der Freiheit, der Gleichheit, der Brüderlichkeit [entströmten]“, bezeichnet körperliche Annäherungen als einen „handgreiflichen Abend“ oder versichert: „Gudrun saß und rauchte in gewohnter Manier, im Westen nichts Neues.“
Insgesamt findet im Leben der Charaktere wenig Neues und kaum Entwicklung statt. Die Grundstimmung ist fast immer gleich trostlos und so bleibt ihnen am Ende tatsächlich nicht viel mehr außer sich selbst und den LeserInnen wohl ein ähnlich leeres Gefühl – vor allem aber kaum etwas zum Nachdenken.
Ein Beitrag aus der Komparatistik-Redaktion der Universität Mainz
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