Meister der radikalen Bitterkeit

Alexander Kluy legt die erste umfassende Biografie des Zeichners und Malers George Grosz vor

Von Klaus HammerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Klaus Hammer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

George Grosz geißelte die Konformität der Weimarer Politik – die leeren Ansprachen und Schlagworte, die Versprechungen einer besseren Zukunft an die Generation der im Ersten Weltkrieg traumatisierten Menschen, den Phrasen dreschenden Patriotismus. In Republikanische Automaten (1922) erblickt man zwei Kriegskrüppel, einer im Smoking und gestärkten Hemd mit Eisernem Kreuz, der andere mit steifem Kragen und Bowler, beide also Angehörige der Bourgeoisie. Der mit dem Holzbein schwenkt eine deutsche Flagge; unter der Achselhöhle der anderen Puppe surren Zahnräder. Aus ihrem leeren Eierschalenschädel kommt ein nicht enden wollendes Hurrageschrei.

Aber um die privaten Beziehungen in der Gesellschaft, besonders um die Liebe, ist es nicht besser bestellt als um die offiziellen. Daum heiratet (1920) zeigt einen kleinen mechanischen Mann, den „Junggesellen“, der für die „abstrakte“ Arbeit des Dadaisten als Hersteller von Maschinenmontagen steht, während die rundliche „Braut“, eines von Grosz’ schonungslosesten Bildern einer Berliner Hure, deutlich auf den real-gesellschaftlichen und politischen Aspekt von Dada Bezug nimmt. Der Marionettenmann ist wieder der Mann der Weimarer Republik, eine Null, von der Gesellschaft mit bestimmten Wünschen programmiert und in einen fleißigen Konsumenten verwandelt. Grosz macht dies an den körperlosen Händen deutlich, die Informationen in seinen Kopf einspeisen. Die einzig mögliche Braut für einen derartigen Junggesellen ist eine Hure, deren Leidenschaften genauso mechanisch wie ihre Handlungen sind.

„Grosz war der satirische Zeichner. Er gab der herrschenden Klasse der Weimarer Republik erst das wahre Gesicht“, heißt es bei Alexander Kluy. Der Journalist und Autor von Sachbüchern wie einer Kulturgeschichte des Eiffelturms und einer Biografie von Joachim Ringelnatz hat jetzt die erste umfassende Biografie von George Grosz vorgelegt. König ohne Land lautet der Untertitel in Anspielung auf eine Selbstbezeichnung des Künstlers im Jahr 1932 gegenüber einem Freund. Komplizierte Widersprüche machten sein Leben und sein Wesen aus. „Wenn er Ja sagte, meinte er meistens Nein“, wusste sein Dada-Kollege Richard Hülsenbeck zu berichten. Kluy spricht von „kaleidoskopischen Rollenspielen“. Grosz war zunächst ein Dandy des Fin de Siècle, der durch Selbststilisierung und Selbstkarikatur hervorstach. Er war Moralist und Bürgerschreck, der erotischen Halbwelt zugetan – in der Identifikation mit Gewalt und Lust ging er an die Grenzen des Möglichkeiten –, aber ebenso ein scharfsinniger Beobachter der sozialen Wirklichkeit. In seiner existenziellen Einsamkeit, die für Kluy teilweise eine Inszenierung und Stilisierung ist, trieb er ein Spiel mit diversen Identitäten, schlüpfte in alle möglichen Rollen, suchte sich mit absurden, grotesken, aberwitzigen Bildern gleichsam zu „therapieren“. Grosz wusste um die prekäre Rolle des Künstlers in der Gesellschaft, sah in ihm den Gauner, Betrüger, Gaukler, Clown und näherte sich Thomas Manns Gleichsetzung des Künstlers mit dem Hochstapler an.

Kluy hat für sein Buch umfassend recherchiert, Archive ausgewertet, Museumsbestände gesichtet, die Selbstzeugnisse des Künstlers genauso wie die zeitgenössischen Urteile anderer zu Grosz zur Kenntnis genommen und die umfangreiche Sekundärliteratur durchgearbeitet. Er zitiert viel, mitunter ganze Seiten lang, will Authentizität herstellen, das Leben und Schaffen des Künstlers in den historischen, kultur- und kunstgeschichtlichen Kontext einbetten. Er hätte aber auch Haupt- und Schlüsselwerke des Künstlers stärker ins Auge fassen sollen.

Noch während seiner Ausbildung in Dresden hatte Grosz seine ersten Karikaturen in einer Beilage zum Berliner Blatt, dem Ulk, veröffentlicht. Dann, nachdem er sein Studium an der Berliner Kunstgewerbeschule bei Emil Orlik fortsetzte, widmete er sich sozialen Themen, schenkte Landstreichern, Alkoholikern, Prostituierten und Artisten seine Aufmerksamkeit:

Ich wollte Illustrator werden, die hohe Kunst interessierte mich nicht, soweit sie die Schönheit der Welt darstellt – mich interessierten die verpönten Tendenzmaler und Moralisten: Hogarth, Goya, Daumier und ähnliche. Ich zeichnete und malte aus Widerspruch und versuchte durch meine Arbeiten die Welt zu überzeugen, dass diese Welt hässlich, krank und verlogen ist.

Grosz hatte sich aber auch an den gesellschaftskritischen Zeichnungen von Wilhelm Busch geschult und vermochte es ähnlich wie dieser, die Präzision der zeichnerischen Geste zu einem Vorgang des Sezierens zu steigern. Zeichenstift und Feder wurden ihm zum Skalpell. Im Schützengraben des Ersten Weltkrieges protestierte er gegen den Krieg, provozierte bis zur Meuterei und konnte nur mit Mühe vor dem Kriegsgericht und vor der Exekution bewahrt werden, indem Harry Graf Kessler ihn in ein Lazarett für Kriegsirre rettete. Nach dem beendeten Weltkrieg zeichnete Grosz, der 1916 aus Hass gegen das Krieg führende Deutschland seinen Namen amerikanisiert hatte – aus Georg Groß wurde George Grosz –, sich 1919 selbst, und dieses Blatt ist ein einziges Befragen der Umwelt mit dem Sezierstift, ein Durchdringen und Entlarven aller Erscheinungen, die sich im Leben wie in der Zeichnung um ihn gruppieren.

Grosz hatte sich künstlerisch die neuen Strömungen zueigen gemacht: den Gedanken der Simultaneität, der futuristischen Schachtelperspektiven mit divergierenden Blickrichtungen, der Verwandlung, der immerwährenden Bewegung, in der er selbst und der gerade ansetzende Zeichenstift feste Bezugspunkte bleiben. Collagenartig montierte Wortfetzen zitieren das Straßenbild der Berliner Großstadt, deren Häuserwände er aufsprengt, um das Dahinter zu befragen. Über die Skizzenhaftigkeit hinaus hat die nach unmittelbarem Ausdruck suchende Zeichenkunst von Grosz zwei weitere Quellen: Graffiti und Kinderzeichnungen, auf die Kluy nachdrücklicher hätte verweisen müssen.   

Grosz lernte die Brüder Herzfelde kennen. Mit seinen „Fantomatischen Figuren“ begann sein Dada-Spiel mit diversen Identitäten. Noch 1916 hatte sich der Künstler als Der Liebeskranke in der todessüchtigen Rolle des aristokratischen Individualisten „Graf Ehrenfried“ gemalt. Der publizierte Zeichner Grosz wurde zum gedruckten Lyriker. Zwischen Bänkelsang, Vulgaritäten und mehrsprachigen Wortcollagen bewegen sich seine lyrischen Texte, die zwischen 1914 und 1925 entstanden. Willi Wolfradt, der frühe Biograf des Künstlers, hatte als erster auf das ausgesprochen Literarische im Werk des großen Zeichners hingewiesen. Schon die Bildunterschriften sind bei Grosz untrennbarer Bestandteil einer Satire, der den entlarvenden Charakter der Grafik noch ergänzt und verstärkt.

Das Amerika der Wildnis und der Abenteurer reizte den Künstler. Der Abenteurer wurde eine zentrale Chiffre für Grosz’ Denkart und Kunst zwischen 1915 und 1920. Das Bild Der Abenteurer (1917) ist ein Hymnus auf den Traum des Künstlers von Amerika und vom Wilden Westen, gemalt in einem futuristischen Bilderbogenstil. In der Kleinen Grosz-Mappe von 1917 wird die Satire zum politischen Akt erhoben. Widmung an Oskar Panizza (1917) und Deutschland, ein Wintermärchen (1918), das auf der Ersten Internationalen Dada-Messe in Berlin gezeigt wurde, sind Manifestationen über den Ungeist der Zeit. Widmung an Oskar Panizza bezeichnete Grosz als „großes Höllenbild“ und als ein „Leichenbegängnis“ – es steht in der Tradition von Hieronymus Bosch, Pieter Bruegel und James Ensor. Auch Deutschland, ein Wintermärchen ist ein düster verdichtetes, futuristisch verschachteltes Ölbild: Da sitzt er am Tisch, der hässliche Deutsche im Soldatenrock, vor sich ein abgenagtes Hühnerbein, das halb geleerte nationale Bier und eine dicke Zigarre. Ganz vorn die unheilige Trinität aus Pastor, General und Professor Unrat. Genannt werden müssen aber auch John, der Frauenmörder – er eilt aus dem Bild, sein Opfer, eine Prostituierte mit zerschlagenem Gesicht, aber unversehrtem Körper, zurücklassend – und, noch schauerlicher, Der Frauenschlächter (beide 1918): das Opfer noch in der Ekstase, der Mörder in der Befriedigung seiner Sexualgier. Dann folgte das Ende von Dada. In der Tat, der Dadaismus hat im engagierten Werk von Grosz eine wesentlich die Aussage unterstützende Funktion ausgeübt.

In den 1920er Jahren kam es zu einer Wendung in seinem Werk. Er entdeckte die Welt Giorgio de Chiricos und dessen Pittura metafisica, den mechanischen Menschen in völliger Anonymität darstellend (Ohne Titel, 1920). Grosz fand eine neue malerische Herausforderung, einen sachlichen Stil, der bald „Neue Sachlichkeit“ genannt wurde. Nach seiner Russland-Reise trat Grosz aus der KPD aus. Das Sammelwerk Ecce homo (1922/23) führte jahrelang zu einem Prozess wegen Pornografie, der letztlich niedergeschlagen wurde. Bereits die erste Frankreich-Reise, der noch zwei weitere folgen sollten, hat das Ergebnis, dass Grosz neben Max Ernst die erste Einzelausstellung eines deutschen Künstlers seit Kriegsende in Frankreich erhielt. Grosz wurde Mitglied des „Club 1926“. Er stellte Hauptwerke wie Sonnenfinsternis und Stützen der Gesellschaft (beide 1926) fertig. „Sonnenfinsternis“ ist eine politische Allegorie auf die Obrigkeit der Weimarer Republik: Hindenburg in der Marschallsuniform des Ersten Weltkrieges erhält seine Anweisungen von den Militär- und Wirtschaftsbossen, die er an die kopflosen Minister-Marionetten weitergibt. Der Pappesel mit Scheuklappen – das Volk – frisst gehorsam die Pressenachrichten aus seiner Krippe.

Der Berliner Galerist Alfred Flechtheim präsentierte 1927 die erste umfassende Überblicksschau von Grosz’ Arbeiten von 1914 bis 1927, die Preußische Akademie der Künste räumte ihm eine Extra-Sektion mit 16 Arbeiten ein. Die Blätter der Mappe Hintergrund (1928) wurden wegen „Gotteslästerung“ beschlagnahmt. Das Ölgemälde Der Agitator (1928) ist eine Auseinandersetzung mit Adolf Hitler, in diesem Zerrbild eines Demagogen, eines Jahrnarktsschreiers und Spießers aus Teutonien im Zustand der Raserei, soll die ganze Republik der „knotik dummen bornierten Scheißer“ (Grosz) verhöhnt werden. Ab 1929 wurden die Verbalattacken gegen Grosz von Rechtsaußen immer zahlreicher und schärfer. In fünfter und letzter Instanz wurde vor dem Reichsgericht in Leipzig das Gotteslästerungsverfahren wieder aufgenommen. Der gekreuzigte Christus mit der Gasmaske und den Infanteriestiefeln, den Grosz aus mahnender Erinnerung gezeichnet hat und der Blatt 10 der Mappe Hintergrund (1928) bildet, musste entfernt und die Druckvorlagen vernichtet werden. Dieser Ecce Homo am Kreuz ist nichts weiter als erbärmlich. Grosz verfasste im Dezember 1931 einen Abrechnungstext Kunst vorbei mein Lieber. Da er sich in einer schwierigen finanziellen Lage befand, folgte er einer Einladung der Art Students League in New York. Denn Grosz war inzwischen zum Anreger und Vorbild für junge linke Künstler geworden.

In New York war ein Monster erwartet worden, schreibt Kluy anschaulich, es erschien aber ein gut bürgerlich gekleideter Herr mit guten Umgangsformen und einer Zuneigung zu Amerika. Ausführlich setzt sich der Autor damit auseinander, warum Grosz in New York so gefragt war. Grosz zeichnete seinen Schülern vor und demonstrierte seine Taschenskizzenbuch-Methode, wie man Zeichnungen unterwegs, auf der Straße, im Bus, im coffeehouse blitzschnell anfertigt. Er war fasziniert vom Pragmatismus und der lebensbejahenden Einstellung der Amerikaner. Es waren jetzt die Beobachtungen eines Satirikers, dem das in Hassliebe verbundene Objekt langsam abhanden zu kommen schien. Das bestärkte Grosz in der Absicht, seine Emigration in die USA vorzubereiten. Er kehrte noch einmal nach Berlin zurück, begann sich ein neues Selbstbild „als bourgeoiser Abtrünniger“ zu konstruieren und entwarf ein polemisches Bild der Emigranten. Was ließ Grosz in Berlin, im Savignyplatz 5, zurück? Als nach Hitlers Machtergreifung ein Mordanschlag auf Grosz verübt werden sollte, fand man dessen Wohnung und Atelier leer. Seine 286 in Museumsbesitz befindlichen Arbeiten wurden aussortiert und zum größeren Teil vernichtet.

1937 schloss das Sterne Grosz Studio for the Art in Painting in New York. Grosz war nun wieder ganz auf sich selbst gestellt. Kluy hebt hervor, dass nunmehr in Grosz’ Arbeiten die kontrastreiche Hierarchisierung, das Gegeneinander von Oben und Unten fehlte. Es kam zu einer Motivveränderung, jetzt trat die Darstellung der Natur in den Vordergrund, daneben entstanden Stillleben, eine scheinbare Idylle, andererseits aber auch apokalyptische Darstellungen und Bürgerkriegsthemen. Die Bitterkeit, das Groteske richteten sich gegen den Nationalsozialismus und den Faschismus in Europa. Endzeitvisionen in der Nachfolge Bruegels, Boschs und der Welt der Grausamkeiten Francisco de Goyas entstanden.

1941 widmete das Museum of Modern Art Grosz eine Retrospektive, fünf Jahre später erwarb es erstmals Gemälde von ihm. Ist der Satiriker Grosz lyrisch geworden, hat er sich zum bürgerlichen Maler entwickelt, fragt das Time Magazine. Grosz stellte jetzt die peinture pure auf das Podest der Unantastbarkeit. Und doch hat er – stellt Kluy fest – seine antifaschistische Gesinnung stets bewahrt. In vielen Zeichnungen hat er zu Ereignissen in Nazi-Deutschland Stellung genommen. Die Tuschzeichnung Apokalyptischer Reiter hat er im dritten Jahr des Zweiten Weltkrieges nochmals als Ölgemälde ausgeführt und 1943 das unheimliche Bild Der Wanderer vollendet. Es zeigt den Künstler einsam in einer Sturmnacht durch tiefen Morast waten. Grosz schuf Visionen des großen Völkermordens in Europa. Nach Kriegsende malte er 1946 das surrealistische Bild Der Höllenschlund, das ebenso ergreifend ist wie das Gemälde Friede II. „Es stellt eine durchlöcherte Welt dar, jedenfalls einen teilweise durchlöcherten Teil einer Traumwelt“, äußerte sich der Künstler und fügte hinzu: „My best oil to date“. Ja – und hier ist Kluy zuzustimmen –, Grosz hat in Amerika nicht nur romantische Landschaften, Stillleben, Porträts und Frauenakte gezeichnet oder aquarelliert. Ihn hat das Schicksal der in Nazi-Deutschland verhafteten und gefolterten Menschen, der in Spanien für die Republik kämpfenden Soldaten und der Millionenmassen, über die die Schrecken des Zweiten Weltkrieges sechs Jahre wie eine Furie dahinrasten, nicht losgelassen.

Das Schreiben seiner Memoiren A Little Yes and a Big No (1949) war dann ein Sich-Zurück-Wenden aus Amerika nach Berlin, Dresden und Pommern. Grosz wurde jetzt zu den zehn bedeutendsten Malern in den USA gezählt. Aber seine Bilder konnte er nicht verkaufen. Eine Rückkehr in das Nachkriegsdeutschland kam für ihn noch nicht in Frage. 1948 zeigte er eine Ausstellung unter dem Titel The Stick Men – Insektenmenschen, apokalyptische Protagonisten, die die Gestalt von Spinnen oder Käfern angenommen haben. Es sind Protagonisten des Nichts in Nicht-Landschaften – Ausdruck seines kulturkonservativen Pessimismus. Anfang der 1950er Jahre befand sich Grosz in heller Verzweiflung – Leere, Verdruss und Mutlosigkeit hatten ihn überfallen. So kam es zu zwei Reisen nach Deutschland, auf der zweiten fiel die Entscheidung, endgültig nach Berlin zurückzukehren. Seine Frau Eva drängte darauf, aber auch Grosz resignierte angesichts des flächendeckenden Erfolges des Abstrakten Expressionismus in Amerika. Aber war die Kunstszene in Nachkriegsdeutschland tatsächlich der Figuration zugeneigt, wie Grosz zunächst glaubte?

Vorher entstanden in den Staaten noch Collagen in einem postdadaistischen Sinne – sind sie ein Vorgriff auf die Pop Art oder Selbstplagiat? Die Collagen sind grotesk, bruchstückhaft, entlarvend, in Myself and New York (1957) führt Grosz sich selbst als Clown und Varietégirl auf, Abgesang auf eine Kunst, die im kapitalistisch-saturierten Großstadtmoloch überflüssig geworden zu sein scheint. Der Schriftsteller Hans Sahl, der auch 1933 nach New York emigriert war und mit dem Grosz intensiv korrespondierte, äußerte sich so: „Grosz blieb auch als Amerikaner ein Dadaist, indem er das Yankeetum dadurch ad absurdum führte, dass er es todernst nahm und sich zugleich innerlich darüber totlachte“. Grosz’ letzte Auftritte in den USA scheinen eine Bestätigung dafür zu sein. Der Künstler spielte als kaleidoskopisches Vexierspiel scheinbarer Selbsterkenntnis auch „Modelle eigenen Verhaltens vor, durch die er zeigte, was für ein Mann der G.G. eigentlich sei“.

Grosz kehrte 1959 nach Berlin zurück, wo er nach nur wenigen Wochen im Juli verstarb. Nach einem letzten Gespräch mit dem Kritiker Martin G. Buttig und einer durchzechten Nacht stürzte er in seinem Berliner Domizil die Treppe herunter – und als er am darauffolgenden Morgen aufgefunden wurde, kam jede Hilfe zu spät.

Eine aussagekräftige Grosz-Chronik am Ende des geradezu enzyklopädisch anmutenden Buches, das uns nicht nur den Zeichner und Maler, den Zeitgenossen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sondern auch den Menschen Grosz in seinen Widersprüchen näher bringt, wäre nützlich gewesen, denn in der Material- und Gedankenfülle geht oft der rote Faden verloren, den man dann erst wieder mühsam rekapitulieren muss. Der Biograf Kluy bemüht sich, auch das Leben und Schaffen von Grosz in seiner amerikanischen Zeit ins rechte Licht zu rücken, dennoch wird der Künstler seinen ihm zugewiesenen Platz als satirischer Chronist der Weimarer Republik behalten. Gerade Grosz hat der Nachwelt die Physiognomie dieser Epoche überliefert.

Titelbild

Alexander Kluy: George Grosz. König ohne Land. Biografie.
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2017.
476 Seiten, 25,00 EUR.
ISBN-13: 9783421047281

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