Die Außenseiter der Republik

Hans-Albert Walters große Darstellung der „Deutschen Exilliteratur 1933–1950“

Von Irmela von der LüheRSS-Newsfeed neuer Artikel von Irmela von der Lühe

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es ist keine Übertreibung, in ihm den Nestor der bundesrepublikanischen Exilforschung zu sehen: Hans-Albert Walter (1935–2016) hat die Erforschung der historisch-politischen Voraussetzungen, der kulturellen, mentalen und existenziellen Folgen, die sich für Künstler, Wissenschaftlicher, Schriftsteller und Intellektuelle aus der Machtübertragung an Adolf Hitler ergaben, zu seiner Lebensaufgabe gemacht. Wiewohl ohne akademischen Abschluss und damit ohne die Weihen des universitären Betriebs hat Hans-Albert Walter, der aus einem antifaschistischen Elternhaus stammte und durch die Lektüre von Thomas Manns Doktor Faustus und Bertolt Brechts Gedichten mit einer in den frühen 1950er Jahren systematisch verdrängten und zuvor heftig verfemten Literatur des „anderen“ Deutschland bekannt wurde, sich der Sammlung, Edition und Kommentierung der deutschsprachigen Exilliteratur verschrieben. Sie wurde zu seinem Lebensthema; gegen alle materiellen und institutionellen Widerstände hat er sein Ziel einer Gesamtdarstellung der Deutschen Exilliteratur 1933–1950 bis in die letzten Tage seines Lebens verfolgt.

Auf weit mehr als die nunmehr vorliegenden vier großen Bände war das Werk ursprünglich angelegt, einen ersten Einblick lieferte der 1972 noch in der „Sammlung Luchterhand“ erschienene zweite Band über Asylpraxis und Lebensbedingungen in Europa; es folgten 1984 im Metzler Verlag eine erweiterte Ausgabe unter dem Titel Europäisches Appeasement und überseeische Asylpraxis sowie 1988 Internierung, Flucht und Lebensbedingungen im Zweiten Weltkrieg als Band 3. Der vierte Band Exilpresse war bereits 1978 erschienen und bietet ( trotz des 1990 erschienenen Handbuchs der deutschen Exilpresse 1933–1945 von Lieselotte Maas) einen noch immer hilfreichen Einblick in verlegerische Versuche, publizistische Projekte sowie die zum Teil nur kurzlebigen, häufig aber auch über mehrere Jahre erscheinenden Periodika, Zeitungen und Zeitschriften des Exils. Im Jahr 2003 folgte der erste Teilband der insgesamt als Auftakt geplanten Vorgeschichte des Exils und seine erste Phase. Die Mentalität der Weimardeutschen.

Mit einer zusammenfassenden Bilanz dieser Studie beginnt denn auch der nun postum veröffentlichte und damit das Gesamtprojekt abschließende Teilband 1.2 Weimarische Linksintellektuelle im Spannungsfeld von Aktionen und Repressionen. Auf knapp 800 eng bedruckten Seiten erhält der Leser Einblick in die  partei- und kulturpolitischen Konstellationen, in die ideologischen Konfliktfelder, die sich von der Frühphase der Republik bis zum Vorabend der „Machtergreifung“ verschärfen und insbesondere die „Links-Intellektuellen“ mehr und mehr zu „Außenseitern“ machen sollten. Es geht Walter vor allem um die Rekonstruktion von „Lebensgefühl und Zeitatmosphäre“, die im Streit um das „Diktat von Versailles“, um Reparationsleistungen und Rheinlandbesetzung modelliert wurden und nicht selten mit einer idealistisch-utopischen Vorstellung von Politik und politischem Handeln einhergingen.

Zu Recht betont Walter den schon während des Ersten Weltkriegs und sodann während der kurzen räterepublikanischen Vorgeschichte der Weimarer Republik aufbrechenden Dissens zwischen „patriotischen“ und „nationalistischen“ Kräften in der „linken Intelligenz“. Tucholskys publizistische Invektiven gegen den Reichspräsidenten Friedrich Ebert, Heinrich Manns Plädoyer für „Geduld“ und beider wie auch vieler anderer Hoffnung darauf, dass die – im Grunde ungeliebte und daher stets skeptisch beäugte – Republik doch wenigstens eine Republik des „Geistes“ werden würde, sodass nach Monarchie und Weltenbrand die Intellektuellen als „geistige Arbeiter“ Verantwortung in Staat und Gesellschaft würden übernehmen können: Solche und viele weitere Visionen, Wünsche und Forderungen findet man in Walters Darstellung gleichermaßen beispielhaft wie systematisch beschrieben. Wie illusorisch und zugleich zeittypisch, wie im Grunde „vor“- und zugleich „meta“-politisch solche Erwartungen waren, das zeigt Walter in großer Breite und Anschaulichkeit. Im Streit der Autoren und Intellektuellen um Rätesystem und parlamentarische Demokratie, im notorischen Vorwurf des Verrats an die Adresse der Sozialdemokratie, schließlich im literarischen und publizistischen, ästhetischen und politischen Kampf um das „richtige“ Bild von der Sowjetunion werden „Gravitationsfelder und Standorte“ einer intellektuellen und künstlerischen Linken nachgezeichnet, wie man sie so materialreich und zugleich klug abstrahierend in kaum einer „Intellektuellengeschichte“ der Weimarer Republik bisher hat lesen können.

Dabei bewährt sich ein Darstellungsverfahren, das Walter bereits in den früheren Bänden praktiziert hatte und das nicht unwesentlich für ein Lesevergnügen verantwortlich ist, das groß angelegte Überblicks- und Gesamtdarstellungen in der Regel gerade nicht bereiten: Er schreibt grundsätzlich aus den Quellen heraus und garniert sie nicht etwa, sondern stützt seine Ausführungen auf Briefe und Autobiografien, auf Tagebücher und Memoiren, natürlich auch auf ausführlich referierte und immer wieder auch zitierte Texte aus Zeitungen und Zeitschriften.

Die „Deutsche Exilliteratur“, die man nun in insgesamt vier umfangreichen Bänden studieren kann, ist – auch wenn der eigentlich geplante Band über die Exilliteratur im engeren Sinne nicht mehr geschrieben werden konnte – eine literarisch fundierte, eine im Material und Medium von publizistischen, essayistischen und erinnernden Texten geschriebene Geschichte. Leben und Werk von rund 240 Schriftstellern und Journalisten (darunter viele bekannte, aber auch sehr viele weniger bekannte Namen) aus verschiedenen Milieus und Formationen liegen ihr zugrunde. Dabei reicht das Spektrum von (den zahlmäßig am stärksten vertretenen) KPD-Mitgliedern oder Sympathisanten, über SPD- beziehungsweise SADP- Anhänger, linksliberal-parteilose Pazifisten oder Unterstützer von republikanisch-demokratischen Institutionen wie der „Deutsche(n) Liga für Menschenrechte“ und der „Deutsche(n) Friedensgesellschaft“.

Das alles setzt einen Überblick über die Quellen, aber zugleich auch die Fähigkeit voraus, aus der Fülle des Materials eine Komposition zu destillieren, die dem weniger kundigen Leser Orientierung erlaubt und auch für den Kenner Überraschungen, echte Entdeckungen bereithält. Letzteres gilt unter anderem für die irritierend aktuelle Belegsammlung mit Beispielen für „Anfeindungen aus der Öffentlichkeit“ (Kap. III). In großer Zahl waren Autoren, Künstler  und insbesondere Journalisten nach Auftritten bei Versammlungen, der Unterzeichnung von Aufrufen oder skandalträchtigen Theateraufführungen nicht nur öffentlichen, sondern auch privaten, das heißt telefonisch oder brieflich übermittelten Beleidigungen ausgesetzt. Schmähbriefe und hasserfüllte Drohungen sind – so lernt man ein ums andere Mal –  keine Erfindung des digitalen Zeitalters und „post-demokratischer“ Verhältnisse.

Nicht zuletzt wegen der Aufdeckung der Fememorde wurde Siegfried Jacobson (Die Weltbühne) Objekt heftiger öffentlicher und privater (antisemitischer) Beschimpfungen. Theodor Wolff (Berliner Tageblatt), Kurt Tucholsky, aber auch Hermann Hesse und  – im Zusammenhang des Bühnenerfolgs von Der Hauptmann von Köpenick –  Carl Zuckmayer ging es ähnlich. Kaum verwunderlich, dass es auch Heinrich und Thomas Mann traf. Letzterer erhielt nach seiner scharfen Kritik am „Preußenschlag“ (20. Juli 1932), die das Berliner Tageblatt veröffentlicht hatte, von einem jungen Mann aus Königsberg ein verkohltes Exemplar der Buddenbrooks. Die „verkohlten Reste“ habe er sorgfältig aufbewahrt – so ließ Thomas Mann seinen Verleger wissen –, „damit sie einmal von dem Geisteszustand des deutschen Volkes im Jahre 1932 zeugen“ könnten.

Auf aussagekräftige Episoden, symbolträchtige Anekdoten, sprechende Details und dabei stets genau dokumentierte Belege wie den zuletzt erwähnten trifft man in fast allen Kapiteln der großen Studie. Das betrifft auch den eher historiografisch anmutenden, dabei spannungsreich gestalteten Abschnitt über „Konflikte zwischen Staat und Gesellschaft“. An einer Vielzahl von Beispielen zeigt Walter die sich gegen Ende der Republik noch einmal verschärfende Diskrepanz zwischen demokratischer Verfassung und Rechtsordnung und ihrer Repräsentation durch Personen und Organe, deren mentale Bindung an monarchistisch-obrigkeitsstaatliche, reaktionär-illiberale Vorstellungen in Bild und Begriff einer „Republik ohne Republikaner“ sprichwörtlich wurden. Zu nicht selten öffentlichkeitswirksam inszenierten Konflikten kam es aus Anlass von juristischen Verfahren wegen „Gotteslästerung“ (das betraf unter andern Bertolt Brechts Gedicht Maria von 1926, Walter Hasenclevers Komödie Ehen werden im Himmel geschlossen von 1928, Heinrich Lautensacks Pfarrhauskomödie, die bereits 1911 entstanden und im Kaiserreich verboten war und 1920 zur Uraufführung kam). Neben „literarischen“ Gotteslästerungsprozessen, die Walter zu Recht als „Stellvertreterkrieg“ interpretiert, standen seit der  heftig umstrittenen, aber schließlich vollzogenen Verabschiedung des „Schu-Schmu-Gesetzes“ („Gesetz zur Bewahrung der Jugend von Schund- und Schmutzschriften“) im Jahre 1926 juristische Verfahren wegen „unzüchtiger  Schriften und Bilder“; Verfahren wegen „Landesverrats“ und schließlich auch „literarischen Hochverrats“ ergänzen ein Konfliktfeld, dessen Beschreibung aus gutem Grund mit der Rekonstruktion skandalträchtiger und öffentlichkeitswirksamer Verbote endet: Ins ohnehin krisengeschüttelte Jahr 1930 fallen in Thüringen, wo die NSDAP Koalitionspartner einer Landesregierung geworden war und den Innen- und Volksbildungsminister (Wilhelm Frick) stellte, Maßnahmen gegen die Behandlung von Remarques Im Westen nichts Neues im Schulunterricht, gegen „Russenfilme“ in den Kinoprogrammen, schließlich gegen das Weimarer Bauhaus und gegen Konzertprogramme, die Werke von Paul Hindemith und Igor Strawinsky vorsahen. Mit dem im April verabschiedeten Erlass „Wider die Negerkultur – für deutsches Volkstum“ wurden in Thüringen Weichen gestellt, die zwar „nur“ 14 Monate lang in Geltung waren, die aber das Urteil erlauben, Thüringen habe für die künftige nationalsozialistische Kultur-und Literaturpolitik eine „Pilotfunktion“ (Jan-Pieter Barbian) übernommen.

Walters detaillierte Schilderung von Vorgeschichte, Verlauf und publizistischer Resonanz auf das im Dezember 1930 ergangene Verbot der amerikanischen Verfilmung von Im Westen nichts Neues, die Einbettung dieser Causa in die politischen Verwerfungen eines Jahres, das zum „Ende der parlamentarischen Demokratie“ und ihrer Ablösung durch eine Regierung der „Präsidialkabinette“ führen sollte, darf als dichte Beschreibung eines Krisengeschehens mit katastrophalen Folgen zum Besten und zugleich Aktuellsten gezählt werden, mit dem die Studie aufwarten kann.

Das mindert die Bedeutung der konzis-detailreichen Ausführungen in den folgenden Kapiteln keineswegs. Sie gelten mit teils längeren, teils kürzeren Abschnitten dem „ Zerfall von Kulturbastionen“ (Kap. IV), das heißt den in Walters Sicht überwiegend hilflosen, im Prinzip vergeblichen Reaktionen und Abwehrmaßnahmen, die im „Theater der Hauptstadt“, in den „großen Literaturverlagen“, in der Frankfurter Zeitung, im „Haus Mosse“ (also dem Berliner Tageblatt), schließlich im „Ullstein-Imperium“ und im „SDS“ gegen Notverordnungen, Zensur-und Verfolgungsmaßnahmen und damit gegen den drohenden Untergang der Demokratie unternommen wurden. Auch wenn man die Gewichtung, die Walter hier vornimmt, im Einzelnen in Frage stellen kann (dies betrifft zum Beispiel die Haltung des S. Fischer Verlags, aber auch des „Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller“), so ist doch unstrittig, dass im Milieu der linksliberalen Intelligenz der ausgehenden Weimarer Republik ein Bewusstsein für die tatsächlich drohenden Gefahren, für die Notwendigkeit politischen, also fraktions-und milieuübergreifenden Handelns kaum entwickelt, im Gegenteil, dass ein Festhalten an für richtig und zukunftsresistent erachteten Positionen zum Gebot der Stunde erklärt wurde.

Hier bestätigt Walter noch einmal, wofür das abschließende große Kapitel VI („Verfolgung und Unterdrückung der oppositionellen Intelligenz am Anfang der Hitler-Herrschaft“) wiederum mit einer erdrückenden Zahl von Beispielen und Belegen aufwarten kann: Dass die „Weimarischen Linksintellektuellen“ von einem realpolitischen, Machtverhältnisse klar kalkulierenden und Abwehrmaßnahmen entschieden ergreifenden Denken weit entfernt waren; mehr noch, dass ästhetischer Avantgardismus und politisches Fortschrittsdenken keineswegs zusammengehörten und im Stolz auf ersteren der Realitätssinn für letzteres durchaus neutralisiert erscheinen konnte. Das ästhetisch forcierte, politisch aber nicht selten naive Vertrauen auf einen demokratisch-rechtsstaatlich garantierten Raum allgemeiner Partizipation an den öffentlichen Belangen konzentrierte sich auf  künstlerische weit stärker als auf reale Probleme – sofern es sich nicht um Künstler und Intellektuelle handelte, deren Parteinahme für die KPD einen Fraktionszwang zur Folge hatte, der sie in anderer Weise für die real existierenden Gefahren blind machte.

Diese nicht eben positive Bilanz zielt vor allem auf die Kritik an zwei in Forschung und Öffentlichkeit gern wiederholte Behauptungen. Zum einen trifft sie die von Hans-Albert Walter allzu lax als „Weimarhistoriker“ rubrizierten großen Repräsentanten der Geschichtsschreibung der Weimarer Republik: von Karl-Dietrich Bracher über Hagen Schulze bis zu Walter Laqueur und Heinrich August Winkler. Sie alle hätten Wirkung und Einfluss der linken Intelligenz erheblich überschätzt und zum Beispiel die Proportionen völlig verkannt, die allein ein Vergleich von Auflagenhöhe und Absatzzahlen unter anderem im Falle der gern als „das Sprachrohr der linken Intelligenz“ bezeichneten Weltbühne ergäbe. So viel man seinerzeit und heute über diese und andere Organe des linken Milieus wissen könne, so entschieden müsse doch ihr prinzipiell marginaler Status betont werden. In immer neuen Anläufen und an institutionell und diskurspolitisch wahrlich repräsentativen Beispielen führt Walter den Nachweis, dass die „Weimarischen Linksintellektuellen“ trotz klingender Namen und spannender Skandale, großer Bühnengeschehnisse und spektakulärer Prozesse (zum Beispiel um die Weltbühne) Außenseiter waren, die den Hass von Obrigkeit und Mehrheitsgesellschaft auf sich zogen und alsbald ihre Opfer wurden. Zum anderen aber zielt Walters Darstellung auf Kritik an einer nicht minder wirksamen Behauptung, die sich in der Literatur-und Exilgeschichtsschreibung der DDR findet. Auch hier werde der tatsächliche Einfluss und Wirkungsradius der linken Intellektuellen Weimars sträflich überschätzt, nun freilich um des Nachweises willen, dass die zahlreichen Resolutionen und Protesterklärungen, Unterschriftenaktionen und Aufrufe (gegen Zensurmaßnahmen, gegen die Verurteilung Carl von Ossietzkys im Weltbühnen-Prozess, im Prozess um die Aufführung von Arthur Schnitzlers Reigen, gegen das „Schu-Schmu-Gesetz“) die Vorgeschichte einer „antifaschistisch-demokratischen Volksfrontbewegung“ bildeten, die seit Mitte der 1930er Jahre dann die „humanistisch gesinnten Schriftsteller“ im kulturellen Abwehrkampf gegen das nationalsozialistische Deutschland zusammenführte.

Man mag Walters sympathischer Neigung zur argumentativen Zuspitzung beipflichten oder nicht. Der materialreich begründeten Beschreibung und Bewertung von Einfluss und Wirkung der Weimarer Linksintellektuellen, ihrer Rolle als Außenseiter, die von der Zusammenführung von „Geist“ und „Tat“ träumten und selten sahen, dass das Gesetz des Handelns trotz renommierter Periodika und international anerkannter Leistungen auf Theater- und Konzertbühnen bei der Obrigkeit und eben nicht bei der Piscator-Bühne oder in den Verlautbarungen der „Linkskurve“ lag, diesem Befund ist nicht zu widersprechen. Widersprechen kann man bei der Gewichtung und Bewertung einzelner Geschehenskomplexe in den letzten Jahren der Republik beziehungsweise nach der Machtübertragung an Hitler. Dass die Politik des S. Fischer Verlags einer zweifellos hoch prekären Gratwanderung gleichkam, in der Thomas Mann mit seinem Werk eine wichtige Rolle spielte, steht außer Frage; auch dass der unrühmliche Streit um Klaus Manns Exilzeitschrift Die Sammlung einem entsprechenden Eingreifen Bermann-Fischers geschuldet ist, ist unstrittig. Ob all dies die Kapitelüberschrift erlaubt „Fischer bleibt ‚drinnen‘ und kämpft gegen Exilierte“, wird man indes bezweifeln müssen. Auch die prinzipielle und interpretatorisch enorm folgenreiche Trennung zwischen politischer Emigration und jüdischem Exil, für die Hans-Albert Walter unter anderem eine Passage aus Klaus Manns Roman Der Vulkan zitiert und die sich in der Exilforschung von West wie Ost über Jahrzehnte zu einer selbstverständlichen Deutungsperspektive verfestigen sollte, erscheint aus heutiger Sicht kaum mehr haltbar. Und dennoch: Die Lektüre dieses Opus Maximum über die Außenseiter der Republik und ihr bald beginnendes Exil belehrt selbst da, wo man nicht zustimmt; nicht selten belehrt sie zudem über fortdauernde, gegenwärtige Illusionen im links-intellektuellen Milieu – und nicht nur in diesem.

Titelbild

Hans-Albert Walter: Deutsche Exilliteratur 1933–1950. Band 1.2: Weimarische Linksintellektuelle im Spannungsfeld von Aktionen und Repressionen.
J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 2017.
755 Seiten, 99,95 EUR.
ISBN-13: 9783476006141

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch