Vieles noch ungeklärt

Der Neurologe Christof Kessler gibt in „Glücksgefühle. Wie Glück im Gehirn entsteht und andere erstaunliche Erkenntnisse der Hirnforschung“ erstaunliche Antworten

Von Sebastian MeißnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sebastian Meißner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Glück fasziniert den Menschen schon immer. In der individualisierten Wohlstandsgesellschaft ist die Beglückung des eigenen Daseins zur Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens geworden. Von seriösen Glücksforschungen bis zu trivialen Ratgebern ist längst eine große Anzahl an Literatur auf dem Markt, die sich dem Phänomen des glücklichen Lebens widmet. Christof Kessler bereichert diese Sammlung nun mit einem Überblick über den derzeitigen Stand der Neurowissenschaft und Neuropsychologie. Der Neurologe in eigener Praxis war einst Leiter der Klinik für Neurologie am Uniklinikum Greifswald und hat sich als Sachbuchautor bereits einen Namen gemacht. Er forscht unter anderem zu Hirnplastizität. Im Zentrum seines Buches Glücksgefühle. Wie Glück im Gehirn entsteht und andere erstaunliche Erkenntnisse der Hirnforschung stehen Fragen wie: Was spielt sich eigentlich im Gehirn ab, wenn wir glücklich sind? Welches Zusammenwirken von Neuronen und Botenstoffen sorgt dafür, dass wir ein Glücksgefühl erleben? Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Glück und Zufriedenheit und den schwarzen Abgründen von Melancholie und Depression? Kessler fragt unter anderem auch danach, ob es Unterschiede gibt zwischen den Gehirnen von Frauen und Männern gibt.

Auf 380 Seiten erzählt der Neurologe die Geschichten von glücklichen und unlücklichen Menschen. Es sind Beispiele aus vielen Jahren Berufserfahrung, die eine Nähe schaffen, die diesem Sachbuch seine leichte Note geben. Fast beiläufig mischt Kessler seinen Erzählungen Fakten über das limbische System, über Zwischenhirn und Hirnstamm oder Synapsen und Transmitter bei und vermeidet dadurch die Gefahr, nichtkundige Leser zu verlieren. In der Sprache einfach, im Stil präzise schafft es der Autor, das Interesse durchgängig hoch zu halten. Dem Verständnis zuträglich sind zudem die zahlreichen Abbildungen – Fotos wie Illustrationen – darunter etwa über eine topgrafische Karte der Großhirnride, eine Darstellung der Myelinscheide oder einer funktionellen Magnetresonanztomografie im Ruhestadium.

Am Ende der Lektüre wird klar: Die neurologische Glücksforschung steht noch an ihren Anfängen. Viele Details über die Entstehung von Glücksempfindungen sind noch ungeklärt. Erstaunlich ist aber, über wie viele Ansätze die Forschung verfügt, wie intensiv sie ihre Erkenntnisse miteinander verknüpft und damit einem der großen Geheimnisse der menschlichen Existenz auf der Spur ist. Wer will, kann sich hier auch konkrete Lebensführungstipps abholen: Denn Kessler bestätigt, dass zum Beispiel Junkfood und Bewegungsmangel zu Depressionen führen können, während eine aktive Lebensweise mit Bewegung und gesunder Ernährung die Chance darauf, sich glücklich zu fühlen, deutlich erhöht. Letztendlich ist sein Buch also auch ein Hoffnungsmacher: Allem Anschein nach ist Glück schon mit relativ einfachen Mitteln zu erreichen. Das gilt auch für Menschen im hohen Alter – auch wenn die Produktion des Glückshormons Dopamin abnimmt.

Titelbild

Christof Kessler: Glücksgefühle. Wie Glück im Gehirn entsteht und andere erstaunliche Erkenntnisse der Hirnforschung.
C. Bertelsmann Verlag, München 2017.
383 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783570103128

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