Leere im Kopf

Volker Feldkamps Ostfriesenkrimi „Leer-Geld“ ist sein Geld nicht wert

Von Katharina HahnRSS-Newsfeed neuer Artikel von Katharina Hahn

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

„Don’t judge a book by its cover“. Ein nett gemeinter Ratschlag, der Menschen im Allgemeinen und Leser im Besonderen von voreiligen Schlüssen und Klischeevorstellungen abbringen soll. Manchmal ist dieser Spruch aber schlichtweg falsch. Volker Feldkamps Ostfriesenkrimi Leer-Geld ist einer dieser Fälle. Was das Cover befürchten lässt, kann der Inhalt noch übertreffen. Optisch irgendwo zwischen low-budget-Jugendbuch-on-demand und Abschlussarbeit des Volkshochschulkurses „Malen nach Zahlen“ verspricht die Aufmachung gleichzeitig einen in einem Schmetterlingsnetz dargebotenen Totenschädel und eine pausbäckige alte Dame. Die kausale Verbindung zwischen beidem erschließt sich auch am Ende einer strapaziösen Lektüre nicht. Das Einzige, was Oma und Leiche verbindet, ist der Protagonist der Geschichte: Polizeihauptmeister Erwin Groenewold. Hobby-Alkoholiker, Fan von Schlagerstar- und B-Promi-Namedropping und fleischgewordener Albtraum einer jeden feministischen Werteordnung. Als Herzstück der Detektivgeschichte glänzt er mit kriminalistischem Scharfsinn. „Er wusste, dass es nichts Gutes bedeutete, wenn mitten in der Nacht im Unterholz ein Baby schrie“. No Shit, Sherlock.

Die Figurenzeichnung fällt wenig subtil aus. Hier hat man es nicht mit einem ambivalenten, doppelbödigen und vom Leben zum Zyniker gemachten Charakter zu tun. Erwin vergleicht den Geruch von Verwesung mit Chanel No 5 und die erste Leiche mit einer „überdimensionalen Roulade“. Angesichts des zweiten Opfers lamentiert er: „Oh Mann, noch so einer. Erschlagen scheint fett in Mode zu sein“. Ja, genau so geht es weiter. Immer weiter. Eine völlig unmotivierte Handlung und sinnbefreite Dialoge dienen offensichtlich nur als Steilvorlage für eine noch sinnbefreitere Pointe.

Geradezu schmerzhaft sinnfällig wird das im Kontrast zur klischeehaft dramatischen Nebenhandlung rund um eine osteuropäische Prostituierte, die auf der Flucht vor ihren mafiösen Zuhältern zusammen mit ihrem Baby bei einem ostfriesischen Einsiedler unterkommt. Deutsch sprechen kann sie nicht, deutsch denken irgendwie schon, wenn sie rote Beeren sieht, wegen deren Farbe an Liebe denken muss und sich daraufhin dann Liebe anstelle von Trostlosigkeit für ihr Kind wünscht. Ein an sich schon mäßig origineller Gedankengang wird hier mit der sprachlichen Originalität eines Besinnungsaufsatzes aus der neunten Klasse an den Leser herangetragen. Dieses bemühte, bestenfalls pseudo-philosophische Kammerspiel kollidiert gewaltig mit Erwins paralleler Bestrebung, für den Geburtstag seiner Tante Dini einen Schlager zu komponieren.

Was also will dieses Buch sein? Eine pathetische Charakterstudie oder schenkelklopfende Deichfolklore? So oder so: Das Ergebnis ist albern. Aber nicht auf die gute Art. Es ist kein glühend selbstironisches Manifest, das chronisch überarbeiteten Dorfpolizisten angesichts eines grotesk überzeichneten, fiktiven Leidensgenossen den Blick in den Spiegel erleichtert. Es sind 227 Seiten, angefüllt mit viel zu vielen Nebencharakteren, die in ihrer Beschreibung passenderweise so flach bleiben wie das Nordland selbst. 227 Seiten, die angesichts der beschriebenen Polizeiarbeit irgendwie den Wunsch motivieren, rund um die Stadt Leer niemals mit Gesetzeshütern in Kontakt kommen zu müssen. 227 Seiten, die dank dutzender, inflationär erwähnter Straßennamen möglicherweise für die Einwohner jener Stadt spannend sein mögen und dank Begriffen wie Jümme, Pünta, Leda und Boßeln vielleicht auch für Ostfriesen reizvoll sein können. Für nahezu jeden anderen Leser dürften die widersinnige, unfreiwillig komische Handlung gepaart mit einer Baggerladung Lokalkolorit 227 Seiten zu viel sein.

Titelbild

Volker Feldkamp (Hg.): Leer-Geld. Kriminalroman.
Leda Verlag, Leer 2018.
228 Seiten, 10,00 EUR.
ISBN-13: 9783864122088

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