Mit Peter Wawerzinek, Bachmann- und Publikumspreisträger des Jahres 2010, hinter den Kulissen des ORF-Studios Klagenfurt

Wer nicht im Studio dabei sein kann, sondern die TddL am Bildschirm oder im Netz verfolgt, folgt den Blickachsen und Großaufnahmen, die von der Bildregie ausgewählt wurden. Wawerzinek, der Klagenfurt und das ORF-Studio als doppelter Preisträger und Stadtschreiber von innen kennenlernte und sowieso ein Mensch des Von-Innen-Betrachtens ist, mit jedem und jeder per Du, ermöglicht der kleinen Redaktionscrew der Gegenwartskulturen einen Blick hinter die Kulissen und schreibt direkt im Anschluss am Klagenfurter Lendhafen über das Erlebnis: Ausführlich, kleinteilig, mit Herzenswärme und dem ihm eigenen Schalk. Doch lesen Sie selbst:

Peter Wawerzinek:

Es war nur kurz Zeit für den Rundgang durchs ORF-Studio. Den Tag vorher hat Horst [d.i.Horst L. Ebner], der die Bachmanntage leitet, umsonst auf uns gewartet. Jetzt nehmen wir die Sache selbst in die Hand. Eine kleine, neugierige Gruppe geht die große Treppe hoch, durch die rote Tür, hinter der sich der Saal befindet, in dem gelesen und nach der Lesung über das Gelesene diskutiert wird. Der Saal ist gerade ungenutzt. Ein paar Leute sitzen herum, Techniker beraten sich und wir können uns umsehen. Aber das ist nicht unser Ziel. Am liebsten würden wir ins Herzstück gelangen, wo Klaus [d.i. Klaus Wachschütz, Technischer Leiter des ORF Studios Klagenfurt] die Fäden in seinen Händen hält, für die richtigen Schnitte und Kameraeinsätze sorgt, die dann nach seiner Regie im Fernsehen zu sehen sind. Zuvor aber die Kantine, wo sich alle Beteiligten treffen, kurz etwas essen, trinken, sich beraten, auswerten, neu aushecken. Daran angeschlossen der große Balkon, von dem aus man auf den ORF-Garten blickt. Es ist die große Pause. Die Jury sitzt an einem großen Tisch beisammen und isst von großen Holztabletts, was die Küche für sie zubereitet hat. Eine stille Runde, die wenig kommuniziert, denn sie haben viel über die Texte geredet, vor laufenden Kameras sich ausgesprochen. Wir setzen unseren Gang fort. Hier die Studios, in denen für den Rundfunk Interviews geführt werden. Auch dort atmet man durch und muss nicht senden. Und dann ist es so weit. Wir haben den Hauptraum vor Augen. Nur wird eben gesendet und es schaut so aus, als würden wir nicht hineingelangen. Aber nicht mit mir, dem Mann, der es sich in den Kopf gesetzt hat, mit der Gruppe dort hereinzutreten.

Zwei Leute, die letzte feine Hoffnung, über sie vielleicht das Ziel zu schaffen, stehen am Getränkeautomaten. Kurzer Talk mit ihnen und dann habe ich einen von ihnen soweit, dass er eine Geste vollführt. Er wird voranfragen, Klaus mitteilen, dass wir vor der Tür stehen. Wenige Minuten später bittet er uns hinein. Wir betreten ehrfurchtsvoll das Heiligtum und sie sind mitten am wirbeln. Im ORF-Garten wird geredet. Die Band darf sich vorstellen. Und, wie es nicht besser geht, sollen die beiden Herren auch einen Song zum Besten geben. Die Letten werden die Esten sein, der Text. Jetzt wird Klaus aktiver als sonst. Er hat einen Gedanken, eine Idee umzusetzen. Die Musik beginnt. Dort, den Sänger bitte. Danach die Hände an der Orgel vom Musiker. Dann beide bitte, Kamera sechs im Duett ins Bild rücken. Und nun springt Klaus auf, wirkt wie ein Dirigent. Er weist stehend die Kameraleute an, die Sieben, die Fünf, die Sechs, die Sieben. Vor der Treppe, die wie für unseren kurzen Rundgang zuvor emporgegangen sind, sind Zettel an die Wand geklebt. Ein Kameragalgenstück steht bevor. Die Schriften werden ins Bild gerückt. Von der Wand über Leute, die ihre Zettelworte vor der Brust halten, zur Treppe hoch, wo Die Letten werden die Esten sein als sich wiederholendes Schriftband angeklebt über die Stufen bis nach oben zu lesen ist. Und die Kamera ist nahe dran. Klaus bewegt seine Hände nun rhythmisch zu jedem Schritt. Ein Glanzstück der Kamerakunst, ein Höhepunkt der Regie. Und am Ende der Treppe steht die Moderatorin Zita [d.i. Zita Bereuter] im roten Kleid, die just rasch hochgehüpft sein muss, um dann an der roten Tür vor dem Saal ins Bild zu rücken, von wo aus sie ihre Anmoderation für die nächsten Lesungen hält. Perfekt. Ein Jubel im Regieraum. Applaus. Wunderbar. Ja, ja. Herrlich. Das Timing stimmte, also wir waren zum richtigen Zeitpunkt am rechten Ort und vor allem live bei dem Live-Act dabei. Das ist das beste Regiemeisterstück der bisherigen Lesetage. Großartig für uns, dass wir dabei sein durften. Als hätten wir Regie geführt, kommen wir uns vor. Und bei allen Beteiligten wird lange nachhallen, was uns dort geboten wurde. Ich freue mich laut statt still, dass alles so glatt gelaufen ist. Mehr ging für die paar Minuten wirklich nicht. Das steht nun einmal fernsehfelsenfest. Und einen zweiten Rundgang für die Studenten, die nicht dabei gewesen sind, steht für den nächsten Tag bevor. Mal sehen, ob das Ganze noch zu toppen ist.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen