Aufwertung der literarischen Provinz

Der von Edwin Ernst Weber herausgegebene Text-Bild-Band „Literatur in Oberschwaben seit 1945“ erkundet eine Kulturlandschaft

Von Kay WolfingerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Kay Wolfinger

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es ist grundsätzlich ein schwieriges Unterfangen, zu einzelnen ländlichen Literaturregionen zu arbeiten, wenn dort das Interesse an der Literatur, die dieser Gegend entsprungen ist oder mit ihr in Kontakt steht, nur gering ist. In diesem Sinne unterscheiden sich Regionen im Osten Deutschlands nicht vom Niederrhein, diese nicht von Gegenden im Bayerischen Wald oder in Friesland.

Wie sich die Lage im vorliegenden Fall darstellt, soll hier gar nicht beurteilt werden. Umso erfreulicher und lobenswerter ist allerdings der von Edwin Ernst Weber herausgegebene Band Literatur in Oberschwaben seit 1945, der verschiedene thematische Aufsätze enthält, eine Mischung aus schriftlicher Darstellung, Bildmaterial, Fotos und Fundstücken. Der Fokus liegt auf der Literarisierung Oberschwabens beziehungsweise auf den Impulsen, die kulturell von dieser Gegend ausgingen, und da der Rahmen weit ist, spannt sich der thematische Horizont entsprechend von der literarischen Gesellschaft „Der Ravensburger Kreis“ zu den Regionen Oberschwaben und Vorarlberg bis hin zu entlegeneren Gestalten der Literaturgeschichte. Aber auch kanonische Größen wie Ernst Jünger oder Gerhard Nebel, beides Zugezogene, werden gewürdigt. In zumindest summarischer Form werden aber wohl sämtliche Archive, Autorenrunden und kulturelle Institutionen der Region, die irgendwie mit Literatur in einen Zusammenhang gebracht werden können, angeführt.

Manfred Bosch meint in seinem Aufsatz Literatur in Oberschwaben seit 1945: „Oberschwaben gilt gemeinhin eher als Kunst- denn als Literaturlandschaft“, doch umso klarer ist hier nun das Bestreben, die Literatur Oberschwabens aufzuwerten. Bei manch naher Region, bei der sich dies ebenfalls lohnen würde, kann man hingegen nicht einmal behaupten, irgendwie nennenswert in kulturellem Feld wahrgenommen zu werden, und so fehlt eine Analyse der Allgäuer Literatur bis zum heutigen Tage. Immerhin hat das Allgäu, wie es auch in dieser Publikation immer mal wieder kurz beleuchtet wird, Literaten wie den dieses Jahr verstorbenen Günter Herburger, W. G. Sebald oder Gerhard Köpf hervorgebracht.

Manfred Boschs Aufsatz „Oberschwaben als literarische Landschaft nach 1945. Versuch eines Überblicks“ bietet eine kursorische Gesamtschau über das ganze Feld. Aber auch der Aufsatz über „Die „Gruppe 47“ in Saulgau“ (Ewald Gruber), der zahlreiche Anekdoten aufarbeitet, oder der Aufsatz „Martin Walser als Patron der oberschwäbischen Literatur“ (Peter Renz), eine Würdigung eines der bedeutendsten Literaten der Region, sind lesenswert. Empfohlen sei zudem der Text zu Ernst Jünger in Oberschwaben von Jan Robert Weber, der zwar nichts grundsätzlich Neues über Jüngers Refugium in Wilflingen erzählt, aber noch einmal gründlich an einen Schriftsteller erinnert, der sich zum Leben, Lesen und Schreiben in der Provinz eingerichtet hatte.

In Verbindung mit zahlreichem Bildmaterial, Autorenfotos und Dokumenten wird dieser Sammelband zu einer längst überfälligen Würdigung der oberschwäbischen Literatur, die schließlich einen festen Platz in der Literaturgeschichte der Bundesrepublik verdient hat.

Titelbild

Edwin Ernst Weber: Literatur in Oberschwaben seit 1945.
Gmeiner Verlag, Meßkirch 2017.
304 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783839220863

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